Hamilton: "In Istanbul war ich perplex"

Wieso Heidfeld ohne Lewis Hamiltons Einwand vielleicht bei McLaren wäre und warum er sich in Istanbul über Teamkollegen Button ärgerte

(Motorsport-Total.com) - Schon vor der Saison 2010 lag eine Stallkollision in der Luft. Allerdings hätte sie kaum jemand bei Red Bull erwartet, wo die Fahrerpaarung Sebastian Vettel und Mark Webber für Stabilität sprach, sondern viel eher bei McLaren. Zwei Weltmeister aus Großbritannien in einem Rennstall, in dem schon in der Vergangenheit erbitterte Stallkriege ausgetragen wurden - wie sollte das gut gehen?

Titel-Bild zur News: Jenson Button, Lewis Hamilton

Aufgeheizte Stimmung: Button und Hamilton nach dem Rennen in Istanbul

Zunächst trauerte auch Lewis Hamilton der friedlichen Vergangenheit nach. "Es war natürlich traurig für Heikki. Ich hatte zu ihm eine gute Beziehung und habe das immer noch", sagt er gegenüber 'Autosport'. "Ich wusste es von seinem Gefühl, dass er wohl das Team verlassen würde und mir war bewusst, wer ihn ersetzen könnte und wer mit mir daran arbeiten könnte, den Weltmeistertitel zu holen."

Am Ende kam es dann aber doch anders: "Ich erinnere mich an all diese Fahrer - da waren Kimi, Heidfeld und einige andere -, die man sich anschaute. Ich habe meine Chefs regelmäßig angerufen, um herauszufinden, wen sie verpflichten würden. Sie waren sich nie ganz sicher." In den Medien wurde damals berichtet, dass sich das Hamilton-Lager angeblich gegen einen Toppiloten wehrt.

Hamilton setzte sich für Button ein

Doch laut dem Weltmeister 2008 lief es genau umgekehrt ab: "Ich erinnere mich daran, dass ich zu Martin Whitmarsh sagte: 'Habt ihr mit Jenson gesprochen?' Und er sagte: 'Weißt du was? Ich nicht.'" Hamilton glaubt, dass man Button bis dahin nicht in Betracht gezogen hatte, um seine Stellung im Team nicht zu unterwandern: "Er war Weltmeister - Martin wusste wahrscheinlich nicht, was ich davon halten würde, wenn er ins Team kommt und dachte wohl nicht mehr darüber nach."

"Ich erinnere mich daran, dass ich zu Martin Whitmarsh sagte: Habt ihr mit Jenson gesprochen?"

Doch dieses Gedanken seien völlig unberechtigt gewesen: "Er war zu dieser Zeit der beste Fahrer da draußen, die Nummer eins - also warum nicht? Ich hatte damit kein Problem. Ich wollte den bestmöglichen Teamkollegen, um mir zu helfen, gute Arbeit für das Team zu leisten." Daraufhin traf sich Whitmarsh mit Button: "Sie hatten ein großartiges Gespräch und er war die beste Wahl für das Team."

Türkei: Haussegen in Gefahr

Button wurde verpflichtet - und entgegen der Erwartungen der Öffentlichkeit ging die Premierensaison des neuen McLaren-Gespanns ohne gröbere Spannungen über die Bühne. Bloß bei einem Rennen kamen sich die beiden Champions etwas näher als ihnen lieb war - und zwar ausgerechnet beim Grand Prix von Istanbul, als bei Red Bull die folgenschwere Stallkollision stattfand.

"Jenson war plötzlich vor mir und ich hätte beinahe meinen Frontflügel verloren."

Wenig später attackierte Button seinen führenden Teamkollegen, der mit diesem Manöver gar nicht rechnete. Der Grund: Sein Renningenieur hatte ihm eben mitgeteilt, dass Button keinen Angriff mehr plane. "Bei der Siegerehrung war ich nicht sehr glücklich, denn ich war immer noch perplex über das, was gerade abgelaufen war. Jenson war plötzlich vor mir und ich musste zurückschlagen und hätte beinahe meinen Frontflügel verloren. Die Kommunikation ging schief, was leicht passieren kann. Doch wir haben das nach dem Rennen geklärt."

Dass die Atmosphäre danach nicht vergiftet war, liegt wohl auch daran, dass Hamilton schließlich das Rennen gewann - und nicht Button. Mit der nötigen Distanz sieht der 25-Jährige die Sache entspannter: "Es war ein großartiges Wochenende, trotz der Verwirrung in den letzten Runden des Rennens. Rückblickend war es ein großartiger Kampf mit Jenson. Er überholte mich und ich überholte ihn. Wir holten einen Doppelsieg und es war ein tolles Wochenende für das Team. Meine Freundin war auch da, das war das Tüpfelchen auf dem I. Sie hatte gerade 'Dancing with the Stars' (das US-amerikanische Pendant zur deutschen Tanzshow Let's Dance, Anm.) gewonnen, also musste ich alles geben, um da mitzuhalten."

Suchte McLaren eine Nummer zwei für Hamilton?

In der ersten gemeinsamen Saison war Hamilton meist schneller als Button. Teamintern ein durchaus glücklicher Umstand, da der jüngere McLaren-Pilot als extrem ehrgeizig gilt, während der der 30-jährige Button durch seine Ausgeglichenheit und Umgänglichkeit besticht. "Wir haben eine großartige Beziehung", meint Hamilton. "Jenson hat das ganze Jahr über unglaubliche Arbeit geleistet und hoffentlich haben wir noch einige gute Jahre vor uns."

"Ich wollte immer einen Teamkollegen, der den gleichen Status hat."

Dass er vom Team besser behandelt werden will, verneint Hamilton: "Ich wollte immer einen Teamkollegen, der den gleichen Status hat. Ich wusste, dass Jenson unglaublich schnell ist und ich wusste auch, dass ich mein bestes geben muss, um ihn schlagen zu können. Allgemein war ich diesbezüglich aber sehr entspannt."

Er gibt auch zu, dass McLaren einen Teamkollegen für ihn suchte, der im Gegensatz zu Vorgänger Kovalainen "ständig direkt hinter mir ins Ziel kommt. Das ist immer das Ziel." 2010 gelangen McLaren drei Doppelsiege - zwei Mal hatte der Jüngere die Nase vorne. "Wir hätten gerne mehr Doppelsiege gehabt", sagt Hamilton. "Manchmal ist Jenson in Topform und ich bin nicht so stark und dann ist es wieder umgekehrt. Wir arbeiten also immer noch daran, gleichzeitig in Bestform zu sein."