USA: Sind die Hersteller die heimlichen Sieger?

Die Farce von Indianapolis hat einen Beigeschmack: Bernie Ecclestone kann sich nicht mehr durchsetzen und die Hersteller halten zusammen

(Motorsport-Total.com) - Genau eine Woche nach dem Skandalrennen von Indianapolis haben sich die Wogen zwar noch keineswegs gelegt, immerhin dringen aber so schön langsam einige Randerscheinungen an die Oberfläche, die im ersten Moment noch nicht unbedingt abzusehen waren. So sind sich die Formel-1-Experten inzwischen beispielsweise einig, dass es neben Michael Schumacher vor allem einen Sieger gegeben hat: die Interessensgemeinschaft der Automobilhersteller.

Titel-Bild zur News: Mario Illien, Norbert Haug und Mario Theissen

Die Hersteller - auch Mercedes und BMW - sind sich neuerdings ungewohnt einig

Die frühere 'GPWC' - bestehend aus BMW, DaimlerChrysler, Honda, Renault und Toyota - stellt mehr oder weniger mehrheitlich jene sieben Teams, die sich wegen Problemen mit ihren Michelin-Reifen in den USA schon nach der Aufwärmrunde wieder an die Box verabschieden mussten. Als vor dem Rennen durchsickerte, dass die sieben Michelin-Teams geschlossen auf den Start verzichten würden, konnte dies noch kaum jemand glauben, doch umso stärker war die anschließende Demonstration sportpolitischer Einigkeit.#w1#

Surer: "Die Verlockung war da"

"Mich hat am meisten beeindruckt", analysiert 'F1Total.com'-Experte Marc Surer, "dass sich alle Teams an das Agreement gehalten haben, denn jeder, der noch den Start gefahren wäre, hätte sich in der Ausfallliste vor die gesetzt, die direkt an die Box gefahren sind. Die Verlockung, so eine gute Startposition für Magny-Cours zu holen, war natürlich da. Dass sieben Teams schön brav ihre Fahrer an die Box beordern und alle das auch wirklich machen, das war sensationell, für mich beeindruckend - auch wenn es eine negative Geschichte war."

"Die politische Seite dieser Demonstration der sieben Teams war sehr, sehr stark", weiß der Schweizer. "Alle Handlungen für die Zukunft rückt das in ein ganz neues Licht. Wenn sieben Teams so zusammenhalten und zwei Teams auch schon unterschrieben hatten, mit Schikane zu fahren, nur ein Team wieder einmal nicht, dann ist das politisch ein ganz wichtiger Hinweis, dass sich da etwas tut. Paul Stoddart (Minardi-Teamchef; Anm. d. Red.) hat ja auch gesagt, dass er nicht angetreten wäre, wenn es sich nicht Jordan doch noch überlegt hätte. Dann wären die Ferraris alleine am Start gestanden."

Besonders bemerkenswert ist auch, dass sich sieben Teams allen Bemühungen von Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone zum Trotz mit ihrem Boykott durchsetzen konnten. Vor 20 Jahren wäre so etwas noch undenkbar gewesen. Dies beweist aber vor allem eines: Die Hersteller meinen es mit ihren rebellischen Absichten ernst und haben inzwischen offenbar auch die notwendige Macht, ihren Willen durchzusetzen - notfalls mit Gewalt.

Daly: "Glaube, dass Bernie keine Kontrolle mehr hat"

"Ich glaube", nickte auch der 48-fache Grand-Prix-Teilnehmer Derek Daly im Interview mit dem 'Indianapolis Star' zustimmend, "dass Bernie keine Kontrolle mehr darüber hat, was in der Formel 1 läuft. Es war das erste Mal, dass die Teams zusammengestanden sind und bewiesen haben, dass sie gemeinsam etwas durchziehen können. Die 'GPWC' hat dadurch enorm an Einfluss gewonnen, während Bernie anscheinend doch nicht mehr die Macht hat, die er glaubt zu haben."

Noch wenige Minuten vor dem Start hatte Ecclestone in einem entnervten TV-Interview angekündigt, dass man ruhig abwarten solle, wie viele Michelin-Autos schlussendlich doch antreten werden: "Ich dachte, sie auf den Grid zu bekommen, sei schon der halbe Sieg", gab er später zu. Damit hat sich der 74-Jährige aber geschnitten: Kein einziges Team gab sich der Verlockung hin, einfache Punkte abzustauben, sondern alle bewiesen geschlossen Einigkeit.

Der Umkehrschluss lautet: Wenn es die sieben Teams, die bis auf Red Bull von den fünf in der neuen 'Engine Manufacturers Association' zusammengeschlossenen Herstellern unterstützt werden oder mit ihnen in Verbindung stehen, geschafft haben, in Indianapolis ohne Rücksicht auf den eigenen Nachteil an einem Strang zu ziehen, was bedeutet das dann für den hinter den Kulissen tobenden Formel-1-Machtkampf? Denn in einem Punkt sind sich alle sicher: Wenn die Hersteller zusammenhalten, ist ihr Einfluss größer als Ecclestone zugeben will...