• 22.10.2007 12:58

König Kimi: Krönung mitten in der Nacht

Kimi Räikkönen holt seinen ersten WM-Titel, Silberpfeile denken an Berufung - Hamilton denkt voraus: "Ich probiere es wieder"

(Motorsport-Total.com/sid) - Als Formel-1-Weltmeister Kimi Räikkönen längst in die brasilianische Nacht verschwunden war, geriet sein WM-Titel plötzlich nochmal in Gefahr. An der Rennstrecke in Sao Paulo wurde noch sechs Stunden nach dem Saisonfinale 2007 ermittelt und um das Ergebnis gestritten. Drei Fahrern drohte wegen einer Benzin-Affäre die Disqualifikation, was den eigentlich bereits geschlagenen Silberpfeil-Piloten Lewis Hamilton nachträglich doch noch zum jüngsten Weltmeister aller Zeiten gemacht hätte.

Titel-Bild zur News: Kimi Räikkönen

Kimi Räikkönen am Ziel seiner Träume: Formel-1-Weltmeister im 1. Ferrari-Jahr

Über die Fernsehschirme im Pressezentrum flimmerte gerade die dritte Wiederholung des Rennens, als der Automobil-Weltverband FIA das Urteil verkündete. Williams-Pilot Nico Rosberg (Wiesbaden) sowie die beiden BMW-Teamkollegen Robert Kubica (Polen) und Nick Heidfeld (Mönchengladbach), die beim Brasilien-Grand-Prix auf den Plätzen vier, fünf und sechs gelandet waren, wurden nicht bestraft.#w1#

McLaren-Mercedes hat dagegen fristgerecht innerhalb einer Stunde Berufung angekündigt, die jetzt schriftlich eingereicht werden muss. Die ganze Angelegenheit könnte sich noch über Wochen hinziehen. Dass der "Gladiator aus Eis" (Tuttosport über Räikkönen) seinen ersten Titel am grünen Tisch noch verlieren könnte, bezeichnete Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo als "unnötigen Stress"

Wechselbad der Gefühle

Es war 21.55 Uhr in Sao Paulo, in Europa also mitten in der Nacht (1.55 Uhr), als "Kimi I."auch offiziell zum Formel-1-König gekrönt wurde. Wäre das Benzinsünder-Trio ausgeschlossen worden, hätte sich Hamilton vom siebten auf den vierten Platz verbessert. Dadurch wäre der 22-jährige Brite mit zwei Zählern Vorsprung auf Räikkönen doch noch Weltmeister geworden. So hatte der Ferrari-Star, der das Rennen vor seinem Teamkollegen Felipe Massa (Brasilien) gewann, mit einem Punkt mehr als Hamilton (110:109) die Nase vorn.

Fakt ist, dass ein Regelverstoß vorlag, der nicht geahndet wurde. Die Rennleitung entnimmt bei der technischen Abnahme nach jedem Grand Prix Benzinproben. Dabei geht es um die Legalität der chemischen Zusammensetzung und um die Temperatur, die laut Artikel 6.5.5. des technischen Reglements der FIA nicht mehr als zehn Grad Celsius von der Außentemperatur abweichen darf. Doch laut des Berichts des technischen FIA-Delegierten Jo Bauer (Rosenheim) betrug die Abweichung über die Toleranz von zehn Grad hinaus bei allen drei Fahrern zwischen zwei und vier Grad.

Hamilton, der nach einem Fahrfehler in der ersten Runde und einem Schaltproblem am Silberpfeil früh vom Titelkurs abgekommen war, wurde telefonisch über das Nachspiel informiert. Zu diesem Zeitpunkt war der Brite mit der Familie längst im Hotel. "Es ist enttäuschend, nach monatelanger Führung den Titel im letzten Rennen zu verpassen", hatte der 22-Jährige vor seiner Abreise gesagt.

Als Hamilton mit defektem Getriebe 30 Sekunden langsam über die Strecke rollte, schwand auch Mercedes-Sportchef Norbert Haug die Hoffnung: "Da wusste ich, das kann schiefgehen." Dennoch habe er sich bis zum Schluss an einen Strohhalm geklammert: "Man wartet, dass noch ein Wunder passiert. In der Formel 1 ist alles möglich."

Hamilton hat "genügend Zeit"

Drei Rennen zuvor hatte Hamilton noch 17 Punkte Vorsprung auf Räikkönen und sah schon wie der kommende Weltmeister aus. Erst die Reifenpanne und sein anschließender Ausrutscher ins Kiesbett in Schanghai sowie die bittere Pleite in Sao Paulo gaben dem Titelrennen eine unverhoffte Wende. Der Neuling will sich davon nicht entmutigen lassen. "Ich probiere es im nächsten Jahr wieder. Ich bin jung und habe genügend Zeit, meinen Traum vom WM-Titel zu verwirklichen."

Hamilton musste auch Kritik einstecken. "Wäre er hinter Alonso geblieben, wäre er jetzt Weltmeister. Das war der entscheidende Fehler. In der ersten Kurve hat er den WM-Titel weggeschmissen", sagte Premiere-Experte Hans-Joachim Stuck. Hamiltons Teamkollege Fernando Alonso belegte letztlich den dritten Platz. Das reichte aber nicht, um den Titel-Hattrick zu schaffen. Der Spanier kam wie Hamilton auf 109 Zähler und musste sich mit einem zweiten Platz weniger mit Position drei in der Endabrechnung begnügen.

McLaren-Teamchef Ron Dennis versuchte, die peinliche Niederlage schönzureden. "Wir müssen es sportlich akzeptieren. Das werden wir auch tun. Es ist nicht dieses eine Rennen, man muss das ganze Jahr betrachten. Wir hatten eine tolle Saison", meinte der Brite.

Doch die Realität sieht anders aus: Aberkennung aller WM-Punkte in der Konstrukteurs-Wertung und 100 Millionen Euro Geldstrafe wegen der Spionage-Affäre und jetzt die Fahrer-Krone leichtfertig verspielt - für McLaren-Mercedes war die Saison ein Desaster auf der ganzen Linie.

Schadenfreude in Spanien

Die spanischen Medien machten den internen Streit bei McLaren dafür verantwortlich, dass Alonso seinen Titel verlor. "Ferrari ist eine Mannschaft, McLaren eine Bande", kommentierte der Radiosender Copa. Ganz unverhohlen freute sich die Sportzeitung AS über die "süße Niederlage' und darüber, dass auch Alonso-Konkurrent Hamilton den Titel verpasst hatte.

Sogar Mika Häkkinen, 1999 letzter Weltmeister im Silberpfeil, ging mit seinem einstigen Arbeitgeber hart ins Gericht. "Sie müssen ein besseres Auto entwickeln. Dieses Jahr war in vielerlei Hinsicht ein Schock. Lasst uns hoffen, dass das kommende Jahr besser sein wird." Auf der anderen Seite freute sich der Mercedes-DTM-Pilot natürlich für seinen Landsmann Räikkönen: "Ich bin für Kimi sehr glücklich, ein großartiges Ergebnis."

Ralf Schumacher, der im letzten Rennen für Toyota Elfer wurde, war fassungslos über den WM-Ausgang. "Unglaublich. Da sieht man, wie es sein kann, wenn in einem Team keine Ruhe herrscht und wenn nicht alles nach Plan läuft. Dann geht meistens alles schief", sagte der Kerpener.