Adventskalender 2010: Nico Hülkenberg

Experte Marc Surer erklärt, was Nico Hülkenberg 2010 gut und was er weniger gut gemacht hat - Willi Weber übt scharfe Kritik am Williams-Team

(Motorsport-Total.com) - Die Saison 2010 geht als eine der spannendsten in die Formel-1-Geschichte ein. Vier Fahrer kämpften beim letzten Rennen in Abu Dhabi noch um den Gewinn der Weltmeisterschaft; den Sieg sicherte sich letztendlich einer, der die Fahrerwertung zuvor noch nie angeführt hatte. Auf dem Weg nach Abu Dhabi kam es zu zahlreichen Sternstunden und Dramen. Grund genug für 'Motorsport-Total.com', das Jahr noch einmal Revue passieren zu lassen. Thema heute: Nico Hülkenberg.

Titel-Bild zur News: Nico Hülkenberg und Willi Weber

Hülkenberg-Manager Willi Weber fühlt sich von Williams ungerecht behandelt

Dass der junge Deutsche von Williams erst konsequent aufgebaut und dann nach nur einem Jahr fallen gelassen wurde, kam für viele überraschend - am meisten für seinen Manager Willi Weber. Der ärgerte sich nach der Entlassung in Abu Dhabi darüber, "in 20 Jahren noch nie so behandelt worden" zu sein. Aber er lastet dies nicht Frank Williams an, sondern dessen Vorstandsvorsitzenden: "Frank werfe ich gar nichts vor, sondern unser Gesprächspartner war Adam Parr", so Weber gegenüber 'Motorsport-Total.com'.

Weber stinksauer auf Parr

"Ihm ging es ganz bewusst um eine Hinhaltetaktik", vermutet er. "Ich habe nichts dagegen, wenn man offen miteinander umgeht und mir sagt: 'Wir haben kein Geld, uns sind Sponsoren abgesprungen, also müssen wir auf einen Paydriver zurückgreifen.' Damit habe ich überhaupt kein Problem. Ich kann ja auch zu Mitarbeitern sagen: 'Sie sind ein toller und guter Mann, aber ich kann sie nicht mehr bezahlen.' Aber da geht man offen miteinander um, damit man weiß, woran man ist. Stattdessen wurde uns immer gesagt: 'Du bleibst im Team, aber wir brauchen noch ein bisschen Zeit.'"

Informiert wurde Weber erst "am Sonntagabend in Abu Dhabi von Adam Parr. Ich war drei Tage dort, aber da ist er an mir vorbeigerannt und hat kein Wort gesagt, obwohl ich natürlich darauf gewartet habe, dass mich jetzt irgendjemand mal anspricht. Natürlich hatte ich ja auch gehört, dass Maldonado schon längst unterschrieben hat. Das sind Dinge, die sind nicht in Ordnung und die bin ich nicht gewöhnt", zeigt sich der ehemalige "Mister 20 Prozent" von Michael Schumacher gekränkt.

Nico Hülkenberg vor Pastor Maldonado

In der GP2 hatte Nico Hülkenberg Pastor Maldonado bei ART meistens im Griff Zoom

Für Erstaunen in der Branche sorgte die Williams-Entscheidung gegen Hülkenberg insbesondere nach dessen sensationeller Pole-Position in São Paulo, der ersten für das einstige Erfolgsteam seit Nick Heidfeld 2005 auf dem Nürburgring. Doch Pastor Maldonado, der das GP2-Qualifying-Duell gegen Hülkenberg 2009 noch mit 0:10 verloren hatte, überzeugte bei den Young-Driver-Tests und bringt obendrein auch noch einige Sponsorenmillionen mit.

Eine Pole-Position reicht nicht

Weber: "Nicht nur ich kann es nicht nachvollziehen, sondern es gibt viele Formel-1-Kenner, die nicht verstehen, was da passiert ist." Zu denen gehört auch 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer, der unmittelbar nach Brasilien noch glaubte, dass es für Williams nun "schwierig" werden würde, Hülkenberg vor die Tür zu setzen: "Einen Fahrer, der ihnen nach 100 Rennen wieder eine Pole-Position bringt - das ist eine Geschichte, die kannst du nicht einfach wegwischen."

¿pbvin|512|577||0|1pb¿"Ein Fahrer muss irgendwann mit irgendwas auffallen, ein Highlight setzen", lässt Surer die hohe Reifentemperatur, die Hülkenberg an jenem Qualifying-Samstag als einziger Pilot ins ideale Fenster brachte, nicht als relativierendes Argument gelten. "Wenn du in einem Team fährst, das nicht ganz vorne liegt, musst du halt einmal bei besonderen Bedingungen eine Bestzeit fahren und zeigen: 'Hallo, da bin ich!' Das erwarte ich von jedem, der überdurchschnittlich talentiert ist. So etwas hat Hülkenberg damit gezeigt."

"Klar, es ist alles erklärbar, aber man würde eigentlich erwarten, dass erfahrene Piloten eher dazu in der Lage sind, die Reifen zum Funktionieren zu bringen, weil sie wissen, wie man das macht. Wenn das ein Neuling auf die Reihe kriegt, ist es umso bemerkenswerter - vor allem gegen Barrichello auf dessen Heimstrecke in Interlagos. So gesehen ist das sehr wertvoll", lobte der Schweizer damals die Performance des 23-Jährigen.

Wende zu spät geschafft?

Inzwischen sieht er das Thema etwas differenzierter: "Hülkenberg hat sich während der Saison gesteigert, was auch dringend nötig war, denn er hat sich gegen Barrichello lange schwer getan. Eigentlich hatte ich schon erwartet, dass er Barrichello vom Speed her von Anfang an schlagen wird. Das hat er aber nicht geschafft", argumentiert Surer. "Als er es dann geschafft hat, war es vielleicht schon ein bisschen zu spät. Williams hatte sich da wahrscheinlich schon Gedanken gemacht, wie es denn in Zukunft aussehen könnte."

Bitter: Williams hat viel Zeit und Mühe in Hülkenbergs "Ausbildung" investiert, führte ihn als Testfahrer an die Formel 1 heran und ließ ihn in der Fabrik in Grove jede wichtige Abteilung als "Praktikant" durchlaufen, damit er auch alle technischen Vorgänge verstehen lernt. Ausgerechnet in dem Moment, wo sich das Projekt langsam zu lohnen schien, erteilte man ihm dann den "blauen Brief", während der langsam in die Jahre kommende Routinier Rubens Barrichello behalten wurde. Da liegt die Frage nahe, ob es nicht klüger wäre, mit Hülkenberg auf eine Zukunftsaktie zu setzen.

Nico Hülkenberg vor Mark Webber

In Monza narrte Nico Hülkenberg mit starker Leistung sogar Mark Webber Zoom

"Das haben die sich sicherlich auch überlegt, aber Tatsache ist, das Team braucht Geld", erklärt Surer. "Ich ärgere mich jedoch immer wieder, wenn ich lese, dass Maldonado nur wegen Geld genommen wird. Das ist genauso ein GP2-Champion wie Hülkenberg oder Rosberg. Bei Williams hat es anscheinend Tradition, dass die den GP2-Champion nehmen - Maldonado ist schon der dritte. Man muss fairerweise sagen: Vom Erfolg her ist er auf dem Level der anderen beiden."

Surer verteidigt Maldonado

"Man braucht nicht drumherumzureden, dass Hülkenberg wahrscheinlich der Schnellere ist, aber trotzdem finde ich es unfair gegenüber Maldonado, dass man immer nur hört, er hat den Job wegen Geld bekommen. Dass er GP2-Champion ist und vor ihm bis auf Pantano alle GP2-Champions in der Formel 1 sind, wird dabei übersehen. Warum also nicht auch Maldonado?", verteidigt der Experte den Venezolaner, der das teaminterne GP2-Stallduell gegen Hülkenberg 2009 allerdings sang- und klanglos verloren hat, obwohl er damals schon viel mehr Erfahrung hatte.

Doch auch Hülkenberg selbst weiß, dass er in seiner Debütsaison nicht ganz so eingeschlagen hat, wie ihm das viele zugetraut hatten. Zwar lieferte er von Anfang an tadellose Trainingszeiten ab, aber als es dann im Qualifying ans Eingemachte ging, konnte Barrichello meist deutlich mehr zulegen als er. "Ich war ziemlich überrascht, dass er eine solche Runde fahren konnte", sagte Hülkenberg etwa nach seiner 0,9-Sekunden-Abfuhr im Qualifying in China. "Da konnte ich nicht mithalten. Ich muss mich selbst verbessern."

Nico Hülkenberg

In Monaco produzierte Nico Hülkenberg einen Haufen Williams-Schrott Zoom

Nach zwei eher ernüchternden Auftritten in Bahrain und Australien setzte der Williams-Pilot in Malaysia mit Startplatz fünf ein erstes Highlight. Im Rennen, das unter berechenbareren Bedingungen stattfand, fiel er jedoch auf Rang zehn zurück - was immerhin den ersten WM-Punkt bedeutete. Danach folgten bis zum Grand Prix von Europa sechs Nullnummern en suite. Aber kommt Zeit, kommt Rat - und nach und nach verstand "The Hulk", wie er von seinen Mechanikern genannt wurde, den FW32 und die Formel 1 insgesamt immer besser.

Starker Spätsommer lässt Potenzial vermuten

Als Sechster in Ungarn lieferte er eine erste Topleistung ab, in Italien fuhr er dann als Siebter seinen vielleicht besten Grand Prix, indem er selbst Red-Bull-Star Mark Webber erfolgreich hinter sich halten konnte - wenn auch mit der einen oder anderen abgekürzten Schikane. In Singapur verbesserte er sich vom 17. Startplatz auf Position zehn, bei der kleinen "Asientournee" durch Japan und Südkorea drohte der Glanz von Italien aber schon wieder zu verfliegen. Dann kam die Pole-Position in Brasilien genau im richtigen Moment.

Wie wir heute wissen, half das jedoch auch nichts mehr. Im Hülkenberg-Camp hat man die Entscheidung von Williams aber inzwischen akzeptiert: "Wir müssen uns der Entscheidung stellen", weiß Manager Weber. "Was dahinter steckt? Keine Ahnung. Wir müssen schauen, wo wir unterkommen." Als letzte realistische Möglichkeit gilt Force India, laut Aussage von Manfred Zimmermann steht dort aber dessen Schützling Adrian Sutil kurz vor der Vertragsunterschrift. Die Variante Toro Rosso gilt bestenfalls als vage.

Nico Hülkenberg

Die sensationelle Pole-Position in Brasilien kam wahrscheinlich zu spät Zoom

Selbst wenn Hülkenberg widerwillig den Schritt zurück zum Testfahrer machen muss, würde das wohl kaum das Ende seiner Formel-1-Karriere bedeuten. Der Deutsche hat vor der Königsklasse nämlich in allen Kategorien überzeugt: 2005 Meister in der Formel BMW, 2006/07 A1GP-Champion für Webers Team Deutschland, 2008 Gesamtsieger der Formel-3-Euroserie und schließlich 2009 unangefochtener Triumphator in der GP2...

Saisonstatistik:

Fahrerwertung: 14. (22 Punkte)
Gefahrene Rennen: 19/19
Siege: 0
Podestplätze: 0
Pole-Positions: 1
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 11,2 (11.)
Bester Startplatz: 1.
Bestes Rennergebnis: 6.
Ausfallsrate: 21,1 Prozent (15.)

Qualifyingduelle:

Hülkenberg vs. Barrichello: 6:13


Fotos: Highlights 2010: N. Hülkenberg


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