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Motorenkarussell: Lage der Red-Bull-Teams spitzt sich zu

Christian Horner erklärt das Thema Volkswagen für erledigt, Toto Wolff erteilt den "Bullen" eine Absage: Gefahr eines Ausstiegs beider Red-Bull-Teams wächst

(Motorsport-Total.com) - Red Bull und Toro Rosso beginnt im Hinblick auf die Formel-1-Saison 2016 die Zeit davonzulaufen. Noch immer ist nicht klar, mit welchem Antriebspartner die beiden Teams nach dem Ende der Zusammenarbeit mit Renault antreten werden. Von Mercedes hat es eine Absage gegeben. Bei Ferrari bestätigt man zwar, dass es ein Angebot gegeben hat, mehr aber auch nicht. Das Thema Volkswagen ist für viele Experten vom Tisch. Hintergrund ist der Skandal um manipulierte Abgaswerte im Straßenverkehr.

Titel-Bild zur News: Daniil Kwjat, Max Verstappen

Für die Teams Red Bull und Toro Rosso wird es mit Blick auf die Zukunft eng Zoom

"Dieses Thema scheint sich in Rauch aufgelöst zu haben", hält Red-Bull-Teamchef Christian Horner gegenüber 'NBC' mit Blick auf die Gerüchte über einem möglichen Volkswagen-Einstieg fest. Diesen hätte es wohl auch ohne den Manipulationsskandal frühestens zur Formel-1-Saison 2018 gegeben.

Auch der ehemalige FIA-Präsident Max Mosley sieht einen Volkswagen-Einsteig angesichts der jüngsten Turbulenzen nicht mehr kommen. "So wie ich es sehe, gibt es nach den Veränderungen im Management zwei bis drei Menschen an der Spitze von Volkswagen, die dazu tendieren, in die Formel 1 einzusteigen. Ich hege aber den Verdacht, dass die Vorfälle in Amerika ein 'Gamechanger' sind. Sie sind gravierend", gibt Mosley gegenüber 'Omnisport' zu bedenken und unterstreicht: "Ich wäre überrascht, wenn sie jetzt noch einsteigen."

Ausstiegsszenario der Red-Bull-Teams wird konkreter

Mangels Aussicht auf einen neuen Antriebspartner wird die Variante eines Formel-1-Ausstiegs von Red Bull und Toro Rosso konkreter. Es sei denn, man findet im letzten Moment doch noch einen Nachfolger für Renault. Rückblende: Die Variante, dass Mercedes neben dem eigenen Werksteam und den Kundenteams Williams und Force India ab 2016 auch das Red-Bull-Lager mit Motoren beliefern könnte, stand durchaus im Raum. Daimler-Chef Dieter Zetsche hatte diesem Szenario unter entsprechenden Bedingungen zugestimmt. Doch dann gab es bei Mercedes in Brackley einen Sinneswandel.

"Nach eingehender Prüfung haben wir uns entschieden, diesen Weg nicht weiter zu verfolgen", bestätigt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff und erklärt: "Mercedes hat seine Rolle als reiner Motorenlieferant aufgegeben und vor fünf Jahren ein eigenes Team an den Start gebracht. An unserem gegenwärtigen Erfolg haben wir hart gearbeitet. Diesen wollen wir dadurch gefährden, indem wir einem Hauptkonkurrenten unseren Motor geben."

"Nach eingehender Prüfung haben wir uns entschieden, diesen Weg nicht weiter zu verfolgen." Toto Wolff über die mögliche Belieferung von Red Bull mit Mercedes-Motoren

Im Falle von Ferrari war es ähnlich. Nach Informationen von 'auto motor und sport' soll FIAT-Chef Sergio Marchionne einem Deal mit Red Bull bereits zugestimmt haben. Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene gibt sich jedoch zugeknöpft: "Es gibt ein Angebot. Mehr kann ich nicht sagen." Sollte es sich bei diesem Angebot nicht um 2016er-, sondern um 2015er-Motoren - und somit Vorjahresmotoren - handeln, gilt es als sicher, dass das Red-Bull-Lager nicht zusagen wird.

Red Bull und Mercedes: Wer kann mit wem nicht?

"Für Red Bull als jahrelang zahlender Kunde von Renault ist es nicht akzeptabel, einen solch minderwertigen Motor zu erhalten, wie wir ihn erhalten haben. So, wie das Reglement geschrieben ist, ist es ohne Mercedes- oder Ferrari-Antrieb schlichtweg unmöglich, konkurrenzfähig zu sein. Wenn wir nicht konkurrenzfähig sein können, worin liegt dann der Wert eines Verbleibs in der Formel 1?", so Red-Bull-Teamchef Christian Horner gegenüber 'NBC'.

Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko stimmt zu und kritisiert Ferrari: "Es ist eine Frechheit, uns 2015er Motoren anzubieten, solange Sauber und Haas 2016er-Triebwerke bekommen." So stellt auch Marko angesichts der aktuell brenzligen Lage klar, dass die Überlegungen auszusteigen "immer konkreter" werden.

Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone zeigt sich überrascht, dass der ursprünglich bereits für geschlossen gehaltene Deal zwischen Mercedes und Red Bull nun wohl doch nicht zustande kommt. "Mir wurde gesagt, dass sich die Herren Lauda und Mateschitz geeinigt hätten. Es soll einen freundlichen Handschlag gegeben haben", erinnert sich Ecclestone gegenüber 'Sky Sports F1'.


Fotostrecke: Alle Red-Bull-Präsentationen

Der angesprochene Niki Lauda, seines Zeichens Aufsichtsratsvorsitzender des Mercedes-Teams, sieht den Grund für einen Abbruch der Gespräche nicht auf Mercedes-Seite. "Christian und Helmut (Red-Bull-Teamchef Horner und Motorsportberater Marko; Anm. d. Red.) haben uns genau einen Brief geschrieben, indem sie um Motoren gebeten haben. Ich sagte 'Ja, war wir müssen das erst mit Herrn Mateschitz besprechen, denn Mateschitz war, warum auch immer, nie besonders gut auf Mercedes zu sprechen", so Lauda gegenüber 'Sky Sports F1'.

Als Lauda daraufhin selbst das Gespräch mit Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz suchte, um das Interesse abzufragen, habe ihm dieser geantwortet "Ja, aber, aber, aber...". Diese Zweifel, die sich Lauda nicht erklären kann, hätten zur Folge gehabt, dass "die Gespräche nicht fortgesetzt wurden", so der Aufsichtsratsvorsitzende des Mercedes-Teams.

Kommt es doch noch zum Plan B?

Das Ende vom Lied: Bei Red Bull ist weiter Warten angesagt. Die Frage ist, wie lange noch? "Die gegenwärtige Situation ist ziemlich kritisch, weil wir keinen Motor haben", bemerkt Teamchef Horner. Motorsportberater Marko ergänzt gegenüber 'Sky', dass das in Milton Keynes stationierte A-Team "eine Spur besser als Toro Rosso" dran sei, weil Red Bull dank der Ressourcen schneller reagieren könne. "Aber trotzdem, es wird langsam eng", so Marko.

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff hält abschließend fest: "Man muss sich irgendwann auf die nächste Saison und den Kundenkreis konzentrieren. Das haben wir gemacht. Wir haben die Gespräche nicht mehr geführt. Ich glaube nicht, dass der Helmut betteln kommen würde." Demnach steht Mercedes kurz vor der Bekanntgabe eines Deals der Motorenlieferung an das Manor-Marussia-Team.

Was das Red-Bull-Lager betrifft, stellt sich die Frage, ob es am Ende doch auf einen Plan B mit Kundenmotor ohne Hybrid hinausläuft. Oder müssen sich die vier Piloten - Daniel Ricciardo, Daniil Kwjat, Max Verstappen und Carlos Sainz - für 2016 nach einem neuen Arbeitgeber umsehen, weil Red-Bull-Boss Mateschitz mangels Alternativen tatsächlich die Reißleine zieht und den Rückzug beider Teams erwirkt?