Lotus 2012: Neuer Name, neues Hauptquartier

Tony Fernandes exklusiv: Warum Lotus nächstes Jahr Caterham heißen wird und was ihn dazu bewegen würde, den Job als Teamchef aufzugeben

(Motorsport-Total.com) - Man hat sich fast schon daran gewöhnt, dass es in der Formel 1 derzeit zwei Teams geht, die sich Lotus-Renault nennen, doch damit soll nächstes Jahr Schluss sein. Denn obwohl der Rechtsstreit zwischen Tony Fernandes' Team Lotus und Dany Bahars Lotus-Gruppe (Renault-Hauptsponsor) noch nicht durch alle Instanzen gegangen ist, zeichnet sich ein Ende der leidigen Saga ab.

Titel-Bild zur News: Tony Fernandes

Teamchef Tony Fernandes war in Monza wieder bei einem Formel-1-Rennen

Hintergrund ist, dass Fernandes hinter verschlossenen Türen signalisiert hat, freiwillig auf die Verwendung der Marke Team Lotus zu verzichten: "Die gegenwärtige Situation ist unhaltbar. So gewinnt niemand", bestätigt er diese Darstellung im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. "Emotional gesehen liebe ich die Marke, aber unterm Strich sollten wir sagen: Machen wir etwas, von dem alle etwas haben! Ich bin optimistisch, dass innerhalb der nächsten paar Wochen etwas passieren wird."

Fernandes und die Verschwörungstheorien...

Der 47-Jährige erklärt, dass es "keine Gerichtsverhandlungen mehr" geben wird. Prompt kamen Spekulationen auf, sein noch frisches Engagement bei Malaysian Airlines sei eine Art Gegengeschäft für den Verzicht auf die Marke Team Lotus - schließlich steckt hinter der Lotus-Gruppe der malaysische Staatskonzern Proton. Aber auf die Frage, ob es ein solches Tauschgeschäft gegeben hat, entgegnet Fernandes wie aus der Pistole geschossen: "Nein!"

"Ich liebe die Verschwörungstheorien in der Formel 1", grinst er und fügt an: "Aber nein, das sind getrennte Dinge. Ich denke, es muss für beide Firmen eine pragmatische Entscheidung getroffen werden. Malaysian Airlines hat damit nichts zu tun. Der Malaysian-Airlines-Deal ist enorm." Nachfrage: Was hat sich sonst dazu bewogen, freiwillig auf die Marke Team Lotus zu verzichten? "Mein Anreiz ist, dass es für mich keinen Sinn macht, Lotus Cars zu promoten", begründet Fernandes.

¿pbvin|512|4062||0|1pb¿"Ich habe mit Caterham meine eigene Autofirma. Da sage ich mir: Geben wir das Geld lieber dafür aus, beide Firmen aufzubauen anstatt sie sich bekämpfen zu lassen", erläutert er und gesteht: "Es gibt natürlich auch einen finanziellen Anreiz. Ich habe viel Geld ausgegeben, also bekomme ich jetzt etwas. Aber das ist nicht Malaysian Airlines. Das wäre ein klasse Deal: Du kriegst Malaysian Airlines, dafür gibst du Team Lotus zurück (lacht; Anm. d. Red.)! So einfach ist es nicht."

Damit scheint klar zu sein, dass Lotus ab kommender Saison zwar weiterhin mit grün-gelbem Farbschema, aber unter neuem Namen an den Start gehen wird. Naheliegend wäre, den Namen auf Caterham zu ändern: "Das habe ich nicht gesagt. Aber wenn die Dinge ihren Weg gehen, dann wäre das die logische Variante, ja", verrät Fernandes, der den britischen Sportwagenhersteller Caterham erst diesen April übernommen hat.

Wer ist wirklich das Team Lotus?

Im Nachhinein betrachtet scheint er mit der Namensänderung recht gut leben zu können: "Ich hatte immer ein Problem mit der Frage: 'Bin ich wirklich Team Lotus?' Ich habe immer gesagt, dass diese Ära ihnen gehört hat und wir den Namen nur unter neuen Eigentümern zurückbringen. Es lag an den Fans, uns zu mögen oder nicht. Aber es stand auch ein Business dahinter. Du kannst ja nicht einen Namen besitzen und den dann nicht monetisieren."

Gekauft hat der Geschäftsmann den Namen Team Lotus vor fast genau einem Jahr von David Hunt, dem Bruder des inzwischen verstorbenen Weltmeisters James Hunt. Hunt hätte nie gewollt, dass Fernandes seine Marke der Lotus-Gruppe überlässt, weshalb der Kontakt zwischen den beiden völlig abgerissen ist. Fernandes gibt nach kurzer Nachdenkpause zu, dass er vor "ungefähr fünf Monaten" zum letzten Mal mit seinem einstigen Geschäftspartner gesprochen hat.

Unabhängig von den politischen Spielchen im Hintergrund wurde in den vergangenen Wochen die Entscheidung getroffen, Teile des Teams innerhalb Großbritanniens weiter westlich anzusiedeln, um näher an den 200 Kilometer entfernten Motorsport-Cluster um Silverstone heranzukommen. Bisher hatte es Lotus nämlich schwer, gute Ingenieure zu verpflichten, weil diese mitsamt ihrer Familien umziehen müssen hätten.


Fotos: Lotus, Großer Preis von Italien


Der Grund für den geplanten Umzug ist, "die besten Leute zu maximieren", erläutert Fernandes: "Wir meinen es ernst damit, nach vorne kommen zu wollen. Dafür müssen wir näher an das Rennsportzentrum ziehen, denn sonst kriegen wir die guten Leute nicht." Als Zeitrahmen sind sechs Monate angedacht: "Das beste Szenario wäre, wenn die Autos nächstes Jahr nach Australien abreisen und in ein neues Zuhause zurückkehren würden."

Standort Hingham bleibt erhalten

Aber den Standort Hingham werde man nicht einfach auflösen: "Verbundstoff und Maschinenbau werden bleiben, wo sie sind, und das Rennteam vielleicht auch", stellt der Teamchef klar und bestätigt, dass sich seine Leute schon die ehemalige Arrows-Fabrik in Leafield angesehen haben: "Das ist eine Gegend, die wir in Betracht ziehen." Auch wegen des angemieteten Williams-Windkanals in Oxford: "Daher macht es viel Sinn, in diese Gegend umzuziehen."

Möglicherweise mit einem neuen Teamchef? Fernandes hat kürzlich mit AirAsia die größte Flugzeug-Bestellung in der Geschichte der Luftfahrt abgegeben, ist bei Malaysian Airlines eingestiegen und seit einiger Zeit auch Mehrheitseigentümer des Londoner Premier-League-Fußballklubs Queens Park Rangers. So kam es, dass viele Lotus-Mitarbeiter ihren Chef vor dessen Besuch in Monza seit Wochen nicht mehr gesehen hatten.

Tony Fernandes

Seit kurzem engagiert sich Tony Fernandes auch im Fußball Zoom

Doch als Teamchef zurückzutreten und sich nur noch als Eigentümer bei Lotus zu engagieren, steht für Fernandes (noch) nicht zur Debatte: "Wenn ich als Teamchef nicht Ergebnisse abliefere, dann sollte ich nur noch Anteilseigner sein und jemand anders Teamchef - und Mike (Gascoyne; Anm. d. Red.) sollte auch nicht mehr hier sein", meint er. "Vielleicht braucht es einen Fulltime-Teamchef." Aber: "Vielleicht, ich glaube aber nicht."

Dass diese Variante zur Diskussion steht, habe er "schon immer" gesagt, aber: "Nein, im Moment funktioniert es. Der Teamchef muss ja nicht jeden Tag hier sein. Diese kleinen Dinge (deutet auf sein Smartphone; Anm. d. Red.) funktionieren hervorragend! Ich habe Riad (Asmat, Geschäftsführer; Anm. d. Red.) und Mike und das Team funktioniert sehr gut. Wir haben es mit Mark Smith verstärkt. Im Moment läuft alles", so Fernandes.