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Adventskalender 2010: Nico Rosberg

Wie Nico Rosberg Superstar Michael Schumacher entzauberte und warum er trotz dessen Psychospielchen als klarer Sieger hervorgegangen ist

(Motorsport-Total.com) - Die Saison 2010 geht als eine der spannendsten in die Formel-1-Geschichte ein. Vier Fahrer kämpften beim letzten Rennen in Abu Dhabi noch um den Gewinn der Weltmeisterschaft; den Sieg sicherte sich letztendlich einer, der die Fahrerwertung zuvor noch nie angeführt hatte. Auf dem Weg nach Abu Dhabi kam es zu zahlreichen Sternstunden und Dramen. Grund genug für 'Motorsport-Total.com', das Jahr noch einmal Revue passieren zu lassen. Thema heute: Nico Rosberg.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg

Nico Rosberg zählt zu den großen Entdeckungen der Saison 2010

Für 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer war nicht zwingend Weltmeister Sebastian Vettel die Entdeckung der Saison, sondern Rosberg: "Nico ist in ein neues Team gekommen und hatte einen siebenfachen Weltmeister an der Seite. Er hat ihn klar in den Schatten gestellt und sich als Teamleader etabliert. Das hat mich sehr, sehr beeindruckt. Und Michael hat ganz sicher nicht damit gerechnet, dass er von Rosberg so eingeteilt wird", analysiert der 82-fache Grand-Prix-Teilnehmer aus der Schweiz.

Klarer Sieger nach Punkten

Rosberg sorgte im teaminternen Duell bei den Mercedes-Silberpfeile für klare Verhältnisse: 142:72 Punkte, 14:5 gewonnene Qualifyings. Damit hätte vor Saisonbeginn kaum jemand gerechnet, auch wenn zumindest den Experten klar war, dass Schumacher aufgrund der eingeschränkten Testfahrten etwas länger brauchen würde, um sein früheres Leistungsniveau wieder abzurufen. Aber auch wenn es in den letzten paar Rennen etwas knapper zuging, war Rosberg unterm Strich doch klarer Sieger im deutsch-deutschen Stallduell.

Laut Surer gehört der ehemalige GP2-Champion auch aus diesem Grund zu den Überfliegern 2010: "Er wechselt das Team und kriegt plötzlich einen siebenfachen Weltmeister danebengesetzt, der noch dazu der Spezi des Teamchefs ist. Dass das normalerweise gegen ihn laufen müsste, war klar. Es gab dann auch Anzeichen, zum Beispiel die Umstellung auf den langen Radstand in Barcelona - alles, was Michael hilft, ist gut. Das war sicherlich auch ein Stück weit der Input von Michael", erklärt unser Experte.

Nico Rosberg vor Michael Schumacher

Nico Rosberg hatte Michael Schumacher diese Saison meist sicher im Griff Zoom

Doch Rosberg ließ sich von all dem nicht beeindrucken: "Nico konnte sich aus dieser Situation wieder befreien und zeigte dem Team ganz klar, dass er der Schnellere und die Nummer eins ist. Dann hat ihn das Team auch gewähren lassen. Ich finde, dass er das geschafft hat, a) schneller zu sein und b) sich nicht unterkriegen zu lassen, deswegen war er extrem stark", lobt Surer den Sohn von Ex-Weltmeister Keke Rosberg, gegen den er in den 1980er-Jahren selbst in der Formel 1 angetreten ist.

In Schumachers Schatten

Dabei hätte es auch ganz anders laufen können. War der Wechsel von Williams zu Mercedes noch im November die ganz große Story in Deutschland, so juckte das Thema Rosberg spätestens dann niemanden mehr, als Schumacher am 23. Dezember sein Comeback bekannt gab. Beim Rollout des MGP W01 in Valencia konzentrierte sich alles auf Schumacher, während Rosberg eher unbemerkt daneben saß. Er trug's aber mit Fassung: "So kann ich mich wenigstens auf meine Arbeit konzentrieren."

Von der ließ er sich auch nicht durch die bekannten Schumacher-Psychospielchen ablenken. Der siebenfache Weltmeister bestand vor dem ersten Rennen auf der Startnummer drei, die eigentlich schon für Rosberg reserviert war. Schumacher begründete dies mit seinem Aberglauben, in Wahrheit wollte er wohl die Fronten auch symbolisch geklärt wissen. Aber von Rosberg prallte das ab - der 25-Jährige zeigte solchen Aktionen die kalte Schulter und gab die Antwort lieber auf der Strecke.

¿pbvin|512|2738||0|1pb¿Beim Saisonauftakt in Manama war er in Qualifying und Rennen nur knapp schneller als Schumacher, doch als die Formel 1 nach vier Übersee-Stationen nach Europa zurückkehrte und es im Qualifying-Duell bereits 4:0 stand, war klar, dass sich das interne Kräfteverhältnis 2010 nicht mehr umkehren würde. Daran änderte auch der MGP W01 mit verlängertem Radstand ab Barcelona nichts mehr, der offiziell das Untersteuern kurieren, inoffiziell Schumacher auf die Sprünge helfen sollte.

Zum damaligen Zeitpunkt vermuteten viele, dass Mercedes das Projekt Schumacher unmöglich scheitern lassen kann und deswegen Rosberg notfalls auch über die Klinge springen lassen würde. Diese Gefahr scheint inzwischen gebannt: "Ich glaube, das hat Nico überstanden, denn Mercedes bekam ja unzählige Anfragen, was das für ein Auto ist, mit dem nicht einmal ein Michael Schumacher gewinnen kann. Das heißt, die Verpflichtung von Michael hat sich fast ins Negative gedreht", vermutet Surer.

Rosberg ist die Zukunft

"Irgendwie sind diese Stimmen danach leiser geworden", analysiert der 'Motorsport-Total.com'-Experte weiter. "Im gleichen Atemzug hat man gesehen, dass es da einen jungen Deutschen gibt, der die Zukunft ist für das Team. Ich glaube, Mercedes sieht das inzwischen auch so: Der Alte ist der Haudegen und der Junge ist die Zukunft. Man kann Nico also nicht bewusst langsamer machen, nur damit der andere besser aussieht."

Als das Auto einigermaßen konkurrenzfähig war, holte Rosberg auch das Maximum heraus, fuhr in Sepang und Schanghai unter schwierigen Bedingungen zweimal auf das Podium und lag nach dem ersten Fünftel der Weltmeisterschaft überraschend hinter Jenson Button an zweiter Stelle. In Monte Carlo schien der Deutsche sogar Pole-Position-Kandidat zu sein, aber in Q3 gelang es dem Team nicht, das volle Potenzial zu entfalten. Von da an schien sich Mercedes mehr und mehr im Setup-Dschungel zu verirren, je länger die Saison dauerte.

Nico Rosberg

Nach Platz drei in Schanghai lag Rosberg an zweiter Stelle der Fahrer-WM Zoom

Eine Schlüsselszene spielte sich dann in Hockenheim ab, als Rosberg auf strategischem Wege an Schumacher vorbeigeschleust wurde; auch beim vorletzten Rennen in São Paulo machte der siebenfache Weltmeister freiwillig für seinen jüngeren Teamkollegen Platz. Für den langjährigen Formel-1-Dominator war das eine Premiere, auch wenn er die Saison 2010 zu dem Zeitpunkt schon längst abgeschrieben hatte. Aber bis jetzt hat Rosberg bei Mercedes alles richtig gemacht.

Sehr geringe Fehlerquote

Obendrein leistete er sich auch kaum Fahrfehler: Da war der Boxengassen-Zwischenfall wegen einer losen Radmutter in Budapest, ein weiteres loses Rad in Suzuka und die unverschuldete Kollision mit Mark Webber im Regenchaos von Yeongam, wo möglicherweise ein vierter Podestplatz möglich gewesen wäre. Aber Rosberg ist 2010 erwachsen geworden, was er bei der Mercedes-Weihnachtsfeier in Stuttgart auch mit neuem Dreitagebart-Look unterstrich - von wegen "Britney"...

Freilich bleibt der siebte WM-Rang unterm Strich trotzdem enttäuschend, obwohl es Rosbergs beste Saison war. Auch 2009 hatte er die gleiche Platzierung belegt, damals aber (auch systembereinigt) mit weniger Punkten. Doch vom Wechsel zu Mercedes hatte sich der Wahlmonegasse versprochen, im fünften Formel-1-Jahr endlich Rennen zu gewinnen und vielleicht um den WM-Titel zu kämpfen, wie es sein einstiger Weggefährte Lewis Hamilton dank des besseren Materials schon seit 2007 tut.

Nico Rosberg

In Budapest verlor Nico Rosberg in der Boxengasse das rechte Hinterrad Zoom

Erfrischend übrigens auch der mediale Auftritt von Rosberg, der speziell gegen Saisonmitte sein Team in Interviews kritisierte und sich dabei kein Blatt vor den Mund nahm. Das dürfte den PR-Gurus in Stuttgart nicht gefallen haben, sodass Rosberg ein paar Wochen später meinte: "Worte wie 'Katastrophe' darf ich nicht mehr sagen!" Und dabei fast schon ein entschuldigendes Grinsen im Gesicht hatte...

Saisonstatistik:

Fahrerwertung: 7. (142 Punkte)
Gefahrene Rennen: 19/19
Siege: 0
Podestplätze: 3
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 7,4 (7.)
Bester Startplatz: 2.
Bestes Rennergebnis: 3.
Ausfallsrate: 10,5 Prozent (3.)

Qualifyingduelle:

Rosberg vs. Schumacher: 14:5


Fotos: Highlights 2010: N. Rosberg


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