• 15.09.2007 19:56

  • von Inga Stracke

Wurz: "Dann haben wir bald keine Teams mehr..."

Der Österreicher erklärt im 'Motorsport-Total.com'-Interview, warum er im Rennen ein großes Handicap haben wird, und was er vom FIA-Urteil hält

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Wie lautet dein Fazit der Qualifikation und was erwartest du dir für das Rennen?"
Alexander Wurz: "Es ist eher ernüchternd gelaufen, ich bin 16. Das ist alles andere als zufriedenstellend. Wie es dazu gekommen ist, kann ich dir auch verraten, zwar nicht im Detail, aber wir hatten ein technisches Hindernis, das mich sehr viel Zeit, Höchstgeschwindigkeit auf den Geraden gekostet hat. Das Problem ist, weil man laut Reglement nichts am Auto ändern kann, wird mich dies im Rennen auch bis zur letzten Runde verfolgen."

Titel-Bild zur News: Alexander Wurz

Alexander Wurz: "Spioniert" wird im Prinzip von jedem Team

Frage: "Wäre es für dich gut, wenn es regnet?"
Wurz: "Das wäre gut für mich. Es würde zwar mein Problem nicht aus der Welt schaffen, aber es wäre nicht mehr so schwerwiegend auf die Rundenzeit umgerechnet. Nur, der Wetterbericht sagt für morgen 100 Prozent Sonne und keinen Regen voraus. Also sind diese Hoffnungen wohl minimal."#w1#

Frage: "Vielleicht kommst du ja in der ersten Kurve an ein paar anderen vorbei, die das nicht schaffen?"
Wurz: "Ich liebe deinen Optimismus! Grundsätzlich bin ich natürlich immer optimistisch, weil ich schon ein paar gute Rennen aus dem Hut gezaubert habe."

"Man kann ja nicht bis zum Schluss aufgeben, und das tue ich auch nicht. Aber wenn man mit einem kleinen aber schwergewichtigen Nachteil ins Rennen geht, dann fällt es mir schon schwer, noch den Optimismus raus zu holen."

Frage: "Was sagst du zur Bestrafung für das McLaren-Mercedes-Team, für das du ja auch schon gearbeitet hast?"
Wurz: "Da gibt es zwei Dinge, die wir beachten müssen. Erstens sprechen alle von einer Spionage-Geschichte und Spionage ist für mich, wenn man bewusst irgendjemand irgendwo einschmuggelt, um sich dort Informationen zu beschaffen."

"In diesem Fall ist McLaren ja unschuldig zum Handkuss gekommen weil zwei Freunde, oder wie sich Nigel Stepney und Mike Coughlan auch immer bezeichnen, dort einen Informationsaustausch betrieben haben. Somit ist es kein klassischer Spionage-Fall."

"Dass die Information teilweise unwissentlich durch die Fahrer im Team weitergegeben wurde, ist ganz normal. Sie gehen ihrer normalen Arbeit nach, denn jeder Fahrer hört irgendwelche Dinge, und natürlich gibt er diese weiter und kommuniziert damit."

"Ich war sechs Jahre lang bei McLaren und ich schätze sie genauso wie Williams als ein absolutes Top-Team ein, das total ehrlich arbeitet. Teilweise bis zu einem Bereich wo es schon frustrierend ist, weil ich gesagt habe, dass wir doch Graubereiche des Reglements ausnutzen müssen, und die Teams das einfach nicht machen, da sie sagen, dass wir einen Ehrenkodex haben. Das ist bei McLaren 100 Prozent der Fall, deswegen bin ich etwas enttäuscht. Andererseits muss man das Urteil der FIA auch akzeptieren."

Frage: "Es gibt seit 2003 eine Belohnung in Höhe von einer Million Euro, wenn jemand aus dem Team auch anonym mitteilt, dass im Team etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Ich habe mit FIA-Präsident Max Mosley gesprochen und er hat gesagt, dass er enttäuscht ist, dass sich keiner der McLaren-Mechaniker gemeldet hat. Was sagst du dazu?"
Wurz: "Da braucht er nicht enttäuscht zu sein, das wäre ein Argument für die Beurteilung. Denn alleine dies zeigt, dass hier kein offensichtlicher Informationsfluss da war. Aber ich bin nicht der Richter."

Frage: "Nun wird auch dein anderes ehemaliges Team, Renault, von McLaren beschuldigt, dass sie auch etwas von ihnen verwendet haben..."
Wurz: "Wenn die erst einmal anfangen, dann wird dies gar nicht mehr aufhören, dann werden wir bald kein Formel-1-Team wir haben. Denn in Wirklichkeit, das muss ich dir sehr offen sagen, wissen die Teams sehr viel voneinander. Das ist eine sehr kleine Industrie und da geht es immer nur darum, ob man etwas weiß oder etwas bekommen hat, entweder auf Diskette oder auf Papier. Oder die Information geht im Kopf der Ingenieure oder Fahrer mit, die ja ständig wechseln."

"Dies ist seit Beginn des Motorsports seit rund 100 Jahren immer dasselbe Problem. Man spioniert sich gegenseitig aus, nicht im wortwörtlichen Sinn, aber man schaut, was die anderen machen. Das ist Teil des Spiels. Wer das besser macht, der wird gewinnen, wer es nicht so gut macht, der zieht den Kürzeren. Also ich bin über diese Situation nicht glücklich."

Frage: "Etwas, über das die Fans glücklich sein können, ist die Tatsache, dass die Fahrer-Weltmeisterschaft offen bleibt. Bist du darüber auch glücklich?"
Wurz: "Das ist schon gut. Aber man muss dann natürlich die Entscheidung schon wieder hinterfragen. Wenn die FIA sagt, dass sie genügend Beweise hat, um das Team zu bestrafen? Die Fahrer und das Team sind eines. Du kannst dies meines Erachtens nur sehr schwer trennen. Sie haben dies natürlich im Hinblick auf die Schau gemacht, die natürlich weitergehen muss. Aus dieser Sicht finde ich dies dann auch in Ordnung."

Frage: "Was erwartest du dir vom neuen Austragungsort des Großen Preises von Japan in Fuji?"
Wurz: "Wenn du Bergsteigen magst, dann ist es natürlich beeindruckend, neben dem Mount Fuji zu sein, der ein beeindruckender Berg ist. Er ist zwar nicht häufig zu sehen, aber ich war dort im vergangenen Jahr für eine Promotion-Tour für Toyota und bin zwei Runden bei Regen im Formel-1-Auto gefahren."

"Die Strecke ist natürlich eigenartig, sie hat eine furchtbar lange Gerade, der Rest der Kurven ist sehr langsam und verwinkelt. Diese Strecke wird nicht jedem gefallen, vor allem, da wir die Strecke gegen Suzuka getauscht haben. Das war natürlich eine Hammer-Strecke."

Frage: "Dort herrscht eine besondere Atmosphäre, die japanischen Fans sind ganz besonders, oder?"
Wurz: "Ja, das sind ganz andere Fans. Ich bin gespannt, wie dies in Fuji sein wird. In Suzuka war dies teilweise für die Fahrer extrem, da hunderte von Japanern neben den Fahrern waren und uns förmlich von A nach B gejagt haben. Aber das ist Teil von Japan."