• 15.10.2011 19:58

  • von Rencken, Hust, Nimmervoll, Ziegler & Helgert

Suzuka reloaded: Die Reifen sorgen für Kopfzerbrechen

Nur eine Woche nach dem "reifenmordenden" Japan-Grand-Prix befürchten wieder einige Teams den schnellen Abbau der Pneus, andere wiederum geben sich gelassen

(Motorsport-Total.com) - Die Situation rund um das "schwarze Gold" ist nach dem Rennen in Suzuka eine Woche später wieder einmal etwas diffus. War die starke Abnutzung der Reifen in Japan noch offensichtlich, so gibt sie in Südkorea noch Rätsel auf. Einige Teams haben diesbezüglich große Sorgenfalten, andere wiederum geben sich betont entspannt.

Titel-Bild zur News: Pirelli-Reifen

Die Pirelli-Reifen könnten erneut das Zünglein an der Waage sein

Red Bull hat sogar solch großen Respekt vor den superweichen Reifen, dass man diese schon vor dem dritten Qualifying zum Einsatz brachte, um für das Rennen neue Sätze der härteren Variante zu haben - für ein Top-Team ein wirklich außergewöhnlicher Schritt. Denn das Speed-Plus der weicheren Gummis braucht ein Top-Auto vor allem im ersten Durchgang nicht.

"Der superweiche Reifen scheint der schnellere zu sein, doch keine der beiden Mischungen ist allzu langlebig", ist Martin Whitmarsh, Teamchef von McLaren-Mercedes, aufgefallen. "Das müssen wir am Sonntag im Hinterkopf haben und entsprechend vorgehen."

Der verregnete Freitag verkompliziert die Situation

Doch so ganz klar ist auch für den Briten das Bild nicht, denn der verregnete Freitag hat dazu geführt, dass es an Erfahrungswerten im Trockenen mangelt: "Normalerweise können wir freitags und samstags ziemlich viele Hausaufgaben erledigen. Dieses Mal stand uns dafür nur wenig Streckenzeit zur Verfügung. Wir haben also nicht viele Daten. Das Rennen dürfte daher ziemlich dynamisch werden, denn die Strecke wird sich weiter dramatisch entwickeln."

"Ich denke, alle befürchteten einen recht großen Verschleiß bei den Reifen", ergänzt Lewis Hamilton. "Bei den Longruns von Red Bull sah es aber gar nicht so dramatisch aus. Die Leistung über eine schnelle Runde hält länger an als die Spezialisten erwartet hatten. Am Sonntag wird es also ähnlich laufen wie schon beim vergangenen Rennen, denke ich. Die Pneus lassen nicht so rasch nach. Es sollte okay sein. Ich rechne eher mit zwei bis drei Stopps und nicht mit vier Reifenwechseln. Das wird wohl nicht passieren."


Fotos: Großer Preis von Südkorea, Samstag


Mercedes-Pilot Nico Rosberg gehört hingegen zu jenen, die einen überdurchschnittlichen Reifenverbrauch erwarten: "Aus der Sicht der Reifen dürfte es ein interessanter Grand Prix werden. Vermutlich stehen viele Boxenstopps an. Ich bin aber zuversichtlich, dass unsere Jungs in den Boxen einmal mehr gute Arbeit leisten werden."

Ferrari hofft sogar auf erhöhten Reifenverschleiß

Gegen einen erhöhten Reifenverschleiß wie in Suzuka hätte insbesondere Ferrari nichts - denn dort konnte man sogar um den Sieg mitfahren, weil der italienische Renner reifenschonender ist als die direkte Konkurrenz: "Wenn die Abnutzung der Reifen sehr hoch ist, sind wir für gewöhnlich gut in Form. Im Rennen erwarten wir viel Reifenverschleiß. Hoffentlich spielt uns das ein bisschen in die Karten. Hier ist die Situation jedoch nicht völlig klar, denn das Verhalten der superweichen Reifen und mit vollen Tanks ist immer noch eine unbekannte Größe."

Teamkollege Felipe Massa erwartet im Rennen keinen erhöhten Reifenverschleiß: "Als wir in diesen Grand Prix gingen, gab es eine Menge Sorgen über die Abnutzung der Reifen, aber zumindest scheint diese auf Basis des heute gesehenen deutlich weniger stark zu sein als erwartet.

Auch Ferrari dachte über Red-Bull-Strategie nach

Alonso verrät, dass auch Ferrari darüber nachgedacht hatte, wie Red Bull den superweichen Reifen bereits in den ersten beiden Qualifying-Einheiten einzusetzen: "Wir hatten in Betracht gezogen, diesen Reifen von Beginn des ersten Qualifying-Durchgangs an zu verwenden, aber dann entschieden wir uns dazu, nicht allzu viele Risiken einzugehen."

Vettel setzt auf die härteren Reifen

"Wir haben uns alle unsere härteren Reifen aufgespart, was meiner Meinung nach morgen entscheidend sein wird", gibt sich Vettel überzeugt. "Die Strategie war anders als in den sonstigen Qualifying-Sessions. Wir sind im ersten Abschnitt schon mit den weichen Reifen gefahren, haben die dann nochmal gebraucht im zweiten Anlauf. Es ist ein langes Rennen, es können viele Dinge passieren, und meiner Meinung nach wird die Abnutzung der Reifen entscheidend sein."

Vettel gibt zu, dass ihn diese Strategie - mit den gebrauchten superweichen Reifen auch im zweiten Durchgang zu fahren -, ein wenig nervös gemacht hat: "Im ersten Durchgang habe ich mal gedacht, das wird vielleicht ein bisschen eng, aber es war genug Luft. So haben wir uns alle harten Reifen für morgen aufsparen können. Das Rennen wird sehr lang und wir glauben, dass die härtere Mischung die bessere ist, ganz einfach."

Selbst Vettel hat seine Zweifel...

"Wir haben morgen also keine neuen weichen Reifen, aber drei frische Sätze von den harten. Das gibt uns im Vergleich zu einem gebrauchten Satz drei, vier Runden extra. Ob das ein Vorteil ist oder nicht, muss man abwarten. Es hat schon oft jemand einen Satz gespart, aber dann war es kein wirklich großer Vorteil. Warten wir ab. Ich denke, der Supersoft-Vorteil ist für diese Strecke sehr marginal. Im Qualifying war er okay, aber auf einen längeren Stint glauben wir, dass der Prime schneller sein sollte. Wir werden sehen."

Red Bull gibt Button Rätsel auf

Jenson Button hofft, dass sich Vettel und Red Bull irren: "Ob sie das Richtige getan haben, werden wir erst am Sonntag erfahren. Ich denke, sie werden es ebenfalls erst am Sonntag wissen. Red Bull scheint es für den richtigen Weg zu halten - wir nicht. Wir hielten es nicht für die richtige Herangehensweise. Schauen wir also einmal, wie es am Sonntag läuft."

"Es ist seltsam, denn sie fuhren ihre Longruns ausschließlich auf der härteren der beiden Varianten. Sie wissen eigentlich gar nicht, wie sich die superweichen Reifen bei viel Sprit verhalten", ist dem McLaren-Mercedes-Piloten aufgefallen. "Vielleicht ist der Verschleiß genauso wie bei den weichen Pneus, nur halt bei einer besseren Rundenzeit. Schauen wir einmal."

Auch McLaren-Mercedes tappt im Dunkeln

"Du kannst eine solche Entscheidung nicht vor dem Rennstart treffen, denke ich. Wir wissen einfach nicht, wie das Pendel im Grand Prix ausschlagen wird. Da ist Spontaneität gefragt, und zwar über die gesamte Distanz. Es wird ein stressiger Tag für die Ingenieure, die andere Fahrer und deren Strategien beobachten müssen. Es müssen viele Informationen ausgewertet werden. Das ist nicht einfach für die Taktiker."

Sein Team, gibt der Ex-Champion zu, tappt jedenfalls noch gehörig im Dunkeln: "Wir wissen eigentlich nicht, was uns erwartet, denn im Freien Training fuhren wir immer nur eine schnelle Runde, dann wieder eine langsame, dann wieder eine schnelle. Im Prinzip drehten wir keine zwei schnellen Umläufe in Folge. Klar ist nur: Es wird Reifenverschleiß geben, aber wir haben ein gutes Auto. Alles Weitere liegt an Jenson und mir."

Wie viele Stopps gibt es?

Vettel hält nach wie vor an seiner Prognose fest, dass es im Rennen viele Stopps gibt: "Ich denke schon. Es sah heute Morgen etwas besser aus, als einige geglaubt haben, aber zwei Stopps sind trotzdem unmöglich. Es ist kein Geheimnis, dass man mindestens drei oder vier Stopps brauchen wird, weil der Verschleiß so hoch ist. Wir sollten gut in Form sein und ich freue mich auf morgen, vor allem auch, weil die letzte Woche nicht die einfachste war, um sich auf ein Rennen vorzubereiten."

Keine Angst vor erhöhtem Reifenverschleiß hat Sebastien Buemi von Toro Rosso: "Es ist ein sehr glatter Kurs. Wie schon in Monza bekommen wir es nicht mit einer starken Abnutzung zu tun. Aber das ist schwierig zu sagen, wir müssen einmal das Rennen abwarten. Die Strecke hat sich heute stark verbessert, rund zwei Sekunden. Aus diesem Grund wissen wir nicht, wie sich dies auf die Abnutzung der Reifen auswirkt. Drei Stopps, das ist schon eine realistische Anzahl. Vielleicht schaffen es ein paar Leute mit zwei, eventuell machen ein paar vier Stopps."

Mercedes gibt Entwarnung - rätselt aber auch

Auch Mercedes-Teamchef Ross Brawn gibt ein wenig Entwarnung: "Ich muss sagen, die Reifen waren heute Morgen viel konstanter als erwartet. Es lag im Longrun nicht riesig viel Zeit zwischen dem Option und dem Prime. Der Option war auf eine Runde zwischen einer Dreiviertel- und einer ganzen Sekunde schneller, aber nach fünf bis zehn Runden sah der Prime sehr gut aus. Mir scheint, Red Bull plant mit dem Prime als Hauptreifen und mit einer Multi-Stopp-Strategie, wenn sie sich drei Sätze von ihrem Hauptreifen aufheben."

Die Frage nach dem besseren Reifen für das Rennen ist bei Mercedes ungeklärt: "Das wissen wir nicht mit Sicherheit. Wir, Red Bull und ein, zwei andere Teams waren die einzigen Teams, die heute Morgen mit viel Benzin getestet haben. Ich schätze, da haben sie etwas gesehen, was sie dazu veranlasst hat, die Prime-Reifen im Qualifying zu sparen. Wir haben es gemischt. Ich glaube nicht, dass wir die vier oder fünf Boxenstopps sehen werden, die viele - wir selbst eingeschlossen - prophezeit haben."

Force India nutzt den "Japan-Kniff"

Das Force-India-Team verfolgte ebenfalls die Strategie des Reifensparens - hier verzichtete man in Q3 auf eine gezeitete Runde, Sutil sogar darauf, auf die Strecke zu gehen: "Das hier ist ein weiteres Rennen, in dem es sehr wichtig ist, sich Reifen aufzusparen", erklärt der Routinier. "Heute Morgen fiel es schwer zu sehen, wie viele Runden man fahren kann. Man konnte doch nur recht eingeschränkt testen. Die Vorderreifen wurden jedoch ziemlich hart rangenommen, zeigten schnell Graining. Der härtere Reifen ist ein ganz guter Reifen, und von ihm haben wir noch jede Menge Sätze übrig."

Teamkollege di Resta begann eine fliegende Runde, fuhr also auf dem Reifen im dritten Durchgang fast zwei Runden, worin Sutil einen Nachteil sieht. Hamilton dementiert, selbst wenn di Resta voll angegriffen hätte: "Wenn du diese Autos fährst, dann machst du auf der ersten Runde - speziell in der Qualifikation - so langsam, dass du die Reifen nicht zu sehr beanspruchst. Bei deiner eigentlichen schnellen Runde holst du dann natürlich alles heraus. Gelingt dir das, dann sollten die Pneus im letzten Sektor nachlassen. Das ist nur normal. Sobald sie wieder abgekühlt sind, wie das morgen der Fall sein wird, kehrt der Grip zurück und dann ist es so wie bei jedem anderen Fahrer auch."