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  • 16.04.2004 15:38

Dank Wolfram schwer auf den Punkt gebracht

Mit Zusatzgewichten verleihen die Teams ihren Autos die richtige Balance - wir erklären Ihnen, wie dies funktioniert

(Motorsport-Total.com) - In der Formel 1 ist es fast wie im richtigen Leben: Beim Kampf um die Idealfigur kommt es auf eine ausgewogene Verteilung der Pfunde an. Je weiter die Rennautos unter dem vorgeschriebenen Mindestgewicht von 600 Kilogramm liegen, umso gezielter kann mit Zusatzballast in Form von Wolfram-Platten die Balance verbessert werden.

Titel-Bild zur News: Ferrari-Mechaniker

Wo die Gewichte genau platziert werden, ist Geheimnis der Teams

Wenn Formel-1-Fahrer auf die Linie achten, dann vor allem auf die Ideallinie. Um die zu halten, ist eine gute Balance des Autos nötig. Ein neutrales Fahrverhalten ist dabei nicht immer das Ziel. Im Gegenteil: Einige Fahrer bevorzugen ein übersteuerndes Auto, das sich über die Hinterräder aus der Kurve schiebt und mit dem sie weniger einlenken müssen, als es dem Kurvenradius entspricht. Um diesen Effekt zu provozieren, muss das Auto hinten schwerer gemacht werden.#w1#

Eine Frage des persönlichen Geschmacks

Andere lassen sich von ihren Ingenieuren mehr Gewicht in den vorderen Teil des Autos packen, weil ihnen ein Untersteuern eher entgegenkommt - der Rennwagen neigt auch in Kurven zum Geradeausfahren und muss mit entsprechend heftigeren Lenkbewegungen um die Ecke gezwungen werden. Alles eine Sache des Fahrstils - und der Gewichtsverteilung.

Um bei der Disposition der Zusatzgewichte möglichst flexibel zu sein, specken die Ingenieure die Autos konsequent ab. Wenn sie dabei an den richtigen Stellen ansetzen, wird das im Reglement vorgeschriebene Mindestgewicht von 600 Kilogramm (inklusive Öl-, Brems- und Kühlflüssigkeit sowie Fahrer mit Helm und im Rennoverall) teilweise um rund 100 Kilogramm unterschritten. Dieses Untergewicht wird nun ganz nach Wunsch ausgeglichen, wobei als Ballast zumeist Wolframplatten verwendet werden.

Teures Schwermetall

Ein Satz dieser Platten aus dem sehr festen Schwermetall kostet rund 40.000 Euro. Pro Saison arbeitet ein Team mit rund zehn solcher Sätze. Die Zahl der Platten und ihre Anordnung sind streng geheim. Der Schwerpunkt des Autos liegt in der Regel direkt hinter dem Fahrer beim Tank - also ungefähr 20 Zentimeter über dem Asphalt.

Die Freiräume bei der Gewichtsverteilung sichern sich die Entwickler mit immer ausgefeilteren Designs und geschickter Materialwahl. Titan, Karbon und Magnesium sind die wichtigsten Vertreter der modernen Leichtbauweise. Durch die Schlankheitskur gelang es zum Beispiel, das Gewicht der Kupplung innerhalb von zehn Jahren um fast zwei Drittel auf nur noch 900 Gramm zu senken.

Das sind die "Schwergewichte" der Formel 1

Die Gewichtskontrolle wird so zum kleinen Einmaleins - es gilt schlicht, die einzelnen Komponenten zu addieren. Die schwersten Teile eines Formel-1-Autos sind der Motor (rund 90 kg), das Monocoque (rund 50 kg), das Getriebe (rund 40 kg) und die vier Räder mit jeweils rund zehn Kilogramm. An größeren Summen kommen auf der Liste der rund 5.000 Einzelteile zum Beispiel der Heckflügel mit etwa elf Kilo, die Frontpartie mit etwa 7,5 Kilo und die Motorraumabdeckung mit etwa 5,5 Kilo hinzu. Nicht zu vergessen natürlich der Fahrer mit durchschnittlich 70 Kilogramm.

In den Gründerjahren der Formel 1, als die moderne Leichtbauweise noch so weit entfernt war wie der Mond von der Erde, waren die Boliden echte Schwergewichte. Der Mercedes W196 zum Beispiel, mit dem Juan Manuel Fangio 1954 den Weltmeistertitel holte, brachte unbetankt stolze 758 Kilogramm auf die Waage. Im Laufe der Jahre verordneten sich die Konstrukteure eine strenge Diät. Mit Erfolg: Der Williams, mit dem Nigel Mansell 1992 Weltmeister wurde, hatte auf 510 Kilogramm Leergewicht abgespeckt. Das wirkte sich auch auf die Performance positiv aus: Hatte der Mercedes pro Kilogramm Gewicht gerade mal 0,34 PS zur Verfügung, so waren es beim Williams bereits 1,33 PS.

Auch in der Serie wird abgespeckt

Während die Formel 1 sich leicht und schlank gefastet hat, haben die Serienfahrzeuge ganz schön zugelegt. Allerdings nur auf den ersten Blick. Zwar war ein BMW 315 im Jahr 1981 noch 1.003 Kilogramm schwer, während die Basisversion des 316i heute 1.385 Kilogramm wiegt, doch dieser Vergleich hinkt. In Wirklichkeit wurden durch die Fortschritte in der Leichtbauweise auch bei Serienautosgroße Fortschritte erzielt. Eine konstruktive Diät für mehr Sicherheit und Komfort, denn die Konstrukteure schufen sich damit den Freiraum für eine Vielzahl sicherheits-relevanter Sonderausstattungen wie ABS, ASR und Servolenkung.

Darüber hinaus werden schwere Teile, ähnlich wie in der Formel 1, auch im Serienfahrzeugbau günstig für eine optimale Schwerpunktlagepositioniert, der kompakte V-Motor zum Beispiel hinter der Vorderachse, die Batterie im Heckbereich. Der normale Autofahrer profitiert von der ausgewogenen Gewichtsverteilung seines Serienfahrzeugs. Was viele aber immer wieder vergessen: "Die Zuladung ver-ändert die Lage des Schwerpunktes", warnt Dr. Christoph Lauterwasser vom 'Allianz'-Zentrum für Technik. "Vor allem bei schwerem Gepäck auf dem Dach zeigen die Autos ein völlig anderes Fahrverhalten in der Kurve. Schweres Gepäck gehört deshalb nicht in die Dachbox, sondern in den Kofferraum."

Auf die richtige Verteilung der Pfunde kommt es auch in der Formel 1 an. Wobei die Performance der Königsklasse beweist: Immer leichterer Hightech-Materialien geben den Entwicklern mehr Möglichkeiten, wenn es gilt, kompromisslos Schnelligkeit und gleichzeitig Sicherheitsaspekte umzusetzen.

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