Rückkehr zur alten Tamburello wäre möglich: Wurz-Appell an EU-Regierungen
Imola steht vor dem Aus: Wie ein Umbau den beliebten Grand Prix retten könnte und warum Alex Wurz für Europas Formel-1-Zukunft die Regierungen in die Pflicht nimmt
(Motorsport-Total.com) - War der Grand Prix der Emilia-Romagna am vergangenen Sonntag vielleicht schon der letzte in Imola? Fakt ist: Die bei Fans und Fahrern beliebte Traditionsstrecke steht in der Formel 1 vor dem Aus, Imolas Vertrag mit der Königsklasse ist mit der aktuellen Ausgabe ausgelaufen.

© MST/Getty Images
Alex Wurz spricht im Interview über eine mögliche Rückkehr zur alten Tamburello Zoom
Die Chancen auf eine Verlängerung stehen schlecht - obwohl Italien mit Mercedes-Rookie Kimi Antonelli endlich wieder einen Formel-1-Star hat, der aus dem nur rund 20 Kilometer entfernten Bologna stammt, und F1-Boss Stefano Domenicali sogar aus Imola selbst.
Doch auch die beiden lokalen Zugpferde für das Projekt ändern nichts daran, dass der Rennkalender der Formel 1 aktuell aus allen Nähten platzt, während immer neue Länder und Events mit teilweise großer Finanzkraft auf einen Grand Prix drängen. Ein zweites Rennen in Italien, neben dem gesetzten Großen Preis in Monza, scheint daher kaum zu halten.
Imola droht das Aus: "Hätte ein paar Ansatzpunkte"
Zumal in jüngerer Vergangenheit ein weiterer Kritikpunkt Imola keine besonders guten Argumente im Poker mit der F1 liefert: Die viel diskutierte Überholproblematik auf dem Autodromo Enzo e Dino Ferrari scheint weiterhin ungelöst, das Rennen glich in den vergangenen Jahren zu oft einer Prozession - ähnlich wie in Monaco, wo die FIA dieses Jahr mit der Einführung von zwei Pflichtboxenstopps reagierte.

© Sutton Images
Heute ist die Tamburello eine Schikane - und das Racing in Imola oft schwierig Zoom
Motorsport-Total.com hakte deshalb bei GPDA-Präsident Alex Wurz nach, der mit seiner Firma auch als Streckendesigner tätig ist und derzeit acht internationale Rennstreckenprojekte betreut: Könnte man Imola für mehr Spektakel wieder auf das frühere Layout - vor dem Umbau im Anschluss an die tödlichen Unfälle von Roland Ratzenberger und Ayrton Senna 1994 - zurückrüsten, sprich die alte Tamburello zurückbringen?
"Für Formel-1-Autos könnte man sich das überlegen, die erste Schikane zu eliminieren", sagt Wurz im exklusiven Videointerview, veröffentlicht auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de. "Ich hätte aber ein paar andere Ansatzpunkte, um hier Anpassungen zu machen", fügt Wurz hinzu: "Originalcharakter zu behalten, aber Anpassungen zu machen, um hier noch einmal das Überholen ein bisschen zu erleichtern."
Wurz appelliert an Länder: F1 "ist ein absoluter Gewinn"
Dann könnten auch die Chancen des Kurses auf einen Verbleib im Kalender steigen, um nicht nach Zandvoort - wo 2026 endgültig die Lichter ausgehen - binnen kürzester Zeit die zweite Traditionsstrecke zu verlieren. Denn grundsätzlich warnt Wurz vor einem immer weiter voranschreitenden Rückzug der Formel 1 aus Europa, appelliert deshalb: "Andererseits muss ich jetzt ganz klar sagen, an alle europäischen Regierungen: Einen Grand Prix zu haben für ein Land, ist ein absoluter Gewinn."
Der Österreicher erklärt: "Durch die Umwegrentabilität verdient das Land viel Geld. Da bleibt über die Steuereinnahmen und alles, was wir hier lassen, richtig viel Geld. Ihr müsst Promotern helfen, speziell in Deutschland, muss man dem Promoter helfen", nimmt Wurz auch die Bundesregierung im Auto-Land Deutschland in die Pflicht, wo es schon seit fünf Jahren keinen Grand Prix mehr gab.

© circuitpics.de
Trotz Antonelli, Ferrari und Domenicali: Imola droht das Aus in der Formel 1 Zoom
Laut Wurz müsse man dabei über den Tellerrand hinausblicken, nicht nur kurzfristig denken - denn er räumt ein: "Ein Promoter an sich, der wird durchwegs Geld verlieren. Aber wenn man den Überblick hat, als Land das sieht, gewinnt man. Und man präsentiert sich im Land der Weltöffentlichkeit, 24 Mal, unter den Elite-Destinations. Das hat unglaubliche Power weltweit."
"Dann werden wir eine Abwanderung haben, ganz klar"
Der aktuelle Formel-1-Boom sei der beste Beweis: "Deshalb drängen jetzt so viele neue Länder hinein, die das analysieren, wo das Land dann dahintersteckt und sagt: 'Hey, wenn uns die Strecke ein paar hundert Millionen kostet, wenn uns der Grand Prix viele Millionen kostet - aber unterm Strich verdienen wir als Land noch dabei.' Über Umwegrentabilität bleiben dreistellige Millionenbeträge im Land hängen."
Im Umkehrschluss schlägt Wurz Alarm: "Wenn das die europäischen Regierungen aber nicht erkennen und nicht mithelfen, dann werden wir eine Abwanderung haben, ganz klar." Zwar versuche die Formel 1 "weiter Tradition zu behalten", so der 51-Jährige, "aber das baut natürlich im Laufe der Zeit ab, weil dieses Produkt so unheimlich boomt". Deshalb stellt Wurz klar: "Es ist ein Aufruf. Wenn jemand von der Regierung zuschaut: Denkt einmal nach, was ihr hier bewegen könntet!"


Neueste Kommentare