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Lando Norris: Braucht er jetzt Nico Rosberg als Coach und Mentor?
Was Formel-1-Fahrer wie Lando Norris von Tennisprofis wie Novak Djokovic lernen können und welche Rolle Nico Rosberg dabei spielen möchte
(Motorsport-Total.com) - Lando Norris steht nach seiner Kollision mit Oscar Piastri beim Grand Prix von Kanada in der Kritik. Nicht zum ersten Mal in der Formel-1-Saison 2025. Zwar liegt er in der Fahrer-WM an zweiter Stelle, nur 22 Punkte hinter seinem McLaren-Teamkollegen. Aber bei vielen Beobachtern erhärtet sich der Eindruck: Wenn's wirklich drauf ankommt, ist Piastri der coolere Vollstrecker.

© Sutton Images
Nico Rosberg kann sich vorstellen, in Zukunft mit Lando Norris zusammenzuarbeiten Zoom
Es ist gerade mal ein paar Monate her, da erklärte Norris in einem vielbeachteten Interview mit dem Guardian, dass er 2024 erstmals psychologische Hilfe in Anspruch genommen hat, um depressive Schwingungen in seinem Kopf in den Griff zu bekommen. Und er stellte klar, dass er "nicht unbedingt diese Fuck-you-Mentalität annehmen" werde, "von der alle sagen, dass man sie haben muss".
Norris weiß genau, dass seine Ausstrahlung "nicht wie der klassische Killerinstinkt" wirkt. Um es an einem Beispiel festzumachen: Während Max Verstappen keine Lust drauf hat, über seinen Rammstoß in Barcelona zu reden, und es bis Montag dauerte, ehe er zu einer entschuldigenden Erklärung auf Social Media gedrängt werden konnte, war am Sonntag in Kanada gleich Norris' allererster Funkspruch das Eingeständnis, dass es "komplett mein Fehler" war und obendrein auch noch "dumm". Menschlich vorbildlich. Aber auch kompromisslos genug?
Die Frage, die sich jetzt viele stellen, ist: Muss man ein bisschen mehr Verstappen sein, um Formel-1-Weltmeister werden zu können? Oder kann man auch erfolgreich sein, obwohl man offen zu seinen Schwächen steht? Norris glaubt nicht, dass man einen Verstappen-esken Killerinstinkt "unbedingt braucht, um Weltmeister zu werden. Ich will beweisen, dass man auch ohne diesen Instinkt Weltmeister werden kann."
An welchen Mechanismen im Kopf Norris jetzt drehen muss
Doch die bisherige Bilanz der Formel-1-Saison 2025 spricht gegen ihn. Und Montreal war ein gutes Beispiel für ein Defizit im mentalen Bereich. Passiert ist der Crash, weil Norris seinen Geschwindigkeitsüberschuss unbedingt nutzen wollte und dann auf der instinktiven Ebene nicht die nötige Gelassenheit hatte. Ein paar Sekunden nach der Kollision hatte er die geistige Kapazität dafür, seine Fehleinschätzung zu erkennen. Aber in der Sekunde, als es drauf ankam, ließ er sich vom Rausch der Emotion leiten statt von einem klar strukturierten Urteilsvermögen.
Wenn Spitzensportler davon sprechen, dass sie Mentaltrainer verwenden, um ihre Performance zu verbessern, geht es meistens nicht darum, jemanden zu finden, der ihnen einredet, wie toll sie sind, um ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Sondern darum, ganz konkrete Mechanismen zu finden, um instinktiv die richtigen Entscheidungsprozesse fest im eigenen Kopf zu verankern, um dann maximal performen zu können, wenn es drauf ankommt, und die Fehlerquote zu minimieren.
Rosberg: Schillerndes Beispiel aus dem Jahr 2016
Einer, der in der jüngeren Vergangenheit der Formel 1 eine enorme Steigerung seines eigenen Potenzials erreicht hat, ist Nico Rosberg. 2014 und 2015 unterlag er Lewis Hamilton im Mercedes-internen WM-Duell. Für die Saison 2016 legte er sich aber auch auf der mentalen Ebene neue Waffen zu, zum Teil mit Unterstützung von außen - und tatsächlich gelang es ihm am Ende, Hamilton zu besiegen und Weltmeister zu werden.
Während Piastri mit Mark Webber einen Mentor hat, der ihn durch die Karriere führen und dabei auf Erfahrungen aus der eigenen Karriere zurückgreifen kann, hat Norris zwar ein gut aufgestelltes Management-Team - aber keinen ehemaligen Rennfahrer, der genau weiß, wovon er spricht, wenn es darum geht, die mentale Komponente des Formel-1-Fahrens zu verbessern.
Rosberg glaubt, dass er Norris mit seinen eigenen Erfahrungen von vor zehn Jahren helfen könnte. Auf die Frage, wer der Mark Webber für Norris sein könnte, antwortet er bei Sky geradeheraus: "Ich!" Auf Nachfrage, ob er dem McLaren-Fahrer das bereits konkret angeboten habe, entgegnet Rosberg halb bestätigend: "Ich bin genau das durchgegangen."
Er könne Norris "mit Sicherheit ein paar Ratschläge geben", ist Rosberg überzeugt. Der Weltmeister von 2016 sagt: "Er braucht Mentoren. Er braucht Menschen mit Erfahrung, die ihm da helfen können, weil er kann sich noch steigern. Das weiß er auch, und das sieht man ja auch, und das ist hier im Kopf drin. Man kann sich steigern, das ist möglich."
Rosberg: Norris "hat nicht zurückgeschrieben"
Ob nun als Manager, Mentor oder Berater: Rosberg hat Norris tatsächlich kontaktiert, um ihm Hilfe anzubieten. Aber: "Er hat nicht zurückgeschrieben." Nach dem Tiefpunkt in Kanada ist gut möglich, dass Norris die Sache für sich selbst neu bewerten wird. Weshalb Rosberg augenzwinkernd sagt: "Ich schreibe ihm heute Abend nochmal ..."
Rosberg selbst war Ende 2015 klar, dass er Hamilton niemals schlagen würde, sollte es ihm nicht gelingen, ein paar Hebel umzulegen. Er holte sich Berater wie Gerhard Berger, um vertragliche Angelegenheiten zu regeln und sich selbst total aufs Rennfahren konzentrieren zu können, und legte sich gegen seine inneren Instinkte eine gewisse Arschloch-Mentalität zu, um Hamilton zu signalisieren, dass da jetzt jemand ist, mit dem man nicht alles machen kann.
Er trainierte im mentalen Bereich, um nach außen selbstbewusster aufzutreten und sich intern nicht mehr so unterbuttern zu lassen. Und er ordnete auch im privaten Bereich alles dem großen Ziel WM-Titel unter. So weit, dass er sogar seine Ehefrau Vivian bat, an Rennwochenenden nicht mehr im gleichen Hotelzimmer zu schlafen, um die Ruhe- und Erholungsphasen besser fokussieren zu können.
Ein Positivbeispiel im aktuellen Feld, sagt Rosberg bei Sky, sei George Russell: "Er ist sehr akribisch. Er achtet auf jedes Detail. Er arbeitet sehr hart. Er bereitet sich im Rahmen seiner Möglichkeiten bestmöglich vor. Er nimmt seine Eisbäder, achtet auf seine Ernährung. Er macht alles mit Perfektion, und davor habe ich wirklich großen Respekt."
Dass sich Spitzensportler von erfahrenen Ex-Stars coachen lassen, wie Rosberg es für Norris anbietet oder Mark Webber mit Piastri macht, ist zum Beispiel im Tennis gang und gäbe. Novak Djokovic etwa feierte große Erfolge mit Boris Becker an seiner Seite, und Andy Murray mit Ivan Lendl. Vielleicht ein Modell, das in Zukunft auch im Motorsport salonfähiger wird.


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