Nach Mercedes-Sieg: Kippt jetzt die Hackordnung in der Formel 1?

Wende oder nur ein Streckenvorteil? Wir blicken nach dem Großen Preis von Kanada in die Daten, ob sich in der Formel 1 eine Änderung der Hackordnung anbahnt

(Motorsport-Total.com) - Der Große Preis von Kanada 2025 war in vielerlei Hinsicht eine Premiere: George Russell fuhr den ersten Saisonsieg für Mercedes ein, Teamkollege Kimi Antonelli stand erstmals auf dem Podium - und das bislang dominante McLaren-Team verpasste zum ersten Mal in dieser Saison das Treppchen.

Titel-Bild zur News: Carson Hocevar, Oscar Piastri

Hat Mercedes McLaren in der Hackordnung jetzt überholt? Zoom

Die große Frage lautet nun: War das Rennen in Montreal ein Wendepunkt der Formel-1-Saison 2025 oder kehrt in Österreich wieder Normalität ein? Gemeinsam mit unserem Technologiepartner PACETEQ haben wir uns tief in die Datenanalyse begeben, um Antworten zu finden.

Montreal: Wie viel Einfluss hat die Strecke wirklich?

Mercedes hatte sich bereits im Vorfeld des Wochenendes gute Chancen in Kanada ausgerechnet - und das lässt sich auch mit den Daten belegen. Vergleicht man die Rennpace in Montreal mit dem jeweiligen Saisonschnitt seit 2022, zeigt sich: Allein die Streckencharakteristik brachte den Silberpfeilen einen Vorteil von 0,29 Sekunden pro Runde.

Der Circuit Gilles-Villeneuve weist kaum schnelle Kurven auf, was die Reifen weniger stark beansprucht - ein klarer Vorteil für Mercedes, deren Boliden bei höheren Temperaturen oder langen Kurvenkombinationen schneller zur Überhitzung der Pneus neigen. Hinzu kamen die relativ kühlen Bedingungen sowie die Stärke von Mercedes in Traktionsphasen und langsamen Kurven.

Montreal war somit zweifelsohne eine Paradestrecke für Mercedes. Doch auch McLaren spielte eine entscheidende Rolle - wenn auch in anderer Hinsicht: Die Schwächen des britischen Teams decken sich exakt mit den Stärken von Mercedes. Laut Daten verlor McLaren streckenspezifisch rund 0,18 Sekunden pro Runde. Im direkten Vergleich ergibt sich damit ein Differenzwert von beeindruckenden 0,47 Sekunden pro Runde zugunsten von Mercedes.

Blickt man auf den bisherigen Saisonschnitt der Rennpace 2025, war McLaren in den ersten zehn Rennen durchschnittlich 0,54 Sekunden pro Runde schneller als Mercedes. Dieser Rückstand wurde durch die Streckencharakteristik nahezu komplett kompensiert - der verbleibende Vorteil dürfte auf die neue Geometrie an der Mercedes-Hinterachse zurückzuführen sein.

Wurde McLaren unter Wert geschlagen?


Eine ähnliche Analyse lässt sich auch für Red Bull anstellen. Das Team aus Milton Keynes ist in Montreal erfahrungsgemäß etwa 0,11 Sekunden pro Runde schneller als im Saisonschnitt. Rechnet man den streckenspezifischen Nachteil McLarens von 0,18 Sekunden hinzu, ergibt sich ein Gewinn von 0,29 Sekunden gegenüber dem Weltmeisterteam. Im Saisonschnitt 2025 fehlen Red Bull 0,25 Sekunden auf McLaren - somit konnte das Team allein durch die Charakteristik der Strecke an McLaren vorbeiziehen.

Ein Blick auf die tatsächliche Rennpace in Kanada unterstreicht das Bild: George Russell war im Mercedes der schnellste Fahrer im Feld, doch die Konkurrenz war dicht dahinter. Lando Norris fehlten im Schnitt lediglich 0,02 Sekunden pro Runde, gefolgt von Max Verstappen (+0,03), Kimi Antonelli (+0,04) und Oscar Piastri (+0,05).

Was ist mit Ferrari? Charles Leclerc lag mit einem Rückstand von 0,29 Sekunden pro Runde deutlich zurück und hatte mit dieser Pace keine realistische Chance auf ein besseres Ergebnis. Zwar gewinnt Ferrari auf dem Kurs in Montreal üblicherweise 0,17 Sekunden pro Runde, doch das grundsätzliche Defizit von 0,55 Sekunden im Saisonschnitt lässt sich selbst auf einer vorteilhaften Strecke nicht vollständig kompensieren.

Was bedeutet das für Österreich?

Ein Blick auf die Streckenfaktoren für das kommende Rennen in Spielberg deutet darauf hin, dass sich das Kräfteverhältnis erneut verschieben könnte: Von den vier Topteams profitiert McLaren am meisten vom Red Bull Ring - mit einem durchschnittlichen Gewinn von 0,14 Sekunden pro Runde. Mercedes hingegen fällt dort üblicherweise um etwa eine Zehntel hinter seinen Saisonschnitt zurück.

Es ist also durchaus möglich, dass McLaren in Österreich wieder dominant auftreten wird - während Mercedes womöglich nur als vierte Kraft ins Ziel kommt. Ob der Kanada-Grand-Prix ein Wendepunkt war, darf somit bezweifelt werden, doch die wahre Antwort wird sich in Spielberg zeigen.

Eine ausführliche Analyse zum Formel-1-Wochenende in Kanada gibt es im Übrigen auch auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de, wo Datenexperte Kevin Hermann nicht nur das aktuelle Kräfteverhältnis einordnet, sondern auch fragt, ob Charles Leclerc auf die Einstoppstrategie hätte setzen sollen und wie viel der Unterbodenschaden von Lewis Hamilton wirklich ausgemacht hat.

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