• 16.07.2001 13:21

Verlierer der große Sieger - Haug: "Krasse Außenseiter"

Michael Schumacher war nach dem Rennen fast genauso gut gelaunt wie Mika Häkkinen - nicht ohne Grund

(Motorsport-Total.com/dpa) - Michael Schumacher konnte die Niederlage von Silverstone eigentlich wie einen grandiosen Sieg und die WM-Vorentscheidung genießen. Sein letzter Konkurrent David Coulthard ist praktisch aus dem Titelrennen; für McLaren-Mercedes stellte Mika Häkkinens erlösender Triumph nach elfmonatiger Durststrecke deshalb nur einen schwachen Trost dar. Nachdem der Ferrari-Star aus Kerpen den ersten Frust überwunden hatte, überwog bei ihm die Erkenntnis, dass sein zweiter Platz ein weiterer Riesenschritt zur Titelverteidigung war. "Es lief zu meinen Gunsten. Das waren sechs wichtige Punkte für die WM", rechnete der dreimalige Formel-1-Weltmeister letztendlich halbwegs zufrieden hoch.

Titel-Bild zur News: Schumacher und Häkkinen

Häkkinen und Schumacher können sich als Sieger fühlen

Ferrari-Teamchef Jean Todt konnte mit dem klar verpassten Sieg an historischer Stelle - vor 50 Jahren war dem Argentinier Jose Froilan Gonzalez in Silverstone der erste Triumph im "Roten Renner" geglückt - bestens leben. "Natürlich wollen wir lieber gewinnen", sagte der Franzose. "Aber dieses Ergebnis ist wie ein Sieg für uns, weil Michael den Vorsprung auf seinen engsten Rivalen um weitere sechs Punkte ausgebaut hat."

Angesichts von 37 Punkten Rückstand kann der schottische Silberpfeil-Widersacher Schumacher eigentlich nicht mehr einholen. Selbst wenn Coulthard alle restlichen sechs Rennen gewinnen sollte, würden dem Rheinländer 24 Punkte zum Titel reichen. Dies wären sechs dritte oder vier zweite Plätze, wobei er sich beim letzten Beispiel sogar zwei Ausfälle leisten könnte. Der Ferrari-Star kann sogar bereits am 19. August in Ungarn Weltmeister werden, wenn er in Hockenheim und Budapest zusammen mindestens drei Zähler mehr als Coulthard holt.

"Schumi kann die WM nur noch verlieren, wenn er jetzt in den Angel-Urlaub fährt", setzte der italienische 'Il Messaggero' die Aussichtslosigkeit des Ansinnens, Schumacher den Titel noch streitig machen zu wollen, ins Bild. Der britische 'The Independent' pflichtete bei: "Titelhoffnungen des Schotten zertrümmert." Trotz der sonnenklare Lage wiederholt Schumacher gebetsmühlenhaft seine alte Rechnung: "37 Punkte sind ein schönes Polster, aber noch sind 60 zu holen, und die WM ist noch nicht vorbei."

Doch selbst McLaren-Mercedes lässt sich von diesen mathematischen Spielereien nicht blenden. "Wir haben nur noch sehr theoretische Chancen", hakte Jürgen Hubbert, das bei DaimlerChrysler für die Formel 1 verantwortliche Vorstandsmitglied, den Titel praktisch ab. Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug assistierte: "Wir sind krasse Außenseiter." Und McLaren-Teamchef Ron Dennis räumte trotz des prestigeträchtigen Siegs beim Heimrennen ein: "Ein Nachmittag mit gemischten Gefühlen."

Das Boulevardblatt 'The Sun' brachte die widersprüchliche Stimmung im Silberpfeil-Lager auf den Punkt: "Champagner und Tränen flossen im McLaren-Stall." Häkkinen genoss nach zahlreichen Nackenschlägen sein Comeback. "Ich bin überglücklich. Es ist schwierig, hundertprozentig zu verstehen, wie wichtig dieser Sieg für mich ist", sagte der tief bewegt mit den Tränen kämpfende Finne. Nachdem die Spekulationen um seinen Rücktritt vom Tisch sind, stärkt dieser erste Silverstone-Sieg Häkkinens Position in den Verhandlungen. Der Finne pocht angeblich auf mehr Geld und will einen Zweijahresvertrag. In zwei Wochen in Hockenheim dürfte McLaren-Mercedes den zweimaligen Champion und Coulthard als erneutes Fahrer-Duo bestätigen.

Coulthard lud zwar abends zur Fete vor seinem Motorhome, aber Grund zum Feiern hatte der früh Geschlagene wahrlich nicht. "Ich kämpfe bis zum Ende", kündigte "Braveheart" dennoch tapfer an. "Ich weigere mich, die Niederlage zu akzeptieren, ehe Michael den Titel in der Tasche hat." Er fühle sich jetzt "down, aber morgen sieht wieder alles anders aus. In Hockenheim will ich aufs Podium."

Diese Hoffnung teilt Coulthard mit Schumacher und Häkkinen. "Dort kämpfe ich um den Sieg", kündigte "Schumi" Revanche für Silverstone und die verpasste Einstellung von Alain Prosts Fabel-Weltrekord von 51 Grand-Prix-Erfolgen an. "Wenn ich merke, dass ich keine Chance habe, nutzt es mir allerdings nichts, das Auto ins Kiesbett zu feuern. Dann würde ich das Rennen wieder nach Hause fahren."