• 15.09.2007 13:51

  • von Inga Stracke

Mosley: Alonso hat sich erstklassig verhalten

Der FIA-Präsident spricht im Interview Klartext: Über das seiner Meinung nach zu milde Urteil, Alonsos und Dennis' Verhalten und die Verwendung des Gelds

(Motorsport-Total.com) - Frage: "War das Urteil aus Ihrer Sicht fair?"
Max Mosley: "Von der persönlichen Seite muss ich sagen, nein. Weil ich glaube, dass man auch den Fahrern Punkte wegnehmen sollte. Es gab innerhalb des Weltmotorsportrats diesbezüglich eine lange Diskussion, aber die Mehrheit war dafür, dass die Fahrer die Punkte behalten. Meiner Meinung nach wäre es logisch gewesen, den Fahrern die Punkte weg zu nehmen, aber dies ist nur meine persönliche Meinung."

Titel-Bild zur News: Max Mosley

Mosley hätte als Jurist auch den Fahrern die Punkte weggenommen

Frage: "Es gibt ja auch viele Stimmen, die sagen, das McLaren-Mercedes noch relativ gut weggekommen ist, dass die Strafe noch wesentlich drastischer hätte ausfallen können..."
Mosley: "In Bezug auf McLaren ist das in Ordnung, denn sie sind in diesem Jahr draußen und in Bezug auf 2008 muss man erst einmal bis in den Dezember abwarten, bis wir genau wissen, was im Auto ist."#w1#

"Aber in Bezug auf die Fahrer - und das war die Meinung der Minderheit - ist es schwierig, dass sie die Punkte behalten, wenn das Auto infrage gestellt wird. Aber für die Fans des Sports ist es besser gelaufen, da die Punkte bestehen bleiben. Langfristig gesehen ist dies vielleicht nicht ganz so schön. Alle können eine Meinung haben, dies war die Meinung der Mehrheit, und man muss der Mehrheit folgen."

Frage: "Zwei Fahrer im Team waren darin verwickelt, warum sind diese so glimpflich davon gekommen?"
Mosley: "Ein Fahrer fährt für ein Team und übernimmt die Kultur dieses Teams. Das ist ganz normal, er muss da mitspielen. Er kann nicht sagen, dass das nicht normal ist und er da nicht mitspielen möchte. Nur, Alonso hat sich erstklassig vernommen, das muss man schon sagen. Ohne das, was er uns gegeben hat, wären wir nicht in der Lage gewesen, diese ganzen Sachen der Öffentlichkeit zu präsentieren."

Frage: "Heute hat Ron Dennis gesagt, dass Alonso ihn darauf aufmerksam gemacht hat und er daraufhin hingegangen sei, und die FIA kontaktiert hat. Erst dann haben Sie den Brief geschickt. Spontan war Alonso also gegenüber der FIA wohl nicht..."
Mosley: "Das ist die Geschichte von Ron Dennis. Was ich Ihnen sagen kann, ist: Er hat mich angerufen und mir gesagt, dass der Alonso Informationen an den Verband geben wird. Ich habe ihn dann gefragt, was er Alonso geantwortet hat. Er hat ihm dann gesagt, dass er diese Informationen sofort übergeben soll. Meine Antwort war, Ron, da hast du genau das Richtige getan."

"Ron hat dann gesagt, dass es da nichts gibt, dass dies rein eine Erfindung von Alonso sei. Da wäre ich nie in der Lage gewesen, einen Brief raus zu schicken. Ich konnte nur den Brief raus schicken, als ich mehr Informationen vorliegen hatte, das waren die 300 E-Mail-Briefe und SMS von der italienischen Polizei. Dann sah ich ganz deutlich, dass da etwas ganz schlimmes los ist. Daraufhin habe ich den Brief los geschickt."

"Aber der Anruf von Ron Dennis, das war nur eine teaminterne Diskussion zwischen Alonso und Dennis, die haben sich vielleicht nicht gut miteinander verstanden. Da kann man als Sporthoheit nicht eine riesige Sache loslassen. Besonders, wenn der Ron behauptet, es seien gar keine Informationen rüber zu geben."

Frage: "Gehen Sie davon aus, dass McLaren-Mercedes in der Vergangenheit spioniert hat, denn die Informationen kamen ja von einem ehemaligen Ferrari-Mitarbeiter?"
Mosley: "Es kamen eine Menge Informationen, und diese wurden scheinbar - mit ziemlicher Sicherheit - benutzt. Und das ist natürlich absolut gegen den Sport."

Frage: "Und eine 'ziemliche Sicherheit' reicht für eine solch hohe Strafe aus?"
Mosley: "Ja, unbedingt. In dem Augenblick, wo man dies weiß und sich die 780 Seiten anschaut und die über 300 SMS- und Telefon-Gespräche sieht, dann kann man gar nichts anderes tun. Ich glaube, dass sie sogar Glück gehabt haben, dass es nicht schlimmer war. Man muss sagen, dass dies auf das Programm für 2007 einen Einfluss gehabt hat und wahrscheinlich auch auf 2008, das müssen wir erst einmal sehen."

"Die einfachere Lösung wäre es gewesen, raus aus 2007 und raus aus 2008. Unsere Leute wollten nicht so weit gehen, aber sie hätten soweit gehen können. Dann hätte dies McLaren viel mehr als 100 Millionen Dollar gekostet, denn nur die Einnahmen von Bernie Ecclestone für 2007 und 2008 sind viel mehr als 100 Millionen Dollar."

Frage: "Also meinen Sie, dass diese Geschichte noch nicht zu Ende ist?"
Mosley: "Nein, denn wir müssen die ganze 2008-Frage noch im Dezember anschauen. Wir müssen sicher sein, dass wir den anderen Teams sagen können, dass das gesamte Programm 2008 - nicht nur das Auto, sondern das ganze Drumherum - ohne Einfluss von den Ferrari-Informationen ist."

Frage: "Sie haben die Fans erwähnt, sie selbst sind ein Jurist. Sehen Sie nicht die Formel 1 in Gefahr, da hier nur die Juristen das Wort hatten?"
Mosley: "Das Gegenteil war der Fall, die Juristen wollten unbedingt die Punkte wegnehmen, nur die Sport-Fans im Weltmotorsportrat, die früheren sportlichen Fahrer, wollten die Punkte nicht wegnehmen. Man kann zwei Meinungen haben, aber der Sport hat mehr oder weniger gewonnen."

Frage: "Was passiert mit dem Geld?"
Mosley: "Die anderen Teams bekommen etwas mehr Geld, da McLaren-Mercedes vom ersten auf den 11. Platz versetzt wird. Alle anderen Teams rücken um einen Platz nach vorn. Das Geld, das von der Formel 1an McLaren gegangen wäre, geht an die anderen Teams. Den Rest, also den Unterschied zwischen den 100 Millionen Dollar und dem Ecclestone-Geld, wenn man dies so bezeichnen mag, bekommen wir."

"Ich werde dem Weltmotorsportrat vorschlagen, dass dies weltweit an die ganzen nationalen Sport-Hoheiten ausgeschüttet wird, um junge Fahrer im Rennsport und auch im Rallye-Sport zu fördern. Wir hatten bisher nie ein ausreichend großes Budget, um dies zu tun. Jetzt wären wir in der Lage, dies zu tun. Der Weltmotorsportrat muss diesem Vorschlag jedoch erst zustimmen, aber ich denke, dass sie dies schon tun werden."

Frage: "Wird gegen Renault ermittelt?"
Mosley: "Das muss man erst anschauen. Was augenblicklich vorliegt, ist nichts Besonderes. Wir müssen erst einmal abwarten, was von McLaren kommt."