Whitmarsh: "Platz zwei ist frustrierend"

McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh analysiert die Saison 2011 - Im Winter wurden die entscheidenden Fehler gemacht, warum man gegen Red Bull verloren hat

(Motorsport-Total.com) - McLaren ist eines der erfolgreichsten Teams in der Formel-1-Geschichte. Obwohl die britische Traditionsmannschaft in fast jedem Jahr um Pole-Positions und Siege kämpft, wurden seit der Ära Senna/Prost nur noch drei WM-Titel bei den Fahrern (1998, 1999 und 2008) erobert. Bei den Konstrukteuren liegt der letzte Titelgewinn im Jahr 1998 zurück. Auch in diesem Jahr haben sich die Chrompfeile nicht gegen Red Bull und Sebastian Vettel durchsetzen können. Der langjährige Teamchef Ron Dennis hat oft gesagt, dass ihn Niederlagen auch körperlich schmerzen.

Titel-Bild zur News: Martin Whitmarsh (Teamchef)

Martin Whitmarsh will Sebastian Vettel im kommenden Jahr schlagen

Martin Whitmarsh, der neue starke Mann bei McLaren, ist trotz der Fortschritte über die Saison gesehen nicht zufrieden. "Man muss sagen, dass Sebastian, Red Bull und Adrian Newey einen fantastischen Job geleistet haben. Speziell Sebastian war fantastisch. Wir sind aber nicht hier, um Zweiter zu werden. Deshalb sind wir auch nicht zufrieden", wird der Brite von 'Formula1.com' zitiert. "Wir haben den zweiten Platz bei den Konstrukteuren abgesichert und sind Zweiter in der Fahrerwertung. Ehrlich gesagt, ist das frustrierend."

"Wir waren auch im Vorjahr Zweiter und wollen das nicht zur Gewohnheit werden lassen. Wir können jetzt zurückblicken und uns ärgern, oder wir drehen das in eine positive Motivation. Wir hatten in diesem Jahr sechs fantastische Siege und könnten noch den siebten Triumph holen. Das ist unser Ziel und darauf konzentrieren wir uns. Wir versuchen in Brasilien erneut zu gewinnen."


Fotos: McLaren, Großer Preis von Abu Dhabi


"Sebastian wird sicher wieder der Mann sein, den es zu schlagen gilt, selbst wenn er in Abu Dhabi Pech hatte." McLaren war oft nahe an Red Bull dran und konnte Vettel hin und wieder knapp schlagen. Die Saison 2011 wird dennoch als dominante Leistung der Kombination Red Bull/Vettel in Erinnerung bleiben. "Es gibt viele Ansichten über die Unschlagbarkeit von Red Bull. Sicherlich ist Mark (Webber; Anm. d. Red.) ein guter Fahrer."

"Als Team haben wir Fehler gemacht"

"Die Leute fragen uns, wie wir Red Bull an den meisten Wochenenden schlagen können", sagt Whitmarsh. "Wir haben aber 50 Prozent davon geschlagen. Leider schlagen wir derzeit den anderen kaum, wenn er im Rennen bleibt. Als Team haben wir Fehler gemacht. Wir haben nicht so einen guten Job gemacht, wie ich mir das gewünscht hätte, aber hoffentlich beenden wir die Saison mit einem weiteren Sieg. Dann drücken wir den Reset-Knopf, sind im Winter einige Wochen weg, und dann wartet das nächste Jahr."

Jenson Button

In der zweiten Saisonhälfte konnte Jenson Button Red Bull unter Druck setzen Zoom

Speziell seit der Sommerpause hat McLaren Vettel unter Druck setzen können. Das kam aber viel zu spät. Bei den Wintertests war der MP4-26 ein Sorgenkind, unzuverlässig und langsam. Bis zum Saisonauftakt in Melbourne wurde das Auto komplett umgebaut. McLaren hat erneut bewiesen, dass man über die Saison aufholen kann. Wenn es aber bereits im Winter Probleme gibt, dann ist das gegen einen Gegner wie Red Bull fatal. Der Bolide aus der Feder von Newey war bereits im Winter schnell und abgesehen von Kleinigkeiten mit KERS zuverlässig.

"Ein schrecklicher Winter"

Genau im Winter hat McLaren die mögliche Titelchance liegen gelassen. "Wir hatten einen schrecklichen Winter. Wir waren Sekunden weg vom Tempo. Unsere erste Renndistanz haben wir in Australien abgespult", blickt Whitmarsh zurück. "In den Wochen bis zum ersten Rennen gingen wir einige Risiken ein und fanden etwas zur Konkurrenzfähigkeit zurück. Von diesem Punkt an schätzten wir, was wir brauchen würden, um richtig konkurrenzfähig zu werden."

"Beim ersten Rennen war es eher ein Versuch mit einem anderen Konzept. Ich hatte gehofft, dass wir es über die ersten Grands Prix optimieren könnten. Es hat aber einige Rennen mehr gedauert, bis wir etwas Besseres gefunden hatten. Ich glaube, Adrian und Red Bull haben sehr viel am auspuffangeströmten Diffusor gearbeitet. Sie hatten einen Vorsprung. Wir haben sie verfolgt und versucht die Lücke zu schließen."

"Ich schätze, dass wir in den ersten drei Vierteln der Saison bei einigen Rennen das schnellere Auto hatten, aber wir konnten daraus kein Kapital schlagen", zieht Whitmarsh Fazit. "Es ist auch ein Entwicklungsrennen. Wir sind jetzt näher dran als im Februar. Red Bull hat einen sehr guten Job gemacht. Wir waren hinter ihnen, Ferrari knapp hinter uns, aber der Rest des Feldes war sehr weit hinten. Das ist vermutlich die Geschichte der Saison 2011."

"Es macht mich stolz, wie schnell wir aufholen konnten." Martin Whitmarsh

Es stellt sich die Frage, warum McLaren über die Saison gesehen aufholen kann, es aber im Winter nicht schafft, ein konkurrenzfähiges, innovatives Auto zu entwickeln. Nicht nur der Winter 2010/2011 wurde verschlafen. Das Phänomen ist schon mehrmals aufgetreten. "Normalerweise trifft man im September oder Oktober einige Entscheidungen, anhand der Informationen der Entwicklung, der besten Interpretation des Reglements und aufgrund des Wissens, was möglich ist. Diese Entscheidungen führen zu einem erfolgreichen, oder einem schlechten Jahr."

"Ich schätze, in diesem speziellen Fall, wurden schlechte Entscheidungen getroffen", sagt Whitmarsh. "Der Hauptgrund war, dass es schwierig zu verstehen war, dass es das Phänomen des auspuffangeströmten Diffusors zu erforschen gab. Unser Konzept war zu ambitioniert und zu komplex. Es hat viele Ressourcen der Entwicklung und viele Anstrengungen bei Design benötigt, um das System standfest zu machen."


Fotos: McLaren, Young-Driver-Test in Abu Dhabi


"Normalerweise macht man die Entwicklungsarbeit über den Winter. Wenn man diese Zeit aber für eine Sache aufbraucht, die konzeptionell falsch ist, dann kann man das schwierig aufholen." Wenn McLaren Red Bull schlagen will, dann dürfen über den Winter nicht wieder fundamentale Fehler passieren. "Wir haben ein gutes Rennteam und wir konnten gut auf die Notsituation reagieren", ist Whitmarsh zuversichtlich. "Es macht mich stolz, wie schnell wir aufholen konnten."

"Klarerweise hätten wir nie in die Lage kommen dürfen, überhaupt aufholen zu müssen. Das hat viel Zeit, Aufmerksamkeit und Kapazität benötigt. Über die Saison gesehen hatten wir dann nur einen mechanischen Schaden und einen missglückten Boxenstopp. Das ist jetzt nicht dramatisch, aber Sebastian und Red Bull haben ihre Fehlerrate stark reduziert."