Symonds: "Keine unerfolgreiche Saison"
Der Chefingenieur von Renault über den Saisonverlauf, die neuen Regeln und die Zusammenarbeit mit Jacques Villeneuve
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Die neuen Regeln sind jetzt bestätigt, das Paket zwei wurde für die Jahre 2005 und 2006 ausgewählt. Das bedeutet, dass nächstes Jahr die Motoren schon zwei Rennwochenenden überstehen müssen, 2006 kommen dann 2,4-Liter-V8-Motoren. Was sagst du dazu, Pat?"
Pat Symonds: "Die Regeln sind genau wie erwartet, da gibt es keine Überraschungen. Wir haben diese Veränderungen insgesamt unterstützt, denn es musste motorenseitig etwas getan werden, um die Leistung zu verringern. Ich denke, das ist gelungen, und gleichzeitig wurde alles mit kostensparenden Maßnahmen kombiniert. Alles in allem ist das also ein gutes Paket."

© Renault
Pat Symonds sieht die Saison 2004 durchaus als erfolgreich an
Frage: "Am Freitagmorgen wurde im Meeting der Teamchefs wieder die Möglichkeit der Drei-Auto-Teams angesprochen. Wie wahrscheinlich ist es, dass das passieren wird?"
Symonds: "Ich denke, wir rücken diesem Szenario immer näher, aber wie alles ist es eine zweigeteilte Entscheidung, denn entweder passiert es oder es passiert nicht. Das wissen wir bis zur letzten Minute nicht. Die Schwierigkeit, ein drittes Auto einzusetzen, sollte nicht unterschätzt werden. Natürlich haben wir diesbezüglich schon Erfahrung, als wir letztes Jahr unter dem Heathrow Agreement gearbeitet haben. Es ist erstaunlich, wie sehr die Dinge dadurch in die Höhe getrieben werden. Es ist schon schwierig, zwei Autos zu koordinieren, aber drei, das macht es noch einmal schwieriger. Die Kosten steigen auch. Einerseits muss man mehr Teile bauen, das ist klar, aber man braucht auch mehr Personal an der Rennstrecke und mehr Leute in der Fabrik, die notfalls auf Abruf bereitstehen. Dann sind da auch einfache Dinge, zum Beispiel Modifikationen der Trucks, die es zu bedenken gilt. Wie es im Moment aussieht, ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir 2005 mit drei Autos fahren müssen, recht hoch, für 2006 aber sehr gering. Das würde so viel Arbeit für ein einziges Jahr bedeuten."#w1#
Nur der WM-Titel zählt für Symonds
Frage: "Ihr habt euch in der Weltmeisterschaft um einen Platz verbessert, ihr habt ein Rennen gewonnen, eine Pole Position geholt, habt den Sprung auf das Podium geschafft und trotzdem gibt es ein Gefühl der Enttäuschung. Wie zufrieden bist du mit der Saison 2004?"
Symonds: "Ich werde immer enttäuscht sein, wenn wir nicht Weltmeister werden, denn dafür sind wir hier. Es besteht der Eindruck, dass wir kein gutes Jahr hatten, was so natürlich nicht richtig ist. Wir haben ein Rennen gewonnen, waren auf dem Podium, haben einen Platz in der Weltmeisterschaft aufgeholt und sind vor allem von den Punkten her viel näher dran als 2003. Es war keine unerfolgreiche Saison. Was ich an Renault mag, ist die Fähigkeit zur Selbstkritik. Wir verstecken unsere Gefühle nicht vor der Öffentlichkeit und der Presse. In vielerlei Hinsicht haben wir unsere Erwartungen nicht erfüllen können, aber deshalb wollen wir uns noch mehr anstrengen. Es war wie gesagt keine unerfolgreiche Saison. Jedes Team, welches Platz drei in der Weltmeisterschaft belegt - und ich erinnere daran, dass sie noch nicht vorbei ist -, sollte stolz sein."
Frage: "Euer Auto mit der Nummer sieben hat seit sieben Rennen, seit Frankreich, keine Punkte mehr geholt. Ein Team eures Kalibers kann so etwas nicht passieren lassen. War es im Nachhinein ein großer Fehler, dass ihr das zugelassen habt?"
Symonds: "Wir haben das nicht absichtlich zugelassen, und wir hatten auch nie diese Absicht. Es gab einige Angelegenheiten und obendrein würde ich sagen, es war ein Jahr der verpassten Gelegenheiten. Es gab Rennen - Kanada, Indianapolis, Spa -, in denen wäre ein extrem gutes Resultat möglich gewesen. In Kanada hätten wir unbedingt gewinnen können, und bei den anderen beiden Rennen waren wir auch ganz vorne dabei. Ein paar Mal hat uns die Zuverlässigkeit im Stich gelassen, einmal auch ein Unfall. Es stimmt, dass das eine Auto keine großartige zweite Saisonhälfte hatte. Sie fragen, warum wir das zugelassen haben. So etwas lässt man nicht zu. Man versucht alles, um beide Autos so weit wie möglich vorne zu haben."
Über Villeneuve: "Dieser Bursche arbeitet sehr hart"
Frage: "Wie beurteilst du die Performance von Jacques Villeneuve? In Suzuka waren es sicher außergewöhnliche Umstände, aber auf beide Rennen betrachtet ist eine Einschätzung sicher möglich."
Symonds: "Ich habe Jacques nicht gut gekannt, bevor er zu uns gestoßen ist. Ich habe mich ein paar Mal mit ihm unterhalten, damals, als er auf der Liste potenzieller Renault-Piloten ziemlich weit oben stand. Sein Ruf in der Presse ist, dass er alles sehr entspannt angeht, fast undiszipliniert, aber ich muss sagen, das stimmt überhaupt nicht. Dieser Bursche arbeitet sehr hart und für solche Menschen habe ich allerhöchsten Respekt. Beim ersten Test in Silverstone hat es mich ein bisschen aufgeweckt, als er sagte, 'Okay, das war keine großartige Zeit, aber immer noch zwei Sekunden schneller als ich je zuvor hier gefahren bin'. Wenn man sich vor Augen führt, dass das erst ein Jahr her ist, hat man einen guten Gradmesser für die Fortschritte, die inzwischen gemacht wurden. Körperlich hatte er es auch nicht einfach, denn ganz egal, wie hart man trainiert, nichts kann das Fahren mit einem Rennauto ersetzen. Er musste sich an die Reifeneigenschaften gewöhnen, was ihm jetzt gelungen ist, denke ich. Letzte Woche haben wir ihn zum Testen nach Jerez geschickt, und heute hat er eine ganz gute Leistung erbracht. Es war also wie gesagt nicht einfach für ihn, aber er hat zweifellos großes Talent."
Angenehmer zu fahrendes Auto ist nicht das Ziel
Frage: "Eure Fahrer sagen, dass der R24 schwer zu fahren ist. Ist es euch wichtig, ein angenehmer zu fahrendes Auto zu bauen?"
Symonds: "Nein, in erster Linie wollen wir es schneller machen. Es stimmt zwar, dass unser 2004er-Auto schwieriger zu fahren ist als das 2003er, aber wenn ich Fernando fragen würde, ob ihm ein angenehm zu fahrendes oder ein schnelles Auto lieber ist, dann denke ich, kennen wir alle die Antwort."
Frage: "Künftig darf nur noch ein Reifensatz für Qualifying und Rennen verwendet werden. Wird es dann größere Tanks geben, wird es keine Boxenstopps mehr geben? Was passiert, wenn jemand einen Reifenschaden hat, darf dann gewechselt werden? Da gibt es viele Grauzonen..."
Symonds: "Natürlich werden die Reifen weniger schnell verschleißen, aber es wird keine Ein-Stopp-Rennen geben deswegen. Man darf nicht verallgemeinern und sagen, dass es überall einen Stopp weniger geben wird, obwohl das natürlich auf manchen Strecken zutreffen kann. Die Reifen sind natürlich eine komplizierte Geschichte, aber die FIA hat uns eine Basis vorgeschlagen und jetzt liegt es an uns, die Details zu klären. Die FIA ist aber sehr gut darin, einen Missbrauch der Regeln zu unterbinden. Wenn ein Team ständig mit Reifenschäden an die Box kommen müsste, würde sich das die FIA sicher sehr genau anschauen."
Frage: "Dass ihr Jacques an Bord geholt habt, war ein großes Risiko für ihn und ein großes Risiko für das Team. Ihr habt jetzt einen Einblick in seine Leistungen bekommen. Wie fällt die Beurteilung aus?"
´Symonds: "Es gab eine Situation, in der wir uns über das zweite Auto Gedanken machen mussten, weil keine Punkte mehr geholt wurden. Ich will niemandem die Schuld daran geben. Ich würde gerne verstehen, was da alles falsch gelaufen ist, aber als Ingenieur tut man sich mit der menschlichen Seite der Dinge manchmal ein bisschen schwer. Jarno ist ein toller Kerl, wirklich eine der angenehmsten Erscheinungen im Rennsport. Er hat Fantastisches für uns geleistet, aber aus irgendeinem Grund funktionierte es auf einmal nicht mehr. Wenn man bei der Analyse der Situation zu dem Schluss kommt, dass es sowieso nur noch besser und nicht mehr schlimmer kommen kann, dann geht man ein Risiko ein."
Knappe Entscheidung zwischen Montagny und Villeneuve
"Die Entscheidung zwischen unserem Testfahrer Franck Montagny und Jacques Villeneuve ist uns nicht leicht gefallen. Franck hat beim Testen einen sehr guten Job gemacht und vor allem in letzter Zeit kommt er immer besser mit dem Auto zurecht. Er hätte sich sicher auch sehr gut geschlagen. Die Sache mit Jacques haben wir vielleicht ein bisschen unterschätzt, weil alles so kurzfristig gekommen ist, aber ich schätze ihn sehr für seine Arbeitseinstellung. Er hat an sich gearbeitet, aber die Umstände haben sich ein bisschen gegen ihn verschworen. Japan ist zum Beispiel eine Strecke, auf der er selbst sehr gut ist, aber wir haben sein Setup nicht ganz hinbekommen, weil wir ihn nicht so gut kennen. Es dauert eine Weile, bis es eine echte Beziehung zwischen Ingenieuren und einem Fahrer gibt, aber er hat hier schon gezeigt, dass er gut fahren kann, und ich traue ihm ein starkes Rennen zu. Zu sagen, er hat eine große Zukunft vor sich, wäre Blödsinn, aber er hat schon alles bewiesen. Ich denke, dass er es noch drauf hat."
Frage: "Was war euer Highlight der Saison, oder die witzigste oder außergewöhnlichste Geschichte?"
Symonds: "Highlight war natürlich der Sieg in Monaco. Tiefpunkte waren unsere Ausfälle in aussichtsreicher Position, aber auch der Zeitpunkt, als wir zum ersten Mal realisiert haben, um wie viel schneller Ferrari ist."
Motorenkosten sind ab 2005 nicht halbiert
Frage: "Durch das neue Motorenreglement werden die Kosten für die Motoren nach Däumchenrechnung halbiert. Besteht die Möglichkeit, durch Kundenmotoren zusätzliches Einkommen zu generieren?"
Symonds: "Diese Rechnung ist zwar nicht falsch, aber zu sehr vereinfacht, das einmal vorweg. Von all den Motoren, die wir für eine Saison produzieren, verwenden wir nur wenige während der Rennen. Viele davon verwenden wir bei Tests oder auf Prüfständen. Es stimmt, es hilft, aber wir halbieren damit unsere Motorenausgaben nicht und sind auch nicht einmal annähernd in diesem Bereich."
Frage: "Würdet ihr es in Betracht ziehen, ein zweites Team auszurüsten?"
Symonds: "Es hat Vorteile, ein zweites Team auszurüsten. Es gibt aber auch Nachteile zu bedenken. Ein Team muss einen gewissen Standard erfüllen, wenn es einen Motor von Renault, Ferrari oder Toyota haben will. Dann wird es leichter. Der Motor alleine kann nicht einen Schalter umlegen und plötzlich alles besser machen, es wäre aber vielleicht ein Schritt in die richtige Richtung."
Frage: "Wie viele Motoren baut ihr pro Jahr?"
Symonds: "Ich würde sagen, in etwa 150. Viele davon werden aber wie gesagt nur bei den Tests und am Prüfstand verwendet."

