• 22.10.2007 15:55

Todt: Wussten, dass wir es ohne Michael schaffen können

Der Ferrari-Rennleiter im ausführlichen Mediengespräch über den Titelgewinn in Sao Paulo, das Rennen, die Saison und die Zukunft des italienischen Rennstalls

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Was sagen Sie zu dem heutigen Tag?"
Jean Todt: "Alles war perfekt. Pole Position, während des Rennens die schnellste Runde. Das Team leistete fantastische Arbeit. Felipe leistete in Bezug auf das endgültige Ergebnis für Kimi großartige Unterstützung."

Titel-Bild zur News: Jean Todt und Kimi Räikkönen

Jean Todt und Kimi Räikkönen: Unerwarteter Freudentaumel in Sao Paulo

"Kimi war außergewöhnlich. Das Auto war sehr stark, das Team war sehr stark. Wir hatten nicht erwartet, die Saison so zu beenden. Neun Siege, neun Pole Positions - wir sind sehr glücklich.

Frage: "Haben Sie das Gefühl, dass der beste Mann dieses Jahr die Meisterschaft gewonnen hat?"
Todt: "Wissen Sie, ich hasse es zu sagen, was das Beste ist. Wir hatten ein paar Probleme, schlussendlich hatten wir zu viele Probleme mit der Zuverlässigkeit. Ich habe dies mehrere Male erwähnt. Am Ende war es lediglich Kimi, der die Fahrerweltmeisterschaft gewinnen konnte."#w1#

"Wir dürfen nicht vergessen, dass er in Japan 17 Punkte Rückstand hatte und heute einen Punkt Vorsprung hat. Er hat also in zwei Rennen 18 Punkte geholt. Jeder, der auf ihn gewettet hat, muss heute Abend glücklich sein. Ich habe nicht auf ihn gewettet, aber das Team hat fantastische Arbeit geleistet, so wie ich das schon zuvor gesagt habe."

"Ich habe nicht auf ihn gewettet." Jean Todt

"In gewisser Weise glaube ich an Fairness und er (der Titel) geht an das richtige Team und den richtigen Fahrer. Aber es sollte nicht ich sein, der das sagt."

Frage: "Es war ein bemerkenswertes Comeback in der zweiten Saisonhälfte. Haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt als Team aufgegeben, hatten Sie das Gefühl, dass es klappen kann?"
Todt: "Als wir uns nach den Rennen trafen, da habe ich immer gesagt, dass wir immer daran glauben, es zu schaffen, solange es rechnerisch nicht gelaufen ist. Das habe ich getan."

"Wie ich schon zuvor sagte, darf man nicht vergessen, dass Kimi das erste Rennen gewonnen hat und Felipe bei diesem ersten Rennen Probleme hatte. Wir waren also von Beginn der Meisterschaft an stark. Wir hatten zu viele Defekte, aber schlussendlich können wir heute Abend glücklich sein."

"waren also von Beginn der Meisterschaft an stark." Jean Todt

Frage: "Wie sieht nun Ihre Zukunft im Team aus?"
Todt: "Meine Zukunft im Team sieht so aus, dass ich mit ihnen heute Abend ein kurzes Abendessen verbringen werde, was schon geplant war. Ich muss später nach Europa fliegen, das ist also meine kurzfristige Zukunft."

Frage: "Was ist mit Ihrer langfristigen Zukunft?"
Todt: "Ich denke nicht, dass es die richtige Zeit ist, um dies zu beantworten."

Frage: "Wie viel bedeutet Ihnen dieser Titel?"
Todt: "Es ist fantastisch. Jeder Titel war fantastisch. Wir sind motiviert. Ich liebe das Team. Man muss sich einmal Kimi anschauen, wie er lächelt."

"Man muss sich einmal Kimi anschauen, wie er lächelt." Jean Todt

"Felipe lächelte nicht so, aber das kann man verstehen. Es war für ihn heute hart, dominant zu sein, und das Team und seinen Teamkollegen unterstützen zu müssen. Aber er hat es gemacht. Wir haben eine fantastische Truppe und dies ist die beste Belohnung, die ich haben kann."

Frage: "Das Team, das die diesjährige Weltmeisterschaft gewonnen hat, unterscheidet sich vom Team, das die letzte Weltmeisterschaft gewann. Was bedeutet dies in Bezug auf Ihre Zuversicht für die Zukunft dieses Teams, dass es Fortschritte erzielen kann?"
Todt: "Es war ein Übergangsjahr. Wir wussten, dass es eine andere Herausforderung werden würde, aber das mag ich. Wir wussten, dass wir alles hatten, um erfolgreich zu sein, und wir haben eine Menge aus dem gelernt, was wir in diesem Jahr nicht ordentlich gemacht haben, um kommendes Jahr besser zu sein."

Frage: "Haben Sie das Gefühl, dass Sie dieselben Zutaten mit Ross Brawn, Rory Byrne und Michael Schumacher hatten?"
Todt: "Wissen Sie, für mich ist das Faszinierendste ein Mensch. Und man vergleicht Menschen nicht miteinander. Ich werde also nicht Michael mit Kimi vergleichen, ich werde nicht Mario Almondo oder Aldo Costa mit Ross Brawn oder Rory Byrne vergleichen."

"Man vergleicht Menschen nicht miteinander." Jean Todt

"Aber sie haben Gemeinsamkeiten, sie sind Leute, die sich widmen, gewillt sind, mit Teamgeist ihr Bestes zu geben. Das Wichtigste ist, sicherzustellen, dass wir das Niveau haben. Und die Mentalität und die Entschlossenheit."

"Wir haben versucht herauszufinden, wo wir uns verbessern können, was im Verlauf des Wochenendes nicht gut genug lief und darauf liegt ein großer Fokus."

"Ich habe schon immer gesagt, dass wir keine Genies sind. Aber wir sind unter uns, ordentliche Leute ziehen an einem Strang in die richtige Richtung und das lässt uns schnell werden, selbst wenn wir manchmal die falsche Richtung einschlagen."

"Ich habe schon immer gesagt, dass wir keine Genies sind." Jean Todt

Frage: "Denken Sie, dass die Meisterschaft durch das, was dieses Jahr mit der 'Spionage-Affäre' geschehen ist, befleckt ist?"
Todt: "So etwas ändert sich. Du wirst älter, weil die Zutaten anders sind. Ich habe immer gesagt, dass das, was dieses Jahr passiert ist, etwas ist, von dem ich nie erwartet hatte, dass es passieren kann."

"Ich bin über diese unnötige Geschichte sehr verbittert, dass unser Hauptgegner nicht die Perspektive hatte, dies zu stoppen, als sie es hätten stoppen können. Dies ist der Grund, warum ich dagegen kämpfen musste."

"Ich bin über diese unnötige Geschichte sehr verbittert." Jean Todt

"In gewisser Weise kämpfen wir außerhalb der sportlichen Welt nach wie vor dagegen, aber dies ist etwas, das ich nicht erwarten konnte. Ich wusste nicht, dass es existieren könnte, aber manchmal lernt man vielleicht dazu."

"Vielleicht ist man in Bezug auf gewisse Dinge etwas naiv, aber wir mussten in Bezug auf die sportliche Situation weiter machen. Und wenn man weiter macht, dann muss man versuchen, Rennen zu gewinnen und nach Möglichkeit Erster und Zweiter zu sein. Wir haben die beiden Dinge immer voneinander getrennt."

"Vielleicht ist man in Bezug auf gewisse Dinge etwas naiv." Jean Todt

Frage: "War es aus diesem Grund für Sie wichtig, dass Sie nun auch rechnerisch die Konstrukteurswertung gewonnen haben?"
Todt: "Um absolut ehrlich zu sein, das zählte. Ich wusste, dass wir gewonnen haben, aber ich wusste, dass immer gesagt werden würde, dass wir nur wegen der Entscheidung und nicht dank der sportlichen Ergebnisse gewonnen haben. Ich würde also sagen, dass es so besser ist. Dass es auf eine normale Art und Weise geschafft wurde."

Frage: "Sie haben viele Erfolge mit finnischen Fahrern im Rallye-Sport erzielt. Wie viel größer ist dieser Erfolg?"
Todt: "Wissen Sie, ich sehe nicht die Farbe der Jungs oder die Nationalität in ihrem Ausweis. Wichtig zu sehen ist das, was du in deinem Kopf hast, und deine Einstellung. Kimi ist ein großartiger Junge. Er hat eine ordentliche Einstellung, die richtige Mentalität und er wird durch das Team stark unterstützt. Er tat das, was er für das Team tun musste. Es ist eine sehr gute Kombination."

"Kimi ist ein großartiger Junge." Jean Todt

Frage: "Dachten Sie zu Beginn der Saison angesichts des Fahrerwechsels und der neuen Struktur des Teams, dass Sie dieses Jahr beide Weltmeisterschaften gewinnen können, oder erst in zwei oder drei Jahren?"
Todt: "Wir begannen die Saison und versuchten zu gewinnen, denn es gab keinen bedeutenden Grund, warum wir nicht das erreichen sollten, was wir wollten. Wir wissen, wie schwierig es ist. Wir haben eine sehr harte Meisterschaft durchlebt, aber die Ambitionen waren vom ersten Rennen an klar gewesen."

Frage: "Kimi stand schon zuvor nah davor, die Weltmeisterschaft zu gewinnen, aber er hat es nie geschafft. Man sagt, dass ein Fahrer zuversichtlicher wird, wenn er einen WM-Titel gewinnt. Können Sie sich vorstellen, dass Kimi in seiner Rolle wächst und kommendes Jahr reifer und zuversichtlicher wird?"
Todt: "Man verändert sich definitiv über die Jahre. Ein Formel-1-Fahrer möchte mindestens einmal Weltmeister werden. Das hat er erreicht und ich bin mir sicher, dass er erneut versuchen wird, ihn zu gewinnen."

"Felipe hat es nicht geschafft und er wird es ebenfalls versuchen, wie andere Fahrer auch. Aber es hängt stark vom Auto ab, das wir den Fahrern zur Verfügung stellen."

"Definitiv haben wir zwei Fahrer, die in der Lage sind, Rennen zu gewinnen, wenn sie ein gutes Auto haben. Es ist also Sache des Teams, in der Lage zu sein, ihnen ein zuverlässiges und starkes Auto zu geben. Und dann können es beide schaffen."

Frage: "Wie wichtig ist es, die Nummer 1 zurück bei Ferrari zu haben?"
Todt: "Um ehrlich zu sein, es ist für mich wichtig, die Weltmeisterschaft zu gewinnen, weniger, die Nummer zu haben. Manchmal hat man eine Nummer, die nicht mit deiner Position übereinstimmt. Das interessiert mich nicht allzu sehr."

Frage: "Haben Sie schon etwas von Michael Schumacher gehört?"
Todt: "Ich sprach vor dem Start des Rennens mit Michael. Ich war etwas gestresst und bekam plötzlich eine Menge SMS-Mitteilungen und hatte nicht die Zeit, sie alle zu lesen. Ich bin mir sicher, dass eine der Mitteilungen von ihm ist. Ich sprach mit Ross, er rief mich an."

Frage: "Was sagten Sie zu Räikkönen, nachdem er die Ziellinie überquert hatte?"
Todt: "Dass er Weltmeister ist und dass es großartig ist. Und wir sind sehr stolz auf ihn, auf ihn und auf das Team."

Frage: "Es lag während der vergangenen zehn Jahre ein großer Fokus auf Michael. War es wichtig, so schnell mit einem anderen Fahrer zu gewinnen?"
Todt: "Wissen Sie, vielleicht ist es eine Schwäche von mir selbst, aber ich beachte nicht allzu sehr, was gesagt wird. Ich weiß, dass es nicht wahr ist, die meiste Zeit über."

"Und Michael - er war 2005 fantastisch. Er gewann lediglich ein Rennen, weil die anderen am Start des Rennens nicht teilnahmen. Bedeutet dies, dass die anderen nicht motiviert waren?"

"Einfach gesprochen haben wir ihm zusammen mit Bridgestone nicht das Paket gegeben, das es ihm erlaubt hätte zu gewinnen. Michael kam 1996 zu Ferrari, nachdem er zum zweimaligen Weltmeister wurde, und er schaffte es kaum, drei Rennen zu gewinnen. Warum? Einfach weil das Auto nicht ausreichend gut oder zuverlässig war."

"Denken Sie also nicht, dass Michael alles alleine gemacht hat, er hat zum Team einen großen Beitrag geleistet, aber ohne das Team wäre er nicht in der Lage gewesen, viel zu erreichen."

"Denken Sie also nicht, dass Michael alles alleine gemacht hat." Jean Todt

Frage: "War es wichtig, mit einem anderen Fahrer zu gewinnen?"
Todt: "Wie ich schon gesagt habe, wir wussten, dass wir Fahrer haben, mit denen wir es schaffen können, wenn wir ihnen das Auto und die Zuverlässigkeit zur Verfügung stellen."

Frage: "Fällt es Ihnen nach diesem Erfolg leichter, eine Entscheidung über Ihre Zukunft im Team zu fällen?
Todt: "Das endgültige Ergebnis wird meine persönlichen Entscheidungen nicht beeinflussen."