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Kolumne: Der Mann mit dem goldenen Füllhorn

Alles wird gut bei Lotus, und auch die Mitarbeiter müssen nicht mehr lange auf ihr Geld warten, wenn nur Mansoor Ijaz erstmal sein goldenes Füllhorn öffnet

Titel-Bild zur News: Lotus-Renault E20

Das Lotus-Team könnte ein goldenes Füllhorn derzeit gut gebrauchen

(Motorsport-Total.com) - Mansoor Ijaz ist der große Retter. Als öffentliche Speerspitze der Investmentgruppe Quantum verspricht er nicht nur, zunächst 35 Prozent des finanziell angeschlagenen Lotus-Teams zu übernehmen und dieses zu retten; sondern langfristig, so weiß die Formel-1-Presse seit seinem prophetisch anmutenden Auftritt in Abu Dhabi, will er sogar allen Rennställen zu viel mehr Geld verhelfen, damit die öde gewordenen Rennen wieder spannend werden. In einer Zeit, in der der Markt von praktisch allen Insidern als durchwachsen bezeichnet wird, ist Mansoor Ijaz offenbar der Mann mit dem letzten goldenen Füllhorn.

Bereits seit 18. Juni dieses Jahres ist der Deal mit Lotus über die Bühne - zumindest wurde es der Öffentlichkeit damals so dargestellt. Unter dem pathetischen Titel "In die Unendlichkeit und darüber hinaus" wurde unmissverständlich formuliert: "Das Lotus-Team hat ab dem heutigen Tag neue Teilhaber." Um das Wortspiel in der Headline zu verstehen, muss man wissen: Unendlichkeit bedeutet im Englischen Infinity, und Infinity hieß damals die von Ijaz repräsentierte Gruppe. Inzwischen heißt sie Quantum, aber die Story dahinter, die ist tatsächlich unendlich.

Das Geld für den schon im Juni abgeschlossenen Deal ist bis heute nicht geflossen. Alles viel zu kompliziert, denn der Hauptinvestor (anonym, versteht sich) will nun doch nicht mehr Haupt-, sondern nur noch Teilinvestor sein. Dann sei ein Problem, dass nur in Staatsanleihen - amerikanische, niederländische, wie auch immer - bezahlt werden soll, und die müssen erst einmal aufgelöst werden. Dafür musste Mansoor Ijaz eine völlig neue Banken-Infrastruktur erfinden, sagt er. Aber inzwischen sei das Geld sowieso längst angewiesen.

Wer braucht denn schon PDVSA?

Die Empfängerbank reibe sich schon die Hände und sei in freudiger Erwartung des Millionenregens, der Lotus retten wird. Dann wird alles gut: Eric Boullier kann endlich Nico Hülkenberg verpflichten, denn Pastor Maldonado ist, so munkelt man, nicht einmal zweite Wahl. Und wozu sollte man die PDVSA-Millionen brauchen, wenn doch Quantum kommt und bald das Füllhorn öffnet? Bald ist dabei das Schlüsselwort. Bald war zuerst im Juni. Dann unmittelbar nach Abu Dhabi. Dann war bald nach Austin, und inzwischen ist bald nach Sao Paulo. Kann ja niemand ahnen, dass die Banken so genau prüfen, wo das Geld herkommt und wie schmutzig oder sauber es ist.

"Die Diskussionen gehen weiter, jetzt vor allem zwischen den Bankern", sagt Teamchef Eric Boullier in der Freitags-Pressekonferenz in Sao Paulo. "Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen, aber ich denke, ein Teil davon wurde erledigt, was natürlich ein gutes Zeichen für das Wochenende ist. Wir hoffen, dass Anfang nächster Woche alles abgeschlossen sein wird." Warum auch nicht, denn Mansoor Ijaz verspricht ja (immer noch), dass längst alles geritzt ist. Kann also nur noch eine Frage von Tagen sein.

Christian Nimmervoll

Chefredakteur Christian Nimmervoll hat keinen Grund, an Mansoor Ijaz zu zweifeln Zoom

Gut so, denn Lotus-Finanzchef Patrick Louis hat die Mitarbeiter des Teams inzwischen schon mal präventiv darüber informiert, dass sie ihr November-Gehalt nicht pünktlich sehen werden. Es tue ihm "sehr leid", schreibt der Franzose in einer E-Mail, die inzwischen auch auf Twitter kursiert, und man werde alles unternehmen, um die Probleme zu lösen. "Im schlechtesten Fall" werde man die Gehälter am Monatsende überweisen. Man hört, dass so mancher Lotus-Zulieferer mehr als happy wäre, wenn er sein Geld immer so pünktlich sehen würde.

Gehälter wieder zu spät: Team bittet um Geduld

Aber warum Panik schieben und sich gleich einen neuen Job suchen, nur weil das Gehalt ein paar Mal zu spät überwiesen wurde? Immerhin kommen goldene Zeiten auf die Lotus-Mitarbeiter zu, wenn nur mit Mansoor Ijaz einmal alles über die Bühne ist. Dafür, dass die Belegschaft in Enstone so geduldig war, will er sie nämlich mit Bonuszahlungen belohnen. Aus eigener Tasche, versteht sich. Nobel, nobel. Vielleicht ist er deswegen aus Austin statt mit einem standesgemäßen Privatjet mit einer stinknormalen Linienmaschine abgereist.

Bei Lotus hat man jedenfalls blindes Vertrauen, dass der Deal erfolgreich über die Bühne gehen wird. Wie verzweifelt sich die Verantwortlichen an den Strohhalm Quantum klammern, beweist alleine schon die Tatsache, dass Eric Boullier bereitwillig (wenn auch ein wenig verdutzt) sein Büro räumt, wenn Herr Ijaz gerade jemanden unter vier Augen sprechen möchte. Stellen Sie sich mal vor, ein Ferrari-Investor, der noch keinen Cent bezahlt hat, würde Stefano Domenicali hinauskomplimentieren! Enzo Ferrari würde wohl höchstpersönlich als Geist vom Himmel herabsteigen und denjenigen in hohem Bogen rausschmeißen...

Aber wes Brot ich ess, des Lied ich sing, wird sich Boullier denken - und erstmal weiterhin zähneknirschend Platz machen, wenn Herr Ijaz seinen Schreibtisch braucht. Denn Beweise dafür, dass Mansoor Ijaz ein Hochstapler ist, gibt es nicht. Sicher, seine Wikipedia-Seite wirkt subjektiv betrachtet ein bisschen konstruiert, aber die hat er schließlich nicht selbst angelegt. Und wer mit dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton auf du und du ist (siehe Fotobeweis), der muss schließlich seriös sein. Merkwürdig nur, dass Google etwas gegen Mansoor Ijaz zu haben scheint.


Mansoor Ijaz in einem Nacktwrestling-Musikvideo

Aber das sei nicht weiter verwunderlich, beruhigt der gebürtige Amerikaner, schließlich habe er durch seine geheimdienstlichen Tätigkeiten viele Feinde auf der Welt. Vielleicht auch Feinde seines Vaters, immerhin hat der an der pakistanischen Atombombe mitgewirkt. Und Eric Boullier nimmt das Internet als Quelle sowieso nicht ernst: "Zum Glück stützen wir unsere Einschätzung nicht auf Google, bei allem Respekt vor Google. Aber um die Frage zu beantworten: Ja, wir haben sehr seriöse Beweise für vorhandenes Vermögen und gute Compliance über Quantum Motorsport."

Google, dieses Teufelszeug!

Zum Glück hat Lotus nicht den Fehler gemacht, Mansoor Ijaz' Namen zu googeln! Möglicherweise hätten die Herrschaften dann nämlich kalte Füße bekommen und den sicheren Millionenregen in den Wind geschossen. Hätte ja passieren können, dass man unnötig Panik schiebt - gerade als jemand, der schon einmal einem Blender aufgesessen ist. Wir erinnern uns: Der US-Konzern Honeywell sollte eigentlich als Sponsor an Bord kommen, die gewachsenen roten Flächen am Auto waren dafür reserviert. Aber bei Honeywell wusste davon niemand - von einem windigen Agenten mal abgesehen.

Mansoor Ijaz wird's schon richten, daran haben wir jedenfalls keinen Zweifel. Kein Wunder, dass die Banken so lang brauchen, schließlich ist er der Erste, der arabische Gelder in die Formel 1 bringt. Aabar, Mubadala, Mumtalakat - alles nie passiert. Beziehungsweise waren da die Umstände ganz anders, klar. Aber das versteht der ungebildete Durchschnitts-Journalist nicht. Mansoor Ijaz schon, schließlich hat er in Harvard studiert. Da ist man klug, da weiß man das. Und Eric Boullier, Gerard Lopez und Eric Lux wissen es auch.

Eric Lux und Gerard Lopez

Die Lotus-Bosse Eric Lux und Gerard Lopez hoffen weiterhin auf das Quantum-Wunder Zoom

Ich persönlich habe jedenfalls nicht den geringsten Funken eines Zweifels daran, dass Mansoor Ijaz Lotus retten und das millionenschwere Projekt stemmen wird. Immerhin war er ja auch mal - schon gewusst? - erfolgreicher Gewichtheber, und im Stemmen von Dingen, die der schmächtigen Figur eigentlich niemand zutrauen würde, hat er also schon Erfahrung. Schön wär's, wenn das Märchen wahr werden würde, ganz im Ernst. Denn dann wäre Lotus vielleicht doch noch die gute Formel-1-Adresse, die sich ein Nico Hülkenberg verdient hätte...

Christian Nimmervoll

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