• 08.11.2011 12:59

Ex-Weltmeister Raudies: "Stefan gönne ich es von Herzen"

Stefan Bradl hat nach 18 Jahren einen WM-Titel für Deutschland erobert - Sein Vorgänger Dirk Raudies spricht im Interview über den Erfolg des Überfliegers

(Motorsport-Total.com/SID) - Dirk Raudies trug seit 1993 den Titel als letzter deutscher Motorrad-Weltmeister. Jetzt hat Stefan Bradl den früheren 125er-Piloten abgelöst. Im Interview äußert sich der 47-Jährige zum Erfolg des Zahlingers und den Auswirkungen.

Titel-Bild zur News: Stefan Bradl

Stefan Bradl durfte nach seinem Titelgewinn ordentlich feiern

Frage: "Stefan Bradl hat nach 18 Jahren wieder einen Titel nach Deutschland geholt. Ist das für Sie die reine Freude oder kommt auch Wehmut auf, weil Sie als letzter Weltmeister abgelöst wurden?"
Dirk Raudies: "Beides. Es ist schön, dass es endlich mal jemand geschafft hat. Eigentlich ist es tragisch, dass es so lange gedauert hat. Dem Stefan persönlich gönne ich es von Herzen. Seine Karriere finde ich genial - mit allen Höhen und Tiefen. Er hat wirklich schon alles erlebt und das hat ihn wahrscheinlich auch stärker gemacht. Natürlich ist es ein Wermutstropfen. Meinen Status bin ich jetzt los - damit muss ich leben und kann ich leben. Ich konnte mir eh nix dafür kaufen."

Frage: "Wie haben Sie den Erfolg erlebt?"
Raudies: "Das Rennen habe ich bis zu seinem Sturz im Internet verfolgt, im Fernsehen kam es ja gar nicht. Gestern hat noch jemand mit mir telefoniert und gesagt: Der Stefan wird Weltmeister und keiner kriegt's mit. Zu meiner Zeit kam recht viel überall. Beim Stefan geht's zumindest im Vergleich zu mir vor 18 Jahren ein bisschen unter."

Frage: "Worin liegt das Erfolgsgeheimnis von Stefan Bradl?"
Raudies: "In den Genen (lacht). Das ist natürlich eine Kombination vieler Dinge. Es ist ein Teamsport. Man kämpft alleine und keiner kann einem mehr helfen, wenn man auf der Strecke ist. Aber vorher ist das Team mitbeteiligt."

Frage: "Toni Mang (fünfmaliger Weltmeister; Anm. d. Red.) hat ihn darauf vorbereitet, dass sich viel verändern wird. Worauf muss er sich nach dem Titelgewinn einstellen und was muss er tun, um weiter erfolgreich zu sein?"
Raudies: "Das sehe ich anders, da wird sich nicht so arg viel verändern. Der Medien-Hype war schon die ganze Saison ähnlich hoch und der wird so bleiben. Wenn man den Titel geholt hat, erwartet man eine Wiederholung. Das heißt, der sportliche Druck wird größer sein als zu Beginn dieser Saison. Aber nicht größer als zur Mitte oder zum Ende der Saison. Die große Veränderung sehe ich eigentlich nicht. Da muss ich dem Toni widersprechen (lacht)."

Frage "Was hat sich damals für Sie verändert?"
Raudies: "Bei mir gab es mehr Aufwand, weil ich mein eigenes Team hatte. Ich musste mich selber um die Sponsoren und das Budget kümmern. Ich bekam nach dem Titel einen Vertrag bei HB, es wurde einfacher. Es war also eine positive Veränderung."

Frage: "Der Aufstieg in die MotoGP hat sich für Stefan Bradl vorerst zerschlagen. Hätten Sie ihm zugetraut, dort mitzumischen oder ist es vielleicht besser, noch ein Jahr Moto2 zu fahren?"
Raudies: "Vom Feeling für das Motorrad traue ich ihm das absolut zu. Er ist ja auch nach dem Umstieg in die Moto2 mit dem Motorrad super zurecht gekommen. Es macht Spaß, ihm beim Fahren zuzuschauen. Sein Fahrstil gefällt mir. Er hat ein tolles Gefühl für das Motorrad. Die Umstellung von der 125er-Klasse zur Moto2 war größer. Wenn er irgendwann mal den nächsten Schritt macht, wird die Umstellung einfacher sein."

Frage: "Wie intensiv verfolgen Sie die Motorrad-WM noch? Sitzen Sie regelmäßig vor dem Fernseher?"
Raudies: "Die MotoGP interessiert mich mittlerweile weniger. Die Rennen sind nicht so prickelnd. 125er und Moto2 habe ich schon intensiver verfolgt. Natürlich wegen Stefan und der anderen deutschen Fahrer. Früher, als ich für Eurosport gearbeitet habe, habe ich jedes Training gesehen. Das ist natürlich nicht mehr der Fall."

Frage: "Am Sonntag fand das letzte 125er-Rennen der Geschichte statt. Sind Sie ein bisschen traurig, dass es jetzt vorbei ist?"
Raudies: "Eigentlich schon. Ich bin Zweitakt-Fan. Und diese Zweitakter machen extrem viel Spaß. Der Spaßfaktor ist größer als bei den Viertaktern. Die fahren sich allerdings einfacher. Für die Zuschauer ist es durch die Moto2 spannender geworden. Die kleinen Teams haben die Chance, vorne mitzumischen. Das ist eine gute Entwicklung, die Show auf der Strecke passt. Natürlich ist durch den Abschied der 125er etwas Wehmut da. Man muss sich überraschen lassen, was kommt."

Frage: "Glauben Sie, dass der Titel dem Motorradsport zumindest einen kleinen Schub gibt?"
Raudies: "Ich hoffe es. Die Aktiven schauen natürlich nach oben. Es ist die Krönung, wenn jemand wie Stefan den Titel holt. Aber auch die 125er-Piloten haben Highlights gesetzt. Das spornt natürlich an, die Zielsetzung ist da. Ich hoffe, dass es sich groß auswirkt, denn ich bin nach wie vor Motorrad-Fan. Die Fahrer beginnen so jung, heutzutage geht es nur über die Eltern. Das war bei mir ganz anders. Stefan ist mit 21 Weltmeister, ich habe mit 22 überhaupt mein erstes Rennen gefahren. Da war Eigeninitiative gefragt."

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