Wegen Interview für dubiose Websites: FIA suspendiert Kanada-Kommissar
Erklärt: Warum Derek Warwick als Rennkommissar für Montreal suspendiert wurde und welches dubios anmutende Geschäftsmodell der Grund dafür ist
(Motorsport-Total.com) - Nach Johnny Herbert hat die FIA jetzt einen weiteren sogenannten "Driver-Steward" vom Dienst suspendiert: Derek Warwick, ehemaliger Formel-1-Pilot für Teams wie Brabham, Arrows und Lotus (146 Grand-Prix-Starts zwischen 1981 und 1993), wurde am Freitagabend in Montreal mit sofortiger Wirkung von seinen eigentlich vorgesehenen Aufgaben als Rennkommissar beim Grand Prix von Kanada 2025 entbunden.

© Motorsport Images
Derek Warwick wurde von der FIA für den Grand Prix von Kanada suspendiert Zoom
"Nach kürzlich erfolgten, nicht autorisierten Medienäußerungen hat die FIA beschlossen, Derek Warwick von seinem Amt als Fahrerkommissar für den Grand Prix von Kanada an diesem Wochenende zu suspendieren. Er wird durch Enrique Bernoldi ersetzt, der den Rest der Veranstaltung vom Remote-Operations-Centre in Genf aus begleiten wird", schreibt der Automobil-Weltverband in einer Stellungnahme.
Grund für die Suspendierung war offenbar ein Interview, das Warwick nach dem Grand Prix von Spanien gegeben hatte. In dem Interview bewertete er unter anderem den Fall Max Verstappen in Barcelona, als der George Russell kurz vor Rennende ins Auto gefahren war und dafür mit einer Zehnsekundenstrafe und drei Strafpunkten belegt wurde.
Was Warwick in dem Interview gesagt hat
Warwick hatte in dem Interview recht konkret über das Urteil seiner Kollegen David Domingo, Vitantonio Liuzzi, Matthew Selley und Nish Shetty, die in Barcelona als Kommissare im Einsatz waren, gesprochen. "Hätte er das Manöver gegen George Russell in Kurve 5 machen dürfen? Absolut nicht. Hat er eine Strafe dafür bekommen? Ja", urteilte Warwick unter anderem.
"Einige Leute argumentieren, dass Sebastian Vettel in Baku eine Zehnsekunden-Durchfahrtsstrafe bekommen hat, als er absichtlich in Lewis Hamilton hineingefahren ist. Aber wenn man sich das Video von Max anschaut, sieht es für mich so aus, als wäre er zwar reingestochen, habe dann aber wieder von George weggelenkt. Doch der Schwung hat ihn trotzdem mit George kollidieren lassen."
Warwick weiter: "Ich verteidige das nicht, ich sage nicht, dass es richtig war. Es war absolut falsch. Die FIA hat ihm zurecht eine Strafe gegeben. Hätte sie härter sein sollen? Ich finde, sie haben es eigentlich genau richtig gemacht. Viele Leute würden sagen, er hätte eine Sperre bekommen sollen, als abschreckendes Beispiel für junge Kartfahrer. Und sie haben wahrscheinlich recht."
Was an dem Interview problematisch ist
Problematisch an dem Interview sind zwei Dinge. Erstens: Warwick spricht als Rennkommissar über ein Urteil anderer Rennkommissare. Das ist genauso problematisch, als würde in der "echten Welt" ein aktiver Richter in der Presse über das Urteil eines anderen Richters sprechen. Das kann nicht im Interesse der FIA sein.
Und zweitens: Warwicks Interview wurde nicht etwa von einem traditionellen Medienhaus veröffentlicht, sondern von einer PR-Agentur, die die Inhalte eines Gesprächs mit dem 70-Jährigen via E-Mail verschiedenen Medien zum Zitieren angeboten hat. Mit dem Hinweis, dass das Verwenden von Zitaten nur gestattet sei, wenn im Gegenzug die Website Plemjo als Quelle genannt wird.
Weil die auf diese Weise angebotenen Zitate oft recht spannend sind und für Redaktionen schnelle Klicks für wenig Aufwand bedeuten, werden solche Interviews gern verwendet und unter der gewünschten Quellenangabe verbreitet. Was insofern problematisch ist, als sich hinter Plemjo nicht etwa eine Redaktion verbirgt, sondern eine schwedische Glücksspiel-Plattform.
Dahinter steckt ein Geschäftsmodell: Anstatt bei traditionellen Medienhäusern für teures Geld Werbeplatzierungen einzukaufen, beauftragen Casino- und Wettplattformen eine PR-Agentur, um mit prominenten Persönlichkeiten aus der Formel 1 Interviews zu führen, deren Inhalte zu verbreiten und traditionellen Redaktionen anzubieten.
In den E-Mails mit dem Content bittet die Agentur üblicherweise darum, im Falle einer Veröffentlichung einerseits eine Quelle wie Plemjo zu nennen, auf der sich meistens gar kein Warwick-Interview befindet, sondern lediglich ein Casino- und Wettangebot. Und die Redaktionen werden auch darum gebeten, die Quelle nicht nur zu nennen, wie das medienrechtlich erforderlich ist, sondern diese auch zu verlinken.
Genau das ist, wo der große Wert für die Auftraggeber entsteht: Solche Backlinks senden wertvolle Suchmaschinen-Signale an Google & Co., die wiederum dabei helfen, mehr Kunden auf die Casino- und Wettplattformen zu locken. Und weil die angebotenen Inhalte oft wirklich interessant sind, lassen sich viele traditionelle Medienhäuser auf das Spiel ein.
Die Interviewten werden für ihre Dienste innerhalb dieses Systems meist fürstlich bezahlt. Laut Informationen von Motorsport-Total.com bezahlen Agenturen, die solche Aufträge umsetzen, an Experten vom Kaliber etwa eines Juan Pablo Montoya oder Jacques Villeneuve für ein paar Interviewtermine im Jahr bis zu 30.000 Euro Honorar.
Dass sich jemand wie Warwick auf so einen Auftrag einlässt, ist aus rein finanzieller Sicht verständlich. Als Rennkommissar schläft man zwar auf FIA-Kosten meist in schönen Hotels und bekommt natürlich auch alle anderen Reisespesen ersetzt. Aber das Honorar für ein Rennwochenende im Dienst fällt verhältnismäßig moderat aus. Die Rede ist von rund 1.000 Euro pro Grand Prix.
Warwick bereits der zweite Fall nach Johnny Herbert
Warwick ist nicht der erste FIA-Kommissar, dem solche "Nebenjobs" zum Verhängnis werden. Bereits 2024 hat die FIA die Zusammenarbeit mit Johnny Herbert beendet, nachdem dieser immer öfter sogenannte "Casino-Interviews" gegeben hatte. Und das, obwohl Herbert später behauptete, er habe sich diese "Nebentätigkeit" vorher freigeben lassen.
Laut FIA-Statement habe Warwick inzwischen eingeräumt, "dass seine Aussagen in seiner Rolle als FIA-Kommissar unangebracht waren", und er habe sich auch "dafür entschuldigt. Beim bevorstehenden Grand Prix von Österreich wird Derek seine Tätigkeit als Kommissar wieder aufnehmen", heißt es.
Warwick ist seit rund 15 Jahren einer der etablierteren Fahrerkommissare für die Formel 1. 2025 war Miami sein erstes Rennen. Nach Montreal ist er noch für Spielberg, Budapest, Monza, Singapur, Doha und Abu Dhabi eingeteilt. Und dabei soll es, zumindest Stand Freitagabend in Montreal, auch bleiben. Die Suspendierung gilt nur für das Kanada-Wochenende.


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