Alexander Wurz lobt "echt cleveren" Piastri: "Hätte Max rausboxen können"

Alexander Wurz analysiert Max Verstappens Move des Jahres aus Fahrersicht: "Eines der stärksten Überholmanöver überhaupt, die ich bis jetzt gesehen habe"

(Motorsport-Total.com) - Das Überholmanöver von Max Verstappen am Start in Imola sorgt auch am Tag nach dem Grand Prix der Emilia-Romagna 2025 für Gesprächsstoff. Alexander Wurz, in Imola vor 20 Jahren selbst Dritter auf McLaren-Mercedes, hatte schon im ORF-Live-Kommentar von einem "unglaublichen Kraftmanöver" mit "zwei Messern zwischen den Zähnen" gesprochen und vor Verstappen die Kappe gezogen: "Wahnsinn! Das war absolute Sonderklasse."

Titel-Bild zur News: Alexander Wurz

Alexander Wurz schwärmt in den höchsten Tönen von Max Verstappens Überholmanöver Zoom

Ein paar Stunden später hatte sich der TV-Experte und Vorsitzende der Fahrergewerkschaft GPDA wieder gesammelt, als er für eine Rennanalyse vor der Formel1.de-Kamera stand. Seine Einschätzung hatte er aber nicht geändert: "Das war eines der stärksten Überholmanöver überhaupt, die ich bis jetzt gesehen habe", sagt er.

"Aus Fahrersicht" bewertet Wurz das, was zwischen Startlinie und Kurve 3 passiert ist, so: "Max ist nicht so gut weggekommen. Dahinter war es George Russell, der eigentlich den besten Start hatte. Der hat Piastri im Getriebe Druck gemacht, und Piastri hat versucht, gegen Russell innen abzudecken."

"Das heißt, du schaust schon mal links im Rückspiegel: 'Wo ist der?' Und er hat sich vermutlich gedacht: 'Den Max, den sehe ich zwar, aber der ist zu weit weg.' Aber dann war er innen und hat dort mit ein bisschen Sicherheit angebremst. Und das hat der Max in dieser Split-Sekunde gerochen - und hat dann exekutiert, wie ich selten ein Überholmanöver gesehen habe."

Für Wurz' war Verstappens herausragende Leistung bei dem Überholmanöver nicht, sich ein Herz zu fassen und voll ins Risiko zu gehen. Sondern dass der Red-Bull-Pilot schon in der allerersten Rennrunde instinktiv richtig einschätzen konnte, "wie viel Grip du dort hast", und "die kurzfristige Schwäche vom Konkurrenten analysieren konnte. Das war richtig bärenstark. Ein Mega-Manöver."

Piastri räumte nach dem Rennen ein, zehn Meter zu früh gebremst zu haben, was Wurz' Theorie mit dem Sicherheitspuffer bestätigt. Der langjährige McLaren-Testfahrer meint augenzwinkernd, Piastri habe sich beim Anbremsen der ersten Kurve "ein Mini-Schläfchen" geleistet. Was übrigens Russell, der deswegen lupfen musste, fürchterlich nervte. Der Mercedes-Fahrer fluchte am Boxenfunk: "Fucking Piastri, was macht der da?"

Imola, analysiert Wurz, habe eine Vorgeschichte gehabt. Denn Piastri sei bereits in Saudi-Arabien "extrem clever" gewesen, als die beiden ebenfalls in der ersten Kurve aneinandergeraten waren. "Dort hat er sich das Reglement zunutze gemacht und hat dem Max gezeigt: 'Hey, ich bin hier!' Und der Max hat ihm heute gezeigt: 'Vergiss mich nicht, ich bin auch hier, und zwar richtig stark!'"


Für Piastri ging die Sache letztendlich nicht gut aus. Während Verstappen den Grand Prix souverän gewann, zockte der Polesetter bei der letzten Safety-Car-Phase auf Trackposition statt auf frische Reifen. Im Finish konnte er Platz 2 nicht gegen seinen Teamkollegen Lando Norris verteidigen. Der überholte ihn an der gleichen Stelle wie Verstappen, in der Tamburello-Schikane.

Piastri habe aber genauso smart reagiert, findet Wurz, denn der McLaren-Pilot hätte Verstappen instinktiv auch "einen Bodycheck geben können. Laut Reglement hätte er ihn rausboxen können. Er war aber clever genug zu sagen: 'Hey, ich fahre auf die WM, ich nehme lieber die Punkte.' [...] Nach so einer Fehleinschätzung dann doch zu sagen: 'Hey, nein, ich mache das jetzt nicht!", sei "echt clever".

Das ganze Interview mit Alexander Wurz gibt's übrigens auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de zu sehen. Der Österreicher spricht darin über das Thema Teamorder bei McLaren, die Entscheidung, das Safety-Car statt eines weiteren VSCs zu aktivieren, und die Idee, die alte Tamburello-Kurve in Imola wiederherzustellen. (Kanal jetzt kostenlos abonnieren und kein Formel-1-Video mehr verpassen!)