• 07.11.2011 15:08

Raudies ist den "Status los"

Dirk Raudies trug stolze 18 Jahre den Titel als letzter deutscher Motorrad-Weltmeister - Jetzt hat Stefan Bradl den früheren 125er-Piloten abgelöst

(Motorsport-Total.com/SID) - Eine kleine Ewigkeit durfte Dirk Raudies seinen Rang genießen. 18 Jahre lang war der frühere Motorrad-Pilot einfach nur der letzte deutsche Weltmeister, nach dem Titelgewinn von Stefan Bradl ist die Sonderstellung dahin. Der 47-Jährige hat gemischte Gefühle, aber natürlich überwiegt die Freude: "Es ist schön, dass es endlich mal jemand geschafft hat. Eigentlich ist es tragisch, dass es so lange gedauert hat", sagt Raudies.

Titel-Bild zur News: Stefan Bradl

Stefan Bradl hat für Deutschland eine Durststrecke von 18 Jahren beendet

Völlig kalt lässt Raudies die Ablösung aber nicht. Zumindest ein wenig Enttäuschung ist zu spüren. "Natürlich ist es ein Wermutstropfen. Meinen Status bin ich jetzt los - damit kann ich leben. Ich konnte mir eh nix dafür kaufen", sagte Raudies. Dass es Bradl war, der die Durststrecke der deutschen Fahrer in Valencia mit dem Triumph in der Moto2 beendete, freut den Biberacher besonders. "Dem Stefan persönlich gönne ich es von Herzen. Seine Karriere finde ich genial - mit allen Höhen und Tiefen. Er hat wirklich schon alles erlebt und das hat ihn wahrscheinlich auch stärker gemacht", so Raudies.

Auf die Frage, wo denn das Erfolgsgeheimnis des jungen Zahlingers liege, hat Raudies eine einfache Antwort. "In den Genen", sagt der Schwabe mit einem Lachen und denkt dabei natürlich an Stefans Vater Helmut, der vor 20 Jahren Vizeweltmeister bei den 250ern geworden war. Raudies hob allerdings auch die enorme psychische Stärke des neuen Weltmeisters hervor. Egal, was in der Karriere auch passiert sei, Bradl habe "alles verdaut".

Die Meinung des fünfmaligen Weltmeisters Toni Mang, Bradl müsse sich nach dem Erfolg auf erhebliche Veränderungen einstellen, teilt Raudies nicht. "Da muss ich dem Toni widersprechen. Es wird sich nicht so arg viel verändern. Der Medien-Hype war schon die ganze Saison ähnlich hoch und der wird so bleiben", glaubt der Schwabe. Anders sehe die Sache aber im neuen Jahr aus: "Wenn man den Titel geholt hat, erwartet man eine Wiederholung. Das heißt, der sportliche Druck wird größer sein als zu Beginn dieser Saison."

Dass Bradls geplanter Aufstieg in die MotoGP zunächst geplatzt war, findet Raudies schade. Der 21-Jährige habe die nötige Qualität und sei der Herausforderung schon gewachsen. "Vom Feeling für das Motorrad traue ich ihm das absolut zu", so Raudies. Schließlich sei Bradl auch nach dem Umstieg in die Moto2 "super mit dem Motorrad zurecht gekommen" und der nächste Schritt der einfachere. In Valencia wird Bradl am Dienstag eine MotoGP-Honda testen.

Raudies hat Bradls Entwicklung von Kindesbeinen an verfolgt, bei den Rennen sitzt der 125ccm-Champion von 1993 bis heute häufig vor dem Fernseher und beobachtet seinen Nachfolger genau: "Es macht Spaß, ihm beim Fahren zuzuschauen. Sein Fahrstil gefällt mir. Er hat ein tolles Gefühl für das Motorrad."

Dass es schwierig war, Bradls ersten Grand-Prix-Start als Weltmeister am Sonntag live zu verfolgen, gefällt Raudies gar nicht. "Das Rennen habe ich bis zu seinem Sturz im Internet verfolgt, im Fernsehen kam es ja gar nicht", beschwerte sich der frühere Eurosport-Kommentator: "Gestern hat noch jemand mit mir telefoniert und gesagt: Der Stefan wird Weltmeister und keiner kriegt's mit. Beim Stefan geht's zumindest im Vergleich zu mir vor 18 Jahren ein bisschen unter."

Mit etwas Wehmut hat Raudies, der sich heute beruflich mit Windkraftanlagen beschäftigt, den letzten Auftritt der Achtelliter-Maschinen verfolgt. Die kleinste der drei Klassen wird im kommenden Jahr von der Moto3 abgelöst. "Ich bin Zweitakt-Fan. Der Spaßfaktor ist größer als bei den Viertaktern. Die fahren sich allerdings einfacher", findet Raudies. Dennoch seien die Veränderungen in der Motorrad-WM zuletzt sinnvoll gewesen: "Für die Zuschauer ist es durch die Moto2 spannender geworden. Die kleinen Teams haben die Chance, vorne mitzumischen. Das ist eine gute Entwicklung, die Show auf der Strecke passt."

Lesen Sie morgen Dienstag das komplette Interview mit Dirk Raudies.