Reifen: Fluch und Segen für Mercedes

Michael Schumacher wurde ein schlechter Reifensatz zum Verhängnis, Nico Rosberg hofft jedoch, im Rennen von den Reifen zu profitieren

(Motorsport-Total.com) - Der Samstag in Südkorea stand aus Mercedes-Sicht ganz im Zeichen der Reifen: Nach dem verregneten Freitag "opferte" man das dritte Freie Training für Longruns, um Erfahrungen und Daten für das Rennen zu sammeln, und im Qualifying kostete ein offensichtlich schlechter Pirelli-Reifen Michael Schumacher den Einzug ins Top-10-Finale.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg

Nico Rosberg führt im teaminternen Qualifying-Duell schon mit 13:3

Der siebenfache Weltmeister plante in Q2 nur einen Run. Vor Beginn seiner schnellen Runde meldete er über Funk Vibrationen. Renningenieur Peter Bonnington erkundigte sich daraufhin, ob er draußen bleiben will, worauf Schumacher entgegnete: "Ich fahre sie trotzdem." Ein Fehler, wie sich herausstellen sollte, denn während Nico Rosberg locker in Q3 einzog, blieb Schumacher als Zwölfter auf der Strecke. "Im Nachhinein betrachtet hätte man es anders machen sollen", gibt er zu.

"Wir waren sehr optimistisch, genug in der Hinterhand zu haben, um auf der sicheren Seite zu sein", seufzt der Mercedes-Pilot. "Wir hatten genug Benzin an Bord, damit ich eine zweite schnelle Runde drehen kann, falls ich die erste abbrechen muss, aber wir hatten nicht genug Benzin für drei Runden." Teamchef Ross Brawn ärgert sich: "Wir haben uns am Funk darüber unterhalten, ob wir versuchen sollten, einen neuen Reifensatz zu holen, aber Michael dachte, es wird schon gehen."

Geringe Steigerung im zweiten Qualifying

"Ein bisschen frustrierend, denn seine Zeit auf Primes war ziemlich gut und seine effektive Zeit damit war fast gleich schnell", verweist Brawn auf die Tatsache, dass sich Schumacher von Q1 auf Q2 nur um eineinhalb Zehntelsekunden steigern konnte. Das sei "ein bisschen enttäuschend, aber ich denke, er wird morgen ein sehr gutes Rennen haben, denn er ist hinsichtlich der Reifen gut aufgestellt und er hat in letzter Zeit sehr gute Rennen gezeigt."

Schumacher selbst rechtfertigt sich: "Man muss wohl auch anerkennen, dass dieser Reifensatz einfach nicht die normale Performance gebracht hat. Normalerweise gewinnst du zwischen Prime und Option zwischen 0,7 und einer Sekunde, aber ich habe hart dafür gerackert, ein, zwei Zehntel zu finden. Dann und wann hat man so einen Satz dabei, der aus irgendeinem Grund nicht funktioniert. Als wir das herausfanden, war es schon zu spät. Schade, aber sowas kommt vor."

Was für Mercedes heute möglich war, hat Rosberg mit seinem siebten Platz gezeigt, knapp zwei Sekunden hinter der Pole-Position. Rosberg schenkte sich in Q3 einen zweiten Run, weil es sowieso nicht mehr weiter nach vorne gegangen wäre, und führt nun im silbernen Qualifying-Stallduell mit 13:3. Für das Rennen hat er noch drei frische Reifensätze (zweimal hart, einmal weich) zur Verfügung, Schumacher vier (je zweimal hart und weich).


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Südkorea, Samstag


"Momentan ist es für uns einfach nicht möglich, die drei Topteams im Qualifying zu schlagen", weiß Sportchef Norbert Haug. "Vielleicht können wir aber im Rennen von unserer Reifenstrategie profitieren. Ich halte es für ziemlich smart, das zu tun und sich auf das Rennen zu fokussieren." Denn genau das hat Mercedes heute Morgen getan, als man sich weniger auf eine Qualifying-Simulation als vielmehr auf Rennvorbereitungen konzentriert hat.

"Würde man sich auf das Qualifying konzentrieren, könnte man vielleicht hie und da noch einen Platz gewinnen, aber uns bringt es nichts, im Qualifying Sechster zu werden und dann fallen einem im Rennen die Reifen auseinander. Da ist es besser, ein bisschen weiter hinten zu starten, auch wenn Michael sicher lieber Achter als Zwölfter wäre. Aber er kann auch von dort aus noch einen guten Job machen, wie er in Spa bewiesen hat", meint Haug.

Rosberg für das Rennen optimistisch

Dass dieser Erfahrungsvorsprung ausreichen wird, um im Rennen die drei Topteams zu attackieren, glaubt Schumacher aber nicht, "denn der Rückstand ist zu groß. Dafür reicht der Vorteil, den wir durch die Erfahrung gewinnen, nicht aus." Rosberg sieht das ähnlich, geht aber davon aus, eine "gute Strategie" zu haben, weil die Reifen auf dieser Strecke am Limit sind: "Wir hatten heute Morgen sehr gute Longruns", meint er selbstbewusst.

Außerdem glaubt Fernando Alonso, am Start wegen der schmutzigeren Seite der Fahrbahn keine Chance gegen den Mercedes zu haben. "Gut zu wissen", grinst Rosberg. "Ich bin der gleichen Meinung! Ich werde ihn darauf ansprechen, vielleicht kann er mir den Platz ja einfach schenken. Aber stimmt schon, ich stehe auf der sauberen Seite und werde versuchen, einen der Ferraris zu schnappen. Es wird aber nicht einfach, die bei normalem Rennverlauf zu schlagen."

Fernando Alonso vor Michael Schumacher

Mercedes glaubt nicht so recht daran, es mit Ferrari aufnehmen zu können Zoom

Ob das Reifensparen Mercedes tatsächlich entscheidend helfen wird, zweifelt Brawn übrigens an. Denn: "Ich glaube nicht, dass wir die vier oder fünf Boxenstopps sehen werden, die viele - wir selbst eingeschlossen - prophezeit haben", erklärt der Teamchef. "Ich muss sagen, die Reifen waren heute Morgen viel konstanter als erwartet." Insofern erscheint im Moment eine Dreistoppstrategie als realistischste Variante.

"Es lag im Longrun nicht riesig viel Zeit zwischen dem Option und dem Prime. Der Option war auf eine Runde zwischen einer Dreiviertel- und einer ganzen Sekunde schneller, aber nach fünf bis zehn Runden sah der Prime sehr gut aus", analysiert Brawn und ergänzt: "Mir scheint, Red Bull plant mit dem Prime als Hauptreifen und mit einer Multistoppstrategie, wenn sie sich drei Sätze von ihrem Hauptreifen aufheben."

Denn Red Bull hat heute nur zwei superweiche Sätze verbraucht und sich die härtere Mischung für das Rennen aufgehoben. Welche Strategie ist die richtige? "Das wissen wir nicht mit Sicherheit", gibt Brawn zu. "Wir, Red Bull und ein, zwei andere Teams waren die einzigen Teams, die heute Morgen mit viel Benzin getestet haben. Ich schätze, da haben sie etwas gesehen, was sie dazu veranlasst hat, die Prime-Reifen im Qualifying zu sparen. Wir haben es gemischt."