Wie eine wild gewordene PC-Maus: Darum kommt mit dem RB21 keiner klar

Die Liste der gescheiterten Nummer-2-Fahrer bei Red Bull ist lang, aber jetzt erklärt Alexander Albon erstmals sehr plakativ, was der wahre Grund dafür ist

(Motorsport-Total.com) - Auf den ersten Blick war es für Yuki Tsunoda ein Karriere-Boost, als er zum dritten Saisonrennen der Formel 1 2025, bei seinem Heim-Grand-Prix in Japan, von den Racing Bulls in den Red Bull befördert wurde. Doch viel ist dem 25-Jährigen seither nicht gelungen: ein neunter Platz in Bahrain, Sechster im Miami-Sprint, zweimal Zehnter in Miami und Imola. In der Fahrer-WM liegt er mit mickrigen zehn Punkten auf Rang 15.

Titel-Bild zur News: Alexander Albon, Max Verstappen

Alexander Albon (links) hat sich vom Schock, von Max Verstappen überrollt worden zu sein, gut erholt Zoom

Der Teamkollege von Max Verstappen ist quasi ein Dauer-Sorgenkind, seit Daniel Ricciardo Ende 2018 zu Renault gewechselt ist. Die Liste derer, die sich am inzwischen viermaligen Weltmeister die Zähne ausgebissen haben, ist lang: Pierre Gasly (2019), Alexander Albon (2019-2020), Sergio Perez (2021-2024), Liam Lawson (2025) - und jetzt Tsunoda.

Spannend ist, dass einige davon später bei anderen Teams aufblühten: Gasly wurde bei AlphaTauri sogar zum Grand-Prix-Sieger und ist heute Nummer 1 bei Alpine. Und Albon schüttelte sein Red-Bull-Trauma bei Williams endgültig ab und ist dort jetzt (mindestens!) auf Augenhöhe mit Carlos Sainz, der bei Ferrari immerhin Charles Leclerc das Leben schwer gemacht hat.

Albon: Heute würde ich es besser meistern!

Albon kann sich in Lawson und Tsunoda, die jüngsten "Verstappen-Opfer", gut hineinversetzen. Die Red-Bull-Autos seien immer "am Limit", sagt er, und: "Max kann damit umgehen, das steht außer Frage. Aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Ich hatte damit zu kämpfen. Mit der Erfahrung, die ich heute habe, würde ich vermutlich besser damit zurechtkommen. Aber für die meisten Fahrer fühlt sich das nicht natürlich an. Und genau das sehen wir jetzt."

"Ich glaube, es ist auch deshalb schwierig, weil - und das ist vielleicht meine persönliche Einschätzung - der Racing Bull ein recht gutmütiges Auto ist. Das habe ich schon 2019 gesagt: Er ist gut ausbalanciert, sehr stabil, vermittelt viel Vertrauen. Und ich denke, das liegt auch daran, dass man bei diesem Team regelmäßig Rookies einsetzt. Die Basis des Teams ist auf junge Fahrer ausgelegt."

Doch wenn dann der Sprung zu Red Bull Racing erfolgt, den 2019 mitten in der Saison auch Albon machen durfte (musste?), sei das "fast das andere Extrem. Du steigst von einem eher verzeihenden Auto in eines, das im simpelsten Sinne richtig schwierig ist. Und plötzlich musst du dich an zwei völlig unterschiedliche Charakteristiken gewöhnen. Das ist eine enorme Umstellung."

Albon erklärt: Red Bull ist wie eine unkontrollierbare PC-Maus

Über den schwierig zu fahrenden Red Bull wurde in den vergangenen Jahren viel berichtet. Es sei ein spitzes Auto, hört man immer wieder, mit einem schmalen Limit, das nicht viel verzeiht. Verstappen könne damit umgehen, schließlich ist er einer, dem bei 300 km/h das Heck ins Rutschen kommt, und er fängt es trotzdem meisterhaft wieder ein, wie Helmut Marko immer sagt. Das können andere nicht so gut.

Aber was das nun ganz konkret bedeutet, das hat noch nie jemand so plakativ erklärt wie Albon in einem Interview im November 2023. Im High Performance Podcast räumte der Thailänder unter anderem auf mit dem Märchen, dass der Red Bull speziell für Verstappen gebaut werde und daher sonst keiner eine Chance habe.

"Viele Leute sagen, dieses Auto sei um ihn herum gebaut worden. Er sei wie der Michael Schumacher von Ferrari, er habe sich dieses Team um sich herum aufgebaut", sagt Albon. "Aber ehrlich gesagt: Das Auto ist einfach, wie es ist. Er ist unglaublich schnell. Und was dann passiert, ist, dass Max einen sehr einzigartigen Fahrstil hat. Es ist tatsächlich gar nicht so leicht, damit klarzukommen."

"Mein eigener Stil ist eher geschmeidig. Ich mag ein Auto mit einer guten Frontpartie: präzise, direkt. Max mag das auch. Aber sein Maß an Präzision und Direktheit ist auf einem ganz anderen Niveau. Es ist geradezu schmerzhaft scharf."

Albon veranschaulicht das mit einem plakativen Beispiel, unter dem sich jeder etwas vorstellen kann, der schon einmal mit einem Computer gearbeitet hat: "Stellt euch vor, ihr dreht die Mausempfindlichkeit auf das Maximum. Wenn ihr sie nur leicht bewegt, schießt der Cursor sofort quer über den Bildschirm. So fühlt sich das an. Es ist so extrem scharf abgestimmt, dass man automatisch verkrampft."

"Gerade in meinem Jahr war es so: Am Anfang hinkt man ein kleines Stück hinterher. Nicht viel. Aber je weiter die Saison voranschreitet und je mehr Max dieses ultrascharfe Auto will, desto schneller wird er. Und um Schritt zu halten, muss man anfangen, mehr Risiko einzugehen."

"Vielleicht ist man ein, zwei Zehntel hinten in einer Session und versucht, noch etwas mehr herauszuholen. Und dann geht's schief. Man fliegt ab, hat einen Unfall. Also muss man wieder von vorn anfangen. Das Selbstvertrauen ist angeknackst, der Rückstand wächst ein bisschen. Beim nächsten Versuch wieder ein Dreher, wieder ein Fehler. Und so beginnt eine Abwärtsspirale."

"Je schärfer das Auto wird, desto angespannter wird man selbst. Und ich glaube, das ist in jedem Sport so: Sobald man nicht mehr im Flow ist, sondern anfangen muss, bewusst über jeden Schritt nachzudenken - wenn man in jeder Kurve nicht weiß, wie das Auto reagieren wird -, dann funktioniert es einfach nicht. Es funktioniert nie."

Marko bestätigt: Ist genau so, wie Albon es erklärt

Albons Vergleich des Red Bull mit einer Computermaus sei "eine exakte Beschreibung", sagt Helmut Marko gegenüber Motorsport-Total.com. "Und das macht es eben für den zweiten Mann so schwer. Daher ist es für uns eine Überlegung, dass man mit dem zweiten Auto eine andere Abstimmung geht, die nicht so giftig ist." Die sei vielleicht theoretisch langsamer als das, was Verstappen fährt - aber in der Praxis für die meisten Fahrer schneller.

Albon ist heute der Ansicht, dass er bei einem neuerlichen Versuch als Verstappen-Teamkollege bei Red Bull nicht mehr so unter die Räder kommen würde wie vor fünf Jahren. Sowohl im Kopf als auch vom schieren Speed her sei er heute besser als damals: "Das Fahren selbst ist nur ein Teil der Geschichte. Und wahrscheinlich sogar der kleinere", sagt er im Vorfeld des Grand Prix von Kanada 2025 in Montreal.

"Der größere Teil besteht darin, das Auto wirklich zu verstehen: die Reifen, die Technik, die Abstimmung. Auch den eigenen Fahrstil. Das sind Dinge, die man als junger Fahrer in der Formel 1 erst noch herausfinden muss. Was bringt das Auto zum Funktionieren? Was bringt mich zum Funktionieren? Welche Kompromisse kann man eingehen, welche besser nicht? Was hilft mir, was schadet mir?"

"Max kann dieses Auto offensichtlich fahren, und er mag genau diese Art von Abstimmung. Sie ist meist der schnellste Weg. Und er kann das abrufen, Runde für Runde. Aber da steckt eben mehr dahinter. Und dann kommt noch etwas ganz Einfaches dazu: der Umgang mit all dem Druck, all dem Lärm, der auf dich einprasselt, wenn du als Nummer 2 im Team unterwegs bist. Für einen jungen Fahrer ist das alles andere als leicht", sagt Albon.