Das große Übernahme-Interview mit Tony Purnell

Der bisherige Jaguar- und künftige Red-Bull-Teamchef im detaillierten Interview über Gegenwart und Zukunft des neuen Teams

(Motorsport-Total.com) - In London gab Ford heute Nachmittag offiziell den Verkauf des Jaguar-Teams an 'Red Bull' bekannt. Die Verantwortlichen stellten sich dabei naturgemäß den zahlreichen Fragen der versammelten Weltpresse. Auch 'F1Total.com' war über eine Telefonschaltung dabei und stellte Tony Purnell, dem Teamchef von Red Bull Racing, einige Fragen.

Titel-Bild zur News: Tony Purnell

Tony Purnell strotz auch als Chef von Red Bull Racing vor Tatendrang

Frage: "Tony, kannst du schon irgendetwas über die Fahrerbesetzung verraten?"
Tony Purnell: "Das wird in den nächsten Monaten sicher Gegenstand vieler Spekulationen sein. Wir haben diesbezüglich noch keine Entscheidung getroffen. Ich muss aber eingestehen, dass die Übernahme die logische Fortsetzung des 'Red-Bull'-Juniorenprogramms ist. Für uns kommen erfahrene Piloten ebenso in Frage wie einige der 'Red-Bull'-Nachwuchsfahrer. In den nächsten Wochen werden wir einige von ihnen testen, aber ich sehe keinen Grund für eine überhastete Fahrerentscheidung."

Frage: "Kannst du verraten, wer testen wird?"
Purnell: "Nein."#w1#

Frage: "Ihr habt immer gesagt, dass ihr nur an jemanden verkaufen wollt, der dem Team langfristige Sicherheit bieten kann, dafür aber unter Umständen sogar nur mit einem symbolischen Euro als Kaufpreis. Kannst du dazu etwas sagen?"
Purnell: "'Red Bull' ist eine Firma, die großen Erfolg damit hat, die eigene Marke durch Sportmarketing bekannter zu machen. Sie sind seit zehn Jahren in der Formel 1 und in vielerlei Hinsicht ist die Übernahme eines Teams die logische Fortsetzung ihres Marketingplans. Wir hätten keinen besseren Käufer finden können. Was die Summen angeht, können wir leider kein Statement abgeben, aber glauben sie mir, es ist ein guter Deal für 'Red Bull' und es ist ein guter Deal für Ford. Das ist eine gute Situation."

Verschwiegenheit über alle finanziellen Details

Frage: "Sind wir näher an einem Euro dran oder an 20 Millionen?"
Purnell: "Wir können leider nicht über die Details des Deals sprechen."

Frage: "Als das Team noch unter Jaguar-Führung stand, hat es Gespräche mit David Coulthard gegeben. Werden diese Gespräche jetzt wieder aufgenommen?"
Purnell: "Ich möchte mich wirklich nicht dazu verleiten lassen, über die Fahrer zu spekulieren. Ich kann nur noch einmal betonen, dass wir bisher noch keine Entscheidung getroffen haben."

Frage: "Es hat aber damals Gespräche mit ihm gegeben, nicht wahr?"
Purnell: "Wir haben mit einer ganzen Reihe von Fahrern gesprochen."

Frage: "Bleibt der Teamname Jaguar Racing oder wird er nach den Wünschen von 'Red Bull' abgeändert?"
Purnell: "Ford hat im September die Entscheidung getroffen, sich aus der Formel 1 zurückzuziehen. Das Team und das Auto werden offiziell umbenannt."

Frage: "Hat durch die Bekanntgabe des Ford-Rückzugs die Weiterentwicklung seit September ein wenig gelitten? Kann es sein, dass ihr mit dem neuen Auto in Verzug geraten werdet?"
Purnell: "Ford war sehr hilfreich. Sie haben gesagt, sie wollen in diesem Geschäft weitermachen, bis alles unter Dach und Fach ist. Die Windkanaltests sind ohne irgendeinen Rückgang fortgesetzt worden und eigentlich ist alles gewesen wie immer. Das ist dem tollen Team zu verdanken. Die Atmosphäre im Team ist wirklich gut, weil sie David Pitchforth in den schwierigen Monaten zusammengehalten hat. Daher glaube ich, dass der RB1 für nächstes Jahr ein gutes und solides Rennauto sein wird."

Keine Verlegung des Teams nach Österreich geplant

Frage: "Wird das Team weiterhin von England aus operieren oder werden Teile davon nach England verlegt?"
Purnell: "Meines Wissens nicht. England ist das Zentrum der Motorsportindustrie. Wir haben ein solides Formel-1-Team in Milton Keynes aufgebaut. Die Windkanäle kann man schließlich nicht verlegen, daher denke ich nicht, dass irgendetwas verlegt wird."

Frage: "Warum ist ein erfahrener Mann wie David Coulthard, der 13 Rennen gewonnen hat, nicht automatisch Teil eurer Überlegungen?"
Purnell: "Was soll ich sagen? Es stimmt, dass David 13 Rennen gewonnen hat, und von daher gehört er sicherlich zur Liste der Kandidaten."

Frage: "Natürlich kannst du keine Summen nennen, aber bist du zuversichtlich, dass das Investment von 'Red Bull' ausreichen wird, um das Team ernsthaft nach vorne zu bringen?"
Purnell: "'Red Bull' ist eine namhafte Firma, eine Erfolgsgeschichte in der Getränkeindustrie. Sie haben sich nicht leichtsinnig auf diese Sache eingelassen. Sie haben zehn Jahre an Erfahrung in der Formel 1 und sie nehmen dieses Projekt ernst. Ich bin sicher, dass wir Erfolg haben werden."

Frage: "Es stehen viele Veränderungen bevor, etwa in Sachen Personal, das Branding, die Umlackierung und so weiter. Was wird das alles kosten?"
Purnell: "Wir haben nicht die Absicht, jetzt großartig etwas zu verändern. Milton Keynes sollte sehr stolz sein auf die Belegschaft dort. Unter schwierigen Umständen hat die Mannschaft sehr gute Arbeit geleistet und wir denken nicht daran, das Personal komplett auf den Kopf zu stellen. Ich denke, das derzeitige Team wird für die vorhersehbare Zukunft auch Red Bull Racing sein."

Red Bull Racing wohl weiterhin unter britischer Lizenz

Frage: "Bedeutet der Eigentümerwechsel auch, dass das Team nächstes Jahr mit österreichischer Lizenz antreten wird?"
Purnell: "'Red Bull' ist eine globale Firma, die global denkt und globale Ziele hat. Ich glaube nicht, dass die Lizenz für sie eine Schlüsselfrage sein wird."

Frage: "Bedeutet das, dass es vorerst bei einer britischen Lizenz bleibt?"
Purnell: "Das kann ich im Moment noch nicht sagen."

Frage: "Jaguar hat den siebenten Platz in der Konstrukteurs-WM erreicht, aber für 'Red Bull' muss das Ziel ein höheres sein, nicht wahr?"
Purnell: "Ich muss zugeben, dass die lange Unsicherheit über die Zukunft des Teams ein gewisser Rückschlag für unsere Pläne für nächstes Jahr war, aber jetzt sind wir wieder auf Kurs. Ich denke, dass der Fokus auf die Ingenieursarbeit bei uns erhalten bleiben wird und dass wir uns ohne größere Unterbrechung der Entwicklungsarbeit widmen können."

Frage: "Durch die Übernahme des Teams ist der Reifenvertrag mit Michelin nicht mehr gültig. In welche Richtung werdet ihr euch diesbezüglich orientieren?"
Purnell: "Das Team befindet sich für nächstes Jahr in Verhandlungen mit Michelin. Ich gebe offen zu, dass das 2005er-Auto für Michelin-Reifen konzipiert wurde. Sie waren ein wichtiger Partner für Jaguar und wir hatten eine großartige Beziehung zueinander. Daher hoffen wir, dass wir diese Partnerschaft fortsetzen können."

Frage: "Benötigt ihr für die Namensänderung des Teams die Zustimmung aller anderen Teams?"
Purnell: "Laut Concorde Agreement ist eine Namensänderung ohne weiteres möglich. Wie schon in vielen Fällen in der Formel 1 ist auch bei uns die Namensänderung ohne Probleme über die Bühne gegangen. Da erwarten wir keine Schwierigkeiten mehr."

"Für die Formel 1 ist das eine tolle Nachricht"

Frage: "In letzter Zeit gab es viele Probleme in der Formel 1, aber für wie wichtig hältst du die heutige Bekanntgabe in Kombination mit der Neuigkeit, dass Jordan nächstes Jahr Toyota-Motoren erhalten wird?"
Purnell: "Für die Formel 1 ist das eine tolle Nachricht. 'Red Bull' ist eine junge und energetische Firma, die weiß, wie Sportmarketing für sie funktioniert. Sie wollen sicher Erfolg haben. Ich sehe es als ausschließlich gute Nachricht, dass 'Red Bull' jetzt ein eigenes Team hat."

Frage: "Wird Dietrich Mateschitz in das Tagesgeschäft involviert sein und werden wir ihn auch in der Boxengasse auf und ab laufen sehen?"
Purnell: "Dietrich Mateschitz ist ein sehr erfolgreicher Mann, der sich nicht in der Vordergrund stellt. Eher das Gegenteil ist der Fall. Ich rechne stark damit, dass dieselben Leute wie letztes Jahr an der Boxenmauer sitzen werden. 'Red Bull' ist eine sehr professionelle Firma. Sie haben Profis angeheuert, um das Team für sie zu führen."

Frage: "Was passiert jetzt mit den bestehenden Sponsoringverträgen von Jaguar Racing? Werden die zu 'Red Bull' übertragen?"
Purnell: "Wir rechnen damit, dass einige Jaguar-Sponsoren an Bord bleiben werden, aber großteils wird sich 'Red Bull' nach neuen Sponsoren umsehen. Das hängt ganz einfach mit dem Image der Marke 'Red Bull' zusammen. Ford ist eine ganz andere Firma als 'Red Bull' und daher muss man auch andere Sponsoren erwarten."

Bestehende Sponsoringverträge verlieren ihre Gültigkeit

Frage: "Grundsätzlich bedeutet das aber, dass der Eigentümerwechsel ein automatisches Ende der meisten bestehenden Sponsorenverträge mit sich bringt, nicht wahr?"
Purnell: "Das stimmt. Jeder Sponsoringvertrag muss neu verhandelt werden."

Frage: "Es gibt eine chinesische Firma, die sich sehr für Jaguar Racing interessiert hat. Ist diese Firma noch in irgendeiner Form im Spiel und hofft Red Bull Racing dadurch auf stärkeres Interesse bei chinesischen Sponsoren?"
Purnell: "Das ist eine schwierige Frage, denn wenn man mit einer Firma verhandelt, kann man darüber nicht mit den Medien sprechen. Es stimmt aber, dass es Interesse seitens möglicher chinesischer Sponsoren gibt. Das wird in den nächsten Monaten auch an die Öffentlichkeit gehen. Bis dahin kann ich dazu leider nichts sagen. Ich kann aber verraten, dass wir einen jungen chinesischen Rennfahrer unterstützen werden."

Frage: "Ford hat sich nie langfristig zur Formel 1 bekannt, was auch einer der Gründe dafür gewesen ist, dass Mark Webber das Team verlassen hat. Jetzt ist ein langfristiges Commitment gegeben. Wie wirkt sich das auf eure Moral aus?"
Purnell: "Richard Parry-Jones ist heute vor die Belegschaft getreten und mein Gefühl ist, dass da Aufbruchstimmung herrscht. Die Belegschaft und das Management freuen sich über die enthusiastischen neuen Eigentümer und wir glauben an den Erfolg dieses Projekts."