Kommentar: Toprak Razgatlioglu und Yamaha gehen mutigen Schritt
Mit dem MotoGP-Wechsel stellt sich Toprak Razgatlioglu der wohl schwierigsten Herausforderung - Für die Superbike-WM hat sein Abgang große Auswirkungen
Liebe Leser,

© Yamaha
2026 fährt Toprak Razgatlioglu für Pramac-Yamaha MotoGP Zoom
der angekündigte Wechsel von Toprak Razgatlioglu von der Superbike-WM in die MotoGP ist das große Thema im Motorradrennsport. Diesen Schritt tatsächlich zu gehen, bedeutet Mut von beiden Seiten. Einerseits von Razgatlioglu, dass er sich dieser Herausforderung stellt, andererseits von Yamaha, dass man ihm wirklich diese Chance ermöglicht. Das ringt mir von beiden Seiten großen Respekt ab!
Denn alle Fahrer, die in den vergangenen 20 Jahren diesen Wechsel vollzogen haben, haben erlebt, wie schwierig das ist. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf alle eingehen. Klar, Cal Crutchlow zum Beispiel hatte eine beachtliche Karriere, aber er mauserte sich nie zum Kreis der Außerirdischen.
Ich denke, jeder von uns hätte gerne Jonathan Rea in der MotoGP gesehen. Aber er hat nie eine faire Chance erhalten. Warum hätte er früher mit CRT- oder Open-Teams chancenlos mitfahren sollen? Deswegen war es absolut richtig, dass er damals den Weg zu Kawasaki gewählt hat.
Aus diesem Grund finde ich es von Yamaha mutig und stark, dass sie Razgatlioglu eine richtig gute Chance ermöglichen. Er wird bei seinem Debüt 29 Jahre alt sein. Yamaha hätte andererseits auch einen jungen Spanier oder Italiener aus der Moto2 holen können.
Die enge Verbindung von Yamaha-Direktor Paolo Pavesio zu Razgatlioglu und dessen Manager Kenan Sofuoglu hat sicher eine entscheidende Rolle gespielt. Ob Vorgänger Lin Jarvis diesen Schritt gewagt hätte, weiß ich nicht, wage ich jedoch zu bezweifeln.
Razgatlioglu hat extrem viel Talent. Ich denke, da stimmen wir alle überein. Ihm beim Fahren zuzusehen, macht richtig viel Spaß! Mit seinem Fahrstil macht er in der Superbike-WM den ganz klaren Unterschied. Weder Yamaha noch BMW wären ohne ihn Weltmeister geworden.
Die große Frage ist, ob sein Fahrstil zum MotoGP-Prototypen passt. Denn einige MotoGP-Fahrer, die ab und an mit einem Superbike trainieren, sagen ganz klar, dass das zwei unterschiedliche Disziplinen sind - vor allem wie sich die MotoGP in den vergangenen Jahren entwickelt hat.
Ich habe keinen Zweifel daran, dass Razgatlioglu mit seinem Talent in der MotoGP fahren kann. Aber ob er quasi nur "mitfährt", oder ob er als Fahrer einen entscheidenden Unterschied machen und sich im Spitzenfeld etablieren kann, das ist die spannende Frage.
Mit Fabio Quartararo liegt die Messlatte bei Yamaha extrem hoch. 2026 wird für Razgatlioglu ein Lernjahr - aber auch für Yamaha mit dem neuen V4-Motor. Wie sich das Jahr 2027 mit den neuen Motorrädern und Pirelli-Reifen entwickeln wird, wäre ein Blick in die Kristallkugel.
Mir ist klar, dass schon im nächsten Jahr die großen Vergleiche gezogen werden, denn jeder will natürlich wissen, wie sich Razgatlioglu in der MotoGP schlägt. Ich glaube, ob das Projekt erfolgreich oder nicht war, werden wir objektiv erst Ende 2027 beurteilen können.
Für die Superbike-WM ein herber Verlust
Fest steht, dass die Superbike-WM das ganz große Aushängeschild verliert. Und sollte sich Razgatlioglus Zeit in der MotoGP zäh gestalten, dann könnten die Türen für weitere Superbike-Fahrer für so einen Wechsel auf lange Sicht verschlossen bleiben.
Bitte nicht falsch verstehen, ich schätze die Superbike-WM sehr! Sie bietet fantastische Rennen, unglaublich enge Zweikämpfe - und ist meistens viel unterhaltsamer als die MotoGP. Aber seit einigen Jahren dümpelt die Superbike-WM zunehmend im Schatten der Königsklasse.
Ende 2012 hat Dorna Sports die Promotion der Superbike-WM übernommen. Der Fokus liegt aber ganz klar auf den drei Grand-Prix-Klassen. Auch, dass die Superbike-WM etwa im Rahmenprogramm des US-Rennens in Austin fahren könnte, wird kategorisch ausgeschlossen.

© motogp.com
Kooperation mit Harley-Davidson wichtiger als Promotion der Superbike-WM? Zoom
Stattdessen hat man eine Zusammenarbeit mit Harley-Davidson angekündigt, um diese Fangruppe zu erschließen. Die Verkaufszahlen von leistungsstarken Superbikes sind seit Jahren rückläufig. Gekauft werden andere Motorräder - vor allem Reiseenduros und Naked-Bikes.
Ducati, Honda, Yamaha, KTM und Aprilia nutzen die MotoGP hauptsächlich als Marketingplattform. Dass die Prototypen nur wenig mit den Serienmotorrädern gemein haben, ist dabei nebensächlich. Auch ein Formel-1-Mercedes hat nichts mit einem Serienmodell zu tun.
Mit Liberty Media sind die Erwartungen groß, dass die MotoGP vermarktungstechnisch auf ein neues Level gehoben wird. Ob und wie das passiert und wie lange das dauern wird, bleibt natürlich abzuwarten.

© BMW
Wie geht es für BMW in Zukunft ohne den großen Erfolgsgaranten weiter? Zoom
Aber ich habe große Zweifel daran, dass die Superbike-WM in diesem Portfolio in Zukunft eine elementare Rolle spielen wird. Ich möchte jetzt nicht sagen, dass der Wechsel von Razgatlioglu ein Sargnagel ist, aber es zeigt trotzdem, wohin die Reise geht.
Gespannt bin ich, wie BMW das Projekt in der Superbike-WM in Zukunft gestalten wird. Denn ohne Razgatlioglu hätte es bisher nie große Erfolge gegeben und man könnte das Engagement infrage stellen. Ein MotoGP-Einstieg zeichnet sich derzeit (leider) nicht ab.
Euer

Das ist meine Einschätzung eines aktuellen Themas. Lust auf mehr? Dann folge mir gerne auf Facebook und Bluesky für weitere Einblicke und aktuelle Updates - ich freue mich über dein Like!


Neueste Kommentare