• 19.06.2008 11:08

Magny-Cours: Formel 1 mitten im Nirgendwo

Vorerst zum letzten Mal startet die Formel 1 in Magny-Cours, auf einer attraktiven Strecke, deren Umgebung der Königsklasse nie attraktiv genug war

(Motorsport-Total.com) - Bereits im Jahr 1906 feierte der Grand Prix von Frankreich sein Debüt. Das Rennen auf dem über 100 Kilometer langen Straßenkurs Circuit de Sarthe war zugleich der erste Grand Prix in der Geschichte des Automobilsports - die Geburtsstätte des Automobilrennsports ist also Frankreich und nicht Großbritannien, wie immer wieder behauptet wird. Veranstalter war der französische Automobilklub, der dem Rennen den schmucken Namen Grand Prix de l'Automobile Club de France verlieh.

Titel-Bild zur News: Magny-Cours

Die Formel 1 verabschiedet sich in diesem Jahr wieder einmal von Magny-Cours

Auch wenn man 2006 das 100-jährige Jubiläum groß feierte, fand der erste WM-Lauf zur Formel-1-Weltmeisterschaft in Frankreich erst am 2. Juli 1950 in Reims statt. Dort lieferten sich die Piloten auf der langen Geraden wahre Windschattenschlachten. Auch in Rouen wurde auf einem Straßenkurs gefahren, der wegen seiner schnellen Kurven und rutschigen Kopfsteinpflasterpassagen gefürchtet war.#w1#

Ein französischer Nürburgring

Circuit de Nevers in Magny-Cours

Statt Nevers in Magny-Cours heißt es 2009 "Never in Magny-Cours" Zoom

Ab dem Jahr 1965 fuhr man in Clermont-Ferrand, einer Strecke mitten im Zentralmassiv Frankreichs, deren Ähnlichkeit mit dem Nürburgring nicht zu leugnen war. Die Strecke mit ihren vielen unterschiedlichen Kurven trennte wie die "Grüne Hölle" in der Eifel die Spreu vom Weizen.

Und dann war da noch die traditionelle Rennstrecke von Paul Ricard, die immer wieder mit einem Comeback der Formel 1 in Verbindung gebracht wurde, aber wohl nicht mehr in den Kalender zurückkehren wird, obwohl in diesem Jahr zum angeblich letzten Mal in Magny-Cours gefahren wird - wieder einmal also - und Paul Ricard Formel-1-Boss Bernie Ecclestone gehört.

Seit 1991 findet der Große Preis von Frankreich in Magny-Cours statt. Die 4,411 Kilometer lange Strecke ist in der Formel 1 einzigartig, auch wenn sie oft zu Unrecht als "Retortenkurs" bezeichnet wird. Der Asphalt ist so eben wie auf keiner anderen Rennpiste, weshalb die Autos mit sehr geringer Bodenfreiheit fahren können und somit dank erhöhten Anpressdrucks sehr hohe Kurvengeschwindigkeiten erreichen. 2003 wurde der Kurs im hinteren Bereich verändert, um die Strecke flüssiger zu machen und für mehr Überholmanöver zu sorgen.

Denksport für die Ingenieure

Der Asphalt ist sehr wenig griffig, was eine gute Traktionskontrolle erfordert und die Hinterräder schnell verschleißen lässt. Die Teams verwenden auf der Suche nach Grip eher weichere Reifenmischungen. Berüchtigt sind die sich ständig verändernden Streckenbedingungen. Die Sonne heizt den Asphalt sehr schnell auf, da dieser sehr dunkel ist, und auch ein Windrichtungswechsel kann dazu führen, dass das Setup der Autos von Minute zu Minute verändert werden muss. Gefürchtet ist auch Regen, da dieser wegen der extrem ebenen Strecke schlecht abfließt und den wenig rauen Asphalt schnell rutschig werden lässt.

Ortsschild von Magny-Cours

Ortsschild von Magny-Cours: Die Region hat touristisch nicht viel zu bieten Zoom

An abwechslungsreichen Kurven mangelt es der Strecke nicht. Die schnelle Kurvenkombination nach Start und Ziel wird mit 180 bis 270 km/h durchfahren, danach kommt eine lange Gerade, an deren Ende eine Haarnadelkurve folgt, vor der man gut überholen kann. Ein guter Kurvenausgang vor der Geraden und ein hoher Topspeed sind hier also wichtig.

Es folgen weitere schnelle Schikanen, die man teilweise überhaupt nicht einsehen kann, und eine sehr enge und aufgrund der hohen Randsteine sehr schwierig zu durchfahrende letzte Schikane vor Start und Ziel. Über 70 Runden wird es am Rennsonntag auf dem 'Circuit de Nevers' gehen, das entspricht 308,586 Kilometern.

Ideale Teststrecke im französischen Nirgendwo

Die Strecke wurde ursprünglich als ideale Teststrecke konzipiert, weswegen sie verschiedene Elemente anderer Rennstrecken vereint, auch die Namensgebung der Kurven orientiert sich an anderen großen und bekannten Pisten der Motorsportwelt. Der Vollgasanteil liegt durch die Veränderungen bei 65 Prozent, Bremsverschleiß wie Benzinverbrauch bewegen sich auf mittlerem Niveau.

Im Qualifying hält Juan Pablo Montoya mit 1:11.985 Minuten aus dem Jahr 2002 den Rundenrekord, David Coulthard drehte ebenfalls 2002 im McLaren-Mercedes mit 1:15.045 Minuten eine neuste schnellste Rennrunde. Erfolgreichster Fahrer in Magny-Cours ist übrigens Michael Schumacher mit sagenhaften acht Siegen. In 14 Rennen sammelte der Deutsche 98 WM-Zähler.

Tribünen in Magny-Cours

Frankreich ohne Platz im Formel-1-Kalender? Kaum vorstellbar... Zoom

260 Kilometer südlich von Paris erbaut liegt der Kurs Mitten im Nirgendwo. 1991 wurde der Grand Prix von Frankreich von Le Castellet an der Côte d'Azur nach Magny-Cours verlegt, um dieser Region wirtschaftlich etwas auf die Beine zu helfen. Hinter diesem cleveren Schachzug standen Ex-Staatspräsident Francois Mitterand und Nevers' Bürgermeister Pierre Beregovoy, der gleichzeitig auch noch Finanzminister des Landes war. Dass das Rennen bei den meisten Beteiligten unbeliebt ist, liegt schlichtweg an der Lage des Rennens.

Teure Einöde

Man kann schon sagen, dass der Plan, die Region wirtschaftlich zu fördern, gelungen ist - zumindest für ein Wochenende im Jahr. Die Wirtschaft blüht - noch mehr allerdings die Wirtschaften. Otto Normalverbraucher muss schon sein Sparschwein schlachten, wenn er hier einigermaßen überleben will.

Hotels und Restaurants sind immer noch absolute Mangelware, und die Nachfrage bestimmt, wie das nun mal so ist, auch die Preise. Ohne frühzeitige Buchung bekommt man am Rennwochenende nicht einmal mehr eine Lagerstätte in einer Scheune - auch die sind im Allgemeinen restlos ausgebucht.

Wer sich den Luxus leistet, essen zu gehen, tut gut daran, vorher an einem Würstchenstand schon mal den größten Hunger zu stillen. Wartezeiten im Restaurant von bis zu einer Stunde sind keine Seltenheit, und für den Preis eines einfachen Schnitzels bekommt mal normalerweise gut und gerne ein Drei-Gänge-Menü.

Essen, Trinken und Feiern

Michael Schumacher

Michael Schumacher siegte in Magny-Cours achtmal - einmalig! Zoom

Restaurants gibt es in den Dörfern rund um die Strecke jede Menge. Eines der begehrtesten, auch unter den Fahrern, ist die Pizzeria San Remo in Nevers. Die Wände sind mit Fotos derer gepflastert, die sich hier auch schon mal eine Pizza Ruccola oder eine der anderen Köstlichkeiten des Hauses schmecken ließen: Ayrton Senna, Damon Hill, Jean Alesi, Rubens Barrichello und viele andere. Wer Glück hat, trifft Fahrer und Prominenz auch im La Renaissance oder im Le Paddock in Magny-Cours.

Für Fans des nächtlichen Stadtlebens ist der Große Preis von Frankreich wahrlich nichts, um die Strecke herum befinden sich lediglich ausgedehnte Felder und verschlafene Dörfer. "Die Menükarte des Hotels kenne ich mittlerweile auswendig", meinte einst Eddie Irvine über eine ganz und gar nicht typische Formel-1-Umgebung. Die Lage hat aber den Vorteil, dass die Zufahrt zur Strecke bequem und stressfrei erfolgen kann und es auch an Parkplätzen nicht mangelt.

In puncto Nightlife hat der Grand Prix von Frankreich verhältnismäßig wenig zu bieten, außer man nimmt die lange Fahrt nach Paris in Kauf. Für alle, die sich den Stress nicht antun möchten, gibt es allabendlich Partys rund um den Bahnhof in Magny-Cours. Die Bars und Cafés im Dörfchen St. Parize unweit der Strecke sind an den Grand-Prix-Wochenenden Treffpunkt lokaler Schönheiten. Die größte Auswahl an Lokalitäten, in denen man sich amüsieren kann, hat aber Bourges. Rund um den mittelalterlichen Place Gordaine toben bis spät in die Nacht Partys.

2007:
Nach drei McLaren-Mercedes-Siegen en suite schlägt Ferrari in der Weltmeisterschaft zurück: Felipe Massa führt zwei Stints lang vor Kimi Räikkönen, muss dann aber drei Runden früher als der Finne zum letzten Boxenstopp hereinkommen und verliert daher den möglichen Triumph. WM-Leader Lewis Hamilton fährt mit einer Dreistoppstrategie auf den dritten Platz, gefolgt vom BMW Sauber F1 Team Duo Robert Kubica und Nick Heidfeld. Fernando Alonso im zweiten McLaren-Mercedes wird als Zehnter der Startaufstellung noch Siebenter. Für die kurioseste Szene des Rennens sorgt Christijan Albers, der beim Boxenstopp nicht nur seinen Spyker-Ferrari wieder mit auf die Strecke nimmt, sondern auch den Tankschlauch - und damit unfreiwillig seine Karriere beendet, weil er anschließend gefeuert wird!

2006:
Hohe Asphalttemperaturen führen zu einer Bridgestone-Dominanz, die Michael Schumacher von der Pole-Position aus gestartet nutzt und vor Fernando Alonso (Renault) und Teamkollege Felipe Massa zu seinem achten Sieg in Magny-Cours fährt. Den vierten Platz sichert sich Ralf Schumacher (Toyota) vor Kimi Räikkönen (McLaren-Mercedes), Giancarlo Fisichella (Renault), Pedro de la Rosa (McLaren-Mercedes) und Nick Heidfeld (BMW Sauber F1 Team).

2005:
Nach 22 Jahren Pause kann Renault wieder auf heimischem Boden triumphieren. Fernando Alonso gewinnt in Magny-Cours souverän. Das Rennen ist von wenig Action geprägt, schon früh sind die Positionen bezogen. Hinter Alonso kommt Kimi Räikkönen (McLaren-Mercedes) auf Rang zwei, Michael Schumacher (Ferrari) fährt mit Platz drei den dritten Podestplatz in Folge ein. Es folgen Jenson Button (BAR-Honda), Jarno Trulli (Toyota), Giancarlo Fisichella (Renault), Ralf Schumacher (Toyota) und Jacques Villeneuve (Sauber-Petronas).

2004:
Fernando Alonso steht beim Heimrennen von Renault auf der Pole-Position und führt zu Beginn auch im Rennen. Der Grand Prix entwickelt sich zu einem fast typischen Magny-Cours-Rennen: wenig Überholmanöver und taktische Spielereien. Doch gerade die Taktik spielt eine große Rolle. Bereits in der elften Runde tankt Michael Schumacher zum ersten Mal und zur Überraschung aller biegt er drei weitere Male zum kleinen Service an die Box ab. Der Ferrari-Pilot gewinnt mit einer Vierstoppstrategie vor Fernando Alonso und Rubens Barrichello (Ferrari), der in der letzten Schikane noch Jarno Trulli (Renault) überholt. Die restlichen Punkteränge gehen an Jenson Button (BAR-Honda), David Coulthard, Kimi Räikkönen (beide McLaren-Mercedes) und Juan Pablo Montoya (BMW WilliamsF1 Team).

Podium in Frankreich 2003

Ralf Schumachers letzter Grand-Prix-Sieg: Gemeinsam mit Michael auf dem Podium Zoom

2003:

2002:
Michael Schumacher kann sich mit einem Sieg vorzeitig seinen fünften Weltmeistertitel sichern, im elften Rennen der Saison. Doch der Sieg in Magny-Cours fällt ihm in den Schoß. Der Kerpener führt das Rennen klar und deutlich an, bis er nach seinem Boxenstopp die weiße Linie am Ausgang überfährt und, wie viele andere in diesem Rennen auch, eine Durchfahrtsstrafe absitzen muss. Nach den letzten Boxenstopps liegt Kimi Räikkönen an der Spitze und hat den Sieg vor Augen, Michael Schumacher, wieder auf Platz zwei liegend, müsste den Finnen überholen, um sich den Titel zu sichern. Doch fünf Runden vor Schluss kommt Räikkönen auf der Ölspur ins Rutschen, die vom Motorschaden an Allan McNishs Toyota auf der Bahn liegt. Schumacher nützt die Gelegenheit und geht vorbei - sein 61. Grand-Prix-Sieg und sein fünfter Weltmeistertitel sind daraufhin nicht mehr in Gefahr.

2001:
Mit einem taktisch perfekten Rennen sichert sich Michael Schumacher vor BMW WilliamsF1 Team Pilot Ralf Schumacher den sechsten Saisonsieg im zehnten Rennen und feiert zugleich seinen 50. Jubiläumssieg. Mika Häkkinen bleibt schon am Vorstart mit technischen Problemen stehen, Teamkollege David Coulthard fährt zu schnell in der Boxengasse und muss eine Zehn-Sekunden-Zeitstrafe absitzen, was ihn um einen leicht möglichen zweiten Platz bringt. Stattdessen kommt der Schotte nur auf den vierten Platz. Die letzten WM-Ränge belegten Jarno Trulli im Jordan-Honda als Fünfter und Nick Heidfeld, der im Sauber nach vielen enttäuschenden Rennen als Sechster endlich wieder einen WM-Zähler einfährt.

2000:
Michael Schumacher geht in Führung, schneidet beim Start David Coulthard, um seine Position zu verteidigen und muss sich gegen den Schotten in der Haarnadelkurve wehren, der eindeutig schneller unterwegs ist. Coulthard fühlt sich unfair behandelt und zeigt dem Deutschen den "Stinkefinger". 13 Runden vor Schluss fällt Schumacher mit Motorschaden aus. Coulthard siegt vor McLaren-Mercedes-Teamkollege Mika Häkkinen und Rubens Barrichello im Ferrari.

1999:
Bei einem Rennen mit starkem Regen gelingt es Heinz-Harald Frentzen dank fehlerfreier Fahrt und einer cleveren Strategie, seinen ersten Sieg für das Jordan-Team zu holen. Schon das Qualifying ist verregnet und Rubens Barrichello kann im Stewart-Ford die erste Pole für das Team herausholen, weil es ihm gelingt, zum optimalen Zeitpunkt auf die Strecke zu gehen. Der Brasilianer führt sechs Runden, bis ihn David Coulthard überholt. Coulthard fällt jedoch mit technischen Problemen aus. Frentzen gewinnt vor Mika Häkkinen und Rubens Barrichello.

1998:
Als Jos Verstappen seinen Stewart-Ford am Start abwürgt, muss das Rennen neu gestartet werden, wovon Michael Schumacher profitiert, der nach dem Neustart in Führung geht. Eddie Irvine hält die McLaren-Mercedes auf Distanz und kommt hinter Michael Schumacher und vor Mika Häkkinen auf den zweiten Platz.

1997:
Michael Schumacher gewinnt im Ferrari vor Heinz-Harald Frentzen im Williams-Renault. Eddie Irvine im zweiten Ferrari kommt auf Platz drei. David Coulthard wird bei einem gescheiterten Überholversuch durch Jean Alesi aus dem Rennen geworfen.

1996:
Damon Hill gewinnt vor Williams-Renault-Teamkollege Jacques Villeneuve. Jean Alesi holt im Benetton den dritten Platz. Michael Schumacher steht zwar auf der Pole-Position, scheidet dann aber mit einem kapitalen Motorschaden schon in der Einführungsrunde aus!