Todt fordert eine Revolution in der Formel 1

Der Ferrari-Teamchef fordert gravierende Maßnahmen zur Kostensenkung und spricht über China als Zukunftsmarkt

(Motorsport-Total.com) - Während hinter den Kulissen die Diskussionen um ein neues Reglement für die kommenden Jahre weitergehen, die auf dem Tisch liegenden Änderungsvorschläge jedoch bestenfalls gut gemeinte Kosmetik sind, wenn es um die Frage der Kostensenkung geht, pocht Ferrari-Teamchef Jean Todt darauf, dass die Formel 1 unbedingt eine weitreichende Revolution braucht.

Titel-Bild zur News: Ferrari-Teamchef Jean Todt

Jean Todt ist diese Woche für Ferrari quer durch China unterwegs

Der Franzose musste zu Beginn dieses Jahrzehnts mit ansehen, wie sein Landsmann und Freund Alain Prost trotz eines Ferrari-Motorendeals seinen Rennstall zusperren musste, erlebte wenig später die Ohnmacht von Arrows und vor knapp zwei Wochen den Ford-Rückzug. Todt ist sich daher dessen bewusst, dass drastische Maßnahmen ergriffen werden müssen, und kündigte an, diese auch unterstützen zu wollen - eine mit Skepsis zu betrachtende Aussage.#w1#

"Die Budgets der Teams sind riesig", erklärte er in Shanghai. "Wenn wir die Kosten wirklich senken wollen, brauchen wir eine echte Revolution in der Formel 1. Zu sagen, weniger Tests reichen schon aus, ist idiotisch. Jedes Team hat 800 bis 1.000 Angestellte auf der Lohnliste und da bedarf es großer Investitionen, wenn man wettbewerbsfähig sein will. So ist die Formel 1 heute - jedes Team kennt sein Ausgabenlimit. Ich wiederhole daher: Wir brauchen eine Revolution."

Drei Autos für Ferrari nur ein Notfallszenario

Angesichts des drohenden Szenarios von nur noch neun oder gar sieben Teams in der kommenden Saison, falls sich auch Minardi und Jordan zurückziehen sollten, würde jeder Rennstall ab Melbourne 2005 drei Fahrzeuge einsetzen müssen, damit den TV-Stationen die zugesicherten 20 Autos pro Rennen geliefert werden können. Ferrari ist prinzipiell dazu bereit, diesen Schritt zu machen, sieht dies aber nicht als Ideallösung an.

"Wenn es nächstes Jahr keine 20 Autos mehr gibt, dann müssen die Teams ein drittes Auto einsetzen, um diese Zahl zu erreichen", erklärte Todt. "In diesem Sport haben wir aber schon so oft Dinge gehört, die dann nicht eingetreten sind. Es steht ja noch nicht fest, dass wir nächstes Jahr keine zehn Teams mehr haben werden. Vielleicht kauft jemand Jaguar. Ich verstehe, dass für sie - genau wie für Jordan und Minardi - die Situation schwierig ist, aber ich bleibe lieber optimistisch."

Ferrari ist von den finanziellen Sorgen mancher Beteiligten in der Formel 1 ohnehin nur am Rande betroffen, denn die Italiener verfügen nach wie vor über mit das größte Budget. Zwar ist der Mutterkonzern von Ferrari, Fiat, wirtschaftlich angeschlagen, doch das Rennteam ist davon fast unbeeinflusst, zumal die weitgehend unabhängige Ferrari/Maserati-Gruppe nur Luxusfahrzeuge herstellt und damit erfolgreicher ist als Fiat mit seiner Massenproduktion.

Ferrari verkauft nur 50 Autos pro Jahr nach China

Aus marktwirtschaftlicher Sicht war der Sieg von Rubens Barrichello am vergangenen Wochenende in Shanghai der bisher wichtigste in diesem Jahr, denn kein anderes Land verfügt für die Automobilindustrie über so großes Wachstumspotenzial wie China. Im Moment verkauft Ferrari pro Jahr nur rund 50 Fahrzeuge ins Reich der Mitte - eine Zahl, die bei 1,3 Milliarden Chinesen schon bald explodieren könnte.

Daher ist diese Woche eine Ferrari-Delegation unterwegs, um Promotion zu machen: "Es stimmt, wir machen eine PR-Tour durch China", so Todt, der gestern aus eben diesem Grund einen Auftritt in Hong Kong hatte. "Es ist noch ein langer Weg, alles befindet sich in der Aufbauphase. Wir müssen jetzt ein Netzwerk aus Konzessionshaltern und Händlern aufbauen, aber wir müssen für all diese Dinge erst einmal die richtigen Leute finden."

Zu diesem Zweck hat Ferrari ein Joint Venture mit zwei großen chinesischen Partnern errichtet - einerseits mit der Firma 'Italian Motors' aus Hong Kong, andererseits mit einer Industriellengruppe. Todt betonte, dass man Ziele habe, sich der Erfolg aber nicht über Nacht einstellen könne: "Es ist so viel zu tun. Bis jetzt verkaufen wir jährlich 50 Autos hier. Der Markt hat mit 1,3 Milliarden Einwohnern gigantisches Potenzial, auch wenn sich die meisten davon keinen Ferrari oder Maserati leisten können."