Parry-Jones: "Ziehen nicht den Kopf ein"

Ford-Vizepräsident Richard Parry-Jones im Interview über den Verkauf des Jaguar-Teams ohne wehmütigen Blick zurück

(Motorsport-Total.com) - Als Vizepräsident des Ford-Konzerns war Richard Parry-Jones einer der Entscheidungsträger beim Rückzug aus der Formel 1, dennoch gilt er eigentlich als Freund des Motorsports und der Formel 1. Im Rahmen einer Pressekonferenz in London erklärte er heute die Beweggründe für den Verkauf an 'Red Bull'. 'F1Total.com' war per Telefonschaltung dabei und stellte auch einige Fragen.

Titel-Bild zur News: Richard Parry-Jones

Richard Parry-Jones ist Vizepräsident des Ford-Konzerns in Detroit

Frage: "Richard, angeblich liegt der Kaufpreis bei einer Million Dollar. Ist das korrekt?"
Richard Parry-Jones: "Die Inhalte der Vereinbarung unterliegen der Verschwiegenheit, weshalb ich leider nicht dazu in der Lage bin, solche Information preiszugeben."#w1#

Frage: "Ihr habt immer gesagt, dass ihr nur an jemanden verkaufen wollt, der dem Team eine langfristige Sicherheit bieten kann, dafür aber unter Umständen sogar nur mit einem symbolischen Euro als Kaufpreis. Kannst du dazu etwas sagen?"
Parry-Jones: "Das stimmt insofern, als wir von allen potenziellen Käufern jene herausgefiltert haben, die das Team in Zukunft erfolgreich machen könnten. Dann haben wir untersucht, wie viel Kenntnis die Interessenten von der Formel 1 haben, was für eine Vision sie haben, wie ihr Business-Plan aussieht. Die mögliche finanzielle Unterstützung für das Team hat ebenfalls eine Rolle gespielt. Am Ende hat sich 'Red Bull' in all diesen Kriterien als vernünftigster Interessent herausgestellt, und vor allem waren sie dazu in der Lage, den Deal bis zur Deadline am 15. November abzuschließen."

Trotz Verunsicherung: "Sind nicht auf der faulen Haut gelegen"

Frage: "Hat durch die Bekanntgabe des Ford-Rückzugs die Weiterentwicklung seit September ein wenig gelitten?"
Parry-Jones: "Wir sind nicht auf der faulen Haut gelegen. Als wir bekannt gegeben haben, dass wir uns zurückziehen werden, haben wir uns voll und ganz darauf konzentriert, alle mit der Formel 1 verbundenen Firmen abzutreten. Das haben wir jetzt erreicht. Gleichzeitig wussten wir aber im Vorhinein, dass wir keinen Käufer finden würden, wenn wir nicht in ein neues Auto investieren. Wir haben also an der Weiterentwicklung gearbeitet und parallel dazu weiterhin in den Windkanal investiert. Durch das frühe Datum des Verkaufs haben wir den bestehenden Mitarbeitern, die übrigens ganz großartig waren, einen ehrenhaften Jahresabschluss ermöglicht, und die neuen Eigentümer haben alle Zutaten beisammen, um nächstes Jahr in der Formel 1 anzutreten."

Frage: "Gibt es Garantien dafür, dass keine Arbeitsplätze verloren gehen werden?"
Parry-Jones: "Es gibt keine Pläne, die Belegschaft in irgendeiner Form zu verändern oder eine Umstrukturierung einzuleiten. 'Red Bull' hat dieses Team gekauft, weil sie an die Philosophie glauben, mit der wir Jaguar Racing in den letzten beiden Jahren geführt haben. Wenn man sich das vor Augen führt, erscheint es nur logisch, dass sie Stabilität wollen und mit dem derzeitigen Management weitermachen werden."

Frage: "Was wird jetzt mit Pi Electronics passieren, der dritten Firma, die zum Verkauf steht?"
Parry-Jones: "Pi steht auch zum Verkauf, aber da das Tätigkeitsfeld der Firma wesentlich breiter angelegt ist als jenes von Jaguar Racing und Cosworth und da Pi nicht unbedingt von den Fristen in der Formel 1 abhängig ist, sind wir nicht gezwungen, unter demselben Zeitdruck zu verfahren wie mit den anderen beiden Firmen. Wir befinden uns in aktiven Verhandlungen mit Interessenten über den Verkauf von Pi. Sobald es dazu Neuigkeiten gibt, werden wir das sicher bekannt geben. In der Zwischenzeit geht es mit Pi wie gehabt weiter."

Ford hat zwischen Kalkhoven und 'Red Bull' vermittelt

Frage: "Jaguar Racing und Cosworth gehören jetzt nicht mehr zur selben Firmengruppe. Was für ein Deal wurde zwischen diesen beiden Firmen hinsichtlich der Motorenlieferung geschlossen?"
Parry-Jones: "Unser Anliegen bei Ford war es, für Jaguar Racing und Cosworth Käufer zu finden, die beide Unternehmen voranbringen können. Ein wichtiger Bestandteil dieser Überlegungen war die Unabhängigkeit der beiden Unternehmen voneinander, was einen Motorenvertrag angeht. 'Red Bull' war naturgemäß interessiert daran, einen Motorenhersteller bei der Hand zu haben, und Kevin Kalkhoven, der Käufer von Cosworth, wäre ohne ein Formel-1-Team als Partner weniger interessiert daran gewesen, Cosworth zu übernehmen. Wir haben daher versucht, zwischen den neuen Eigentümern von Cosworth und den neuen Eigentümern von Jaguar Racing einen vernünftigen Deal zu vermitteln, der für beide Seiten Sinn macht. Das haben wir erreicht und beide Seiten sind sehr glücklich."

Frage: "Unter welchem Namen wird der Motor nächstes Jahr in der Formel 1 auftauchen?"
Parry-Jones: "Es wird ein Cosworth-Motor sein, ohne jeden Einfluss von Ford."

Frage: "Wurde darüber diskutiert, Ford in irgendeiner Form weiterhin gemeinsam mit Cosworth als Motorenhersteller darzustellen?"
Parry-Jones: "Nein, denn nach dem Rückzug, den wir am 17. September bekannt gegeben haben, war das kein Thema mehr."

Comeback von Ford? Sag niemals nie...

Frage: "Glaubst du, dass Ford zu irgendeinem Zeitpunkt in der Zukunft in die Formel 1 zurückkehren wird?"
Parry-Jones: "Ich bin 53 Jahre alt und arbeite seit 35 Jahren in der Formel 1. Auf so einen Zeitrahmen projiziert würde ich niemals nie sagen. Man nimmt so eine Entscheidung, wie wir sie getroffen haben, aber nicht auf die leichte Schulter. Wir haben unser Investment in die Formel 1 sehr genau mit dem Effekt, den wir daraus schöpfen, verglichen und die Kostenstrukturen überprüft. Jetzt investieren wir stark in die ChampCar-Serie, in die NASCAR-Serie und in den Rallyesport, wo wir in der Weltmeisterschaft kürzlich unseren Vertrag mit M-Sport um vier Jahre verlängert haben. Darüber hinaus sind wir in vielen anderen Formelklassen überall auf der Welt involviert. Ich denke nicht, dass es in absehbarer Zukunft eine Chance gibt, dass Ford in die Formel 1 zurückkehren wird. Es würde überhaupt keinen Sinn machen, so sorgfältige Überlegungen anzustellen und dann die Entscheidung nach ein paar Jahren schon wieder über den Haufen zu werfen."

Frage: "Es war aber keine einstimmige Entscheidung bei Ford in Detroit, nicht wahr?"
Parry-Jones: "Wir haben als Unternehmen eine Entscheidung getroffen, über die wir sehr genau nachgedacht haben. Alle haben diese Entscheidung unterstützt, also haben wir es durchgezogen. Da gibt es keinen wehmütigen Blick zurück."

Frage: "Ford hat sich nie langfristig zur Formel 1 bekannt, was auch einer der Gründe dafür gewesen ist, dass Mark Webber das Team verlassen hat. Jetzt ist ein langfristiges Commitment gegeben. Wie wirkt sich das auf eure Moral aus?"
Parry-Jones: "Dazu möchte ich sagen, dass wir eine 35-jährige Geschichte in der Formel 1 haben, man also nicht behaupten kann, dass wir den Kopf einziehen, wenn es uns gerade so passt. Wir hinterlassen ein Vermächtnis von 35 Jahren, in denen wir uns für diesen Sport eingesetzt haben. Natürlich wären wir gerne ein weiteres Jahrzehnt geblieben, aber wir können auch stolz auf das sein, was wir in der Vergangenheit geleistet haben. Wir haben so vielen Champions zu Siegen verholfen. Jetzt freut es uns, dass wir unseren Rückzug so über die Bühne gebracht haben, dass sich Jaguar Racing und Cosworth trotzdem positiv weiterentwickeln können."