• 14.09.2001 17:14

  • von Fabian Hust

Kimi Räikkönen für Mika Häkkinen - eine Analyse

Der Verpflichtung von Räikkönen für Häkkinen ist hochinteressant, denn hinter den Kulissen könnte sich einiges tun

(Motorsport-Total.com) - Häkkinens Batterien sind leer
Im Verlauf des Großen Preises von Monaco in Monte Carlo Ende Mai teilte Mika Häkkinen Teamchef Ron Dennis mit, dass er mehr Zeit mit seiner Familie und dem am 11. Dezember 2000 geborenen Sohn Hugo verbringen möchte. Doch es waren auch die Batterien, die Häkkinen während seiner Titeljahre 1998 und 1999 aufgebraucht zu haben scheint. Seine Reaktionen auf Ausfälle in jenen Jahren zeugten von einem ungemeinen Druck, der auf den Schultern des "Spätzünders" lastete, der erst Ende 1997 seinen ersten Sieg feierte. Die Pleiten-, Pech- und Pannensaison 2001 hat dem bald 33-Jährigen wohl endgültig die letzte Energie geraubt.

Titel-Bild zur News: Mika Häkkinen unterhält sich mit Kimi Räikkönen

Kimi Räikkönen wurde von Mika Häkkinen persönlich empfohlen

Häkkinen wäre zur Not 2002 gefahren
Das Problem war jedoch, dass McLaren-Mercedes eine Option auf den Finnen hatte, er also mit anderen Worten in der Pflicht stand, für die Silbernen 2002 zu fahren, wenn Teamchef Ron Dennis dies wollte. Daraufhin wurde hinter den Kulissen eifrig gesprochen und verhandelt. Häkkinen traf sich des Öfteren mit Räikkönen zu intensiven Gesprächen und empfahl seinen Landsmann Teamchef Ron Dennis. Hätte man keinen passenden Ersatz gefunden, so wäre Mika Häkkinen 2002 weitergefahren.

Eigentlich hätte alles ganz schnell gehen können, denn Kimi Räikkönen musste man nicht zwei Mal fragen, ob er zum Weltmeisterteam von 1998 wechseln möchte. Doch Teamchef Peter Sauber hatte den heute 21-Jährigen dieses Jahr in die Formel 1 geholt und war dafür sehr viel Risiko eingegangen. Räikkönen war gerade einmal 23 Autorennen gefahren und kam direkt aus der Formel-Renault-Einsteigerserie in die Königsklasse des Motorsports, ohne je einmal in einem Formel-3- geschweige denn einem Formel-3000-Boliden gesessen zu sein. Sauber konnte aus diesem Grund hoch pokern und einen mehrjährigen Vertrag aushandeln - mit erfahreneren Piloten, bei denen das Anstellungsrisiko nicht so hoch wäre, hätte dies der Teamchef eines Mittelfeldteams mit Sicherheit nicht machen können.

Ron Dennis stand Räikkönen kritisch gegenüber
Und so musste man bei McLaren-Mercedes Kimi Räikkönen aus dem Vertrag lösen und Peter Sauber eine Abfindung zukommen lassen - die entsprechenden Verhandlungen zogen sich verständlicherweise hin. Peter Sauber hatte keine andere Wahl, als Räikkönen ziehen zu lassen. Einen Fahrer gegen seinen Willen zu halten, wäre Unfug gewesen. Paradox: Ron Dennis war einer jener Teamchefs, die der Anstellung von Räikkönen sehr kritisch gegenüber standen und ihn wegen der mangelnden Erfahrung als Sicherheitsrisiko bezeichneten - jetzt hat der Brite Räikkönen verpflichtet.

Mercedes als Drahtzieher
Die Verhandlungen mit Räikkönen führte jedoch besonders intensiv Mercedes und hier allen Voran Vorstandsmitglied Prof. Jürgen Hubbert und nicht McLaren-Teamchef Ron Dennis, was hochinteressant ist, hat Mercedes doch normalerweise zwar sehr wohl ein Mitspracherecht, Verhandlungen führt aber in erster Linie Ron Dennis. Teamchef Peter Sauber ließ durchblicken, dass er natürlich eine Abfindung erhalten hat, aber natürlich verriet der Schweizer nicht ein geringstes Detail, darüber, wie diese Abfindung aussieht, ließ aber durchsickern, dass besonders Mercedes einen Beitrag dazu geleistet hat.

Spekulationen um Abfindung
Vielleicht hat man wirklich dem Sauber-Team Motoren in Aussicht gestellt, vielleicht für die Saison 2003 vielleicht aber auch für später. Vielleicht sieht das Abkommen vor, dass das Schweizer Team dann mit Mercedes-Motoren ausgestattet werden wird, wenn der Motorsportweltverband FIA eines Tages vorschreibt, dass jeder Motorhersteller zwei Teams ausstatten muss, sofern dies notwendig ist. Vielleicht flossen aber auch "nur" die 22 Millionen Mark, wie spekuliert wird oder man versicherte Peter Sauber, dass man Nick Heidfeld nicht zu McLaren-Mercedes holen wird, bis nicht sein Sauber-Vertrag Ende 2003 ausgelaufen ist. Wissen tut das im Moment keiner.

Räikkönen und das Risiko
Kimi Räikkönen hat bewiesen, dass er ein ausgezeichneter Formel-1-Pilot ist, er macht für seine Erfahrung sehr wenig Fahrfehler und fährt starke Rennen und ist Nick Heidfeld im Qualifying dicht auf den Fersen. Dennoch, das Beispiel Jenson Button hat wieder einmal gezeigt, dass es viel zu früh ist, einen Piloten schon nach einem Jahr Formel 1 endgültig zu beurteilen, egal, ob er in einem guten, sehr guten oder schlechten Auto sitzt. Von daher geht McLaren-Mercedes auch ein gewisses Risiko ein, wenn man einen Pilot nach nur 17 Formel-1-Rennen verpflichtet. Ferrari hat deutlich ausgedrückt, dass man einen so unerfahrenen Piloten nicht in das eigene Auto setzen würde.

Schlag ins Gesicht für Wurz
Der Wechsel von Kimi Räikkönen von Sauber zu McLaren-Mercedes hat zwei Fahrer besonders enttäuscht. Zum einen ist da Alexander Wurz, der diese Saison für die Silbernen testete und offen zugegeben hat, dass er natürlich hofft, dass für 2002 bei McLaren ein Cockpit frei wird, so dass er Rennen bestreiten kann. Doch scheinbar war die Testarbeit des Österreichers nicht gut genug, um das Team von der Tatsache abzulenken, dass bei Sauber ein ungeschliffener Rohdiamant sitzt, der noch von keinem Top-Team unter Vertrag genommen wurde.

Heidfeld steht im Regen
Verlierer Nummer 2 ist auf jeden Fall Nick Heidfeld, der im Prinzip die logischere Variante gewesen wäre. Der Mönchengladbacher verfügt über ein Jahr mehr Formel-1-Erfahrung, steht immer noch bei Mercedes unter Vertrag, holte mit dem Team zusammen den Formel-3000-Titel und war lange Zeit Testfahrer des Teams. Mit Sicherheit ist man bei McLaren-Mercedes Ferrari bei der Sicherung von Kimi Räikkönen zuvorgekommen, aber interessanter Weise wird auch Heidfeld als Schumacher-Nachfolger in Verbindung gebracht. Dann würde wieder einmal ein ehemaliger Mercedes-Schützling gegen das eigene Team fahren?

Ein Deutscher Fahrer wäre im Prinzip für Mercedes im kommenden Jahren eine wünschenswerte Variante gewesen. Es ist zu befürchten, dass mit der anhaltenden Konkurrenzfähigkeit von Ferrari und dem aufstrebenden Erzfeind BMW-Williams die Aufmerksamkeit der Medien, und allen voran der deutschen Medien, sich auf die beiden Schumacher-Brüder und BMW richtet - Mercedes hätte mit Heidfeld da einen Trumpf in der Hand gehabt. Auch aus diesem Blickwinkel gesehen dürfte der Kloß im Hals von Heidfeld noch dicker geworden sein.

Coulthard und Häkkinen-Comeback als Unbekannte
Unbekannt ist, bis wann David Coulthard seinen Vertrag bei McLaren-Mercedes verlängert hat. Man rechnet allgemein bis 2003, also um weitere zwei Jahre. Das ist insofern entscheidend, als dass Mika Häkkinen schon 2003 den Wunsch äußern könnte, wieder fahren zu wollen, dann müsste Kimi Räikkönen das Team schon wieder verlassen oder als Testfahrer ein Jahr Auszeit nehmen. Fakt ist: Kimi Räikkönen steht unter Druck, er wird 2002 Leistung zeigen müssen, um vom Team nicht schnell wieder abserviert zu werden.

Häkkinen geht ein großes Risiko ein
Sollte Kimi Räikkönen Leistung zeigen, wäre es ein Unding, ihn gegen Mika Häkkinen auszutauschen, der als vielleicht 33- oder 34-Jähriger wieder sein Comeback geben möchte. Wenn David Coulthard für Mika Häkkinen gehen müsste, wäre das auch sehr unwahrscheinlich, denn zwei finnische Fahrer wären für die Sponsoren eine schwierige Situation. Ebenso ist es kaum anzunehmen, dass Mika Häkkinen bei einem Comeback zu einem anderen Team gehen würde. Dies zeigt, wie groß das Risiko für Häkkinen ist, eine Pause einzulegen, wie er das auch selbst zugegeben hat.

Für Nick Heidfeld, so versicherte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug am Freitag, ist der Zug noch nicht abgefahren, auch wenn man sicherlich die mögliche Aussichten des Deutschen auf ein Cockpit bei den Silbernen nicht hätte offener formulieren können: "Auf Nick Heidfeld können wir, wenn er will und wir wollen, wenn sein Vertrag abgelaufen ist und er sich weiter so gut entwickelt, in zwei Jahren zurückgreifen. Auf Kimi Räikkönen dann vielleicht nicht." Die Aussage Haugs deutet darauf hin, dass man Heidfeld bis 2003 bei Sauber lassen wird und der Sitz von Räikkönen, der für fünf Jahre unterschrieben haben soll, auf keinen Fall sicher ist.

Räikkönen sagt vorerst 'Nein' zu Ferrari
Kimi Räikkönen galt lange Zeit als möglicher Nachfolger von Michael Schumacher bei Ferrari und die beiden wurden schon bei längeren Gesprächen unter vier Augen beobachtet. Ferrari wollte Räikkönen spätestens 2004 ins Team holen, um ihm ein Lehrjahr neben Michael Schumacher zu geben, doch Räikkönen gab in seinem engsten Bekanntenkreis zu, dass er nicht an der Seite des vierfachen Champions fahren möchte. Mit seiner Entscheidung, zu McLaren-Mercedes zu gehen, hat er sich vorerst von seinem selbst ausgesprochenen Traum, eines Tages für das Mythos-Team Ferrari zu fahren, abgewandt.

Fahrerkarussell wieder in Schwung
Der "halbe Rücktritt" von Mika Häkkinen hat dazu geführt, dass das Fahrerkarussell noch einmal kräftig in Fahrt gekommen ist. Der freie Platz bei Sauber wird mit verschiedenen Fahrern in Verbindung gebracht. Heinz-Harald Frentzen, Jenson Button oder Enrique Bernoldi könnten zu dem Schweizer Team wechseln und damit wiederum ein freies Cockpit hinterlassen. Hier wird sich wohl erst sehr spät zeigen, wer das Cockpit besetzt, denn Peter Sauber steht nicht unter Zeitdruck, hat er doch den für die Saison 2002 konkurrenzfähigsten noch verfügbaren Platz zu bieten.