Surer: "Fisichella hat für mich versagt"
'F1Total.com'-Experte Marc Surer analysiert die beiden Überholmanöver des Jahres von Suzuka und zeigt auf, was Fisichella falsch gemacht hat
(Motorsport-Total.com) - Als Kimi Räikkönen beim Grand Prix von Japan in der vorletzten Runde plötzlich im Heck von Giancarlo Fisichella auftauchte, dürfte der führende Italiener zittrige Knie bekommen haben: Nach einer katastrophalen Saison, in der er zum ersten Mal in seiner Karriere vom eigenen Teamkollegen regelrecht deklassiert wurde, drohte er auch noch einen bitter nötigen Sieg zu verlieren.

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Fernando Alonso überholte Michael Schumacher in Suzuka gleich zweimal
Ende der 51. Runde konnte Fisichella eine Attacke des "Icemans" noch erfolgreich mit einer Kampflinie in der Schikane abwehren, doch im letzten Umlauf kam er aus eben dieser Schikane - wieder nach Kampflinie - zu langsam heraus, weshalb er vor der ersten Kurve nach innen ziehen und Räikkönen außen passieren lassen musste. Bei dem spektakulären Manöver ging es um Millimeter, und der ohnehin schon angeschlagene Renault-Pilot hatte wieder einmal das Nachsehen.#w1#
Für 'F1Total.com'-Experte Marc Surer ist im Nachhinein betrachtet klar: "Fisichella hat für mich versagt. Er ist in der Schikane unnötigerweise so eine extreme Kampflinie gefahren, dass er da fast nicht mehr herauskam. Er ist die Schikane ganz rechts angefahren, obwohl da keine Gefahr bestand, weil es keinen Angriff von Kimi gab. Kimi hatte dort ein bisschen Abstand. Fisichella ist dann schlecht herausgekommen, weil sein Auto nicht in die richtige Richtung stand, und das hat Kimi die Möglichkeit eröffnet, an ihm vorbeizufahren", analysiert der Ex-Formel-1-Pilot.
Ein weiterer Vorwurf, den sich Fisichella gefallen lassen muss, ist, dass er Räikkönen ausgangs der Schikane - wie es Fernando Alonso in Imola mit Michael Schumacher rundenlang vorgemacht hat - aufhalten hätte müssen, um den Schwung des "Silberpfeils" zu verringern und selbst früher als der Gegner wieder auf das Gaspedal steigen zu können - ähnlich dem Prinzip, das jeder Führende beim Restart nach einer Safety-Car-Phase praktiziert.
"Ich glaube, das hat er sogar versucht", sagt Surer, der das Rennen live für den TV-Sender 'Premiere' kommentierte, "aber die Schikane ist so eng, dass man kaum rumkommt, wenn man so spitz hineinfährt wie er es getan hat. Fisichella hatte Mühe, sein Auto wieder in die richtige Richtung zu bringen. Kimi hat sich dahinter schön vorbereitet, hatte auch eine bessere Traktion. Deswegen war er auf der Geraden schneller."
Für Außenstehende wirkte das "Supermanöver" (Surer) angesichts der Aussage von Räikkönen, wonach er wegen eines zu kurz übersetzten siebenten Gangs im Windschatten den Motor nicht voll ausfahren konnte, noch beeindruckender, doch diesem Märchen nimmt unser 'F1Total.com'-Experte den Wind aus den Segeln: "Vor der ersten Kurve kommt man nicht in den Drehzahlbegrenzer, nur am Ende der Geraden vor der Schikane", weiß der Schweizer.
"Fisichella hätte es natürlich drauf ankommen und innen einfach stehen lassen können, dann wäre Kimi ins Aus gerodelt, aber das ist eine Geschwindigkeit, bei der man so etwas nicht macht", fährt der 81-fache Grand-Prix-Teilnehmer fort. "Wenn du in der letzten Runde so überholt wirst, gibt das einem Fahrer schon einen Knacks. Wenn Alonso in dem Auto gesessen wäre, hätte es für Kimi ganz sicher kein Vorbeikommen gegeben."
Doch während viele Räikkönen gegen Fisichella aufgrund der Dramatik und der Bedeutung für den Sieg schon als Überholmanöver des Jahres feiern, ist Surer anderer Meinung: "Wenn man schon vom Überholmanöver des Jahres spricht: Das war für mich Alonso gegen Schumacher in der 130R. Wenn du mit 320 km/h außen in eine Kurve einlenkst, weißt du, dass es einen Riesenunfall gibt, wenn der andere Fahrer nicht zurücksteckt. Das war für mich das mutigste Manöver des ganzen Jahres", zeigt er sich vom neuen Weltmeister beeindruckt.
Allerdings hält er es für "absolut möglich", dass Schumacher noch vor zehn Jahren in derselben Situation nicht zurückgezogen und die Außenlinie freigemacht hätte: "Michael ist inzwischen so erfahren, dass er weiß, wenn so etwas nichts mehr bringt. Eine Kollision mit über 300 km/h zu riskieren, wäre sicherlich unsinnig", gibt der Schweizer zu Protokoll, "aber das zeigt, dass die Jungen dieses Risiko eben eingehen."

