Lotus wird ungeduldig: Wo bleibt das Quantum-Geld?

Die abenteuerlichen Geschichten rund um den angeblichen Lotus-Investor Quantum scheinen langsam auch beim Team erste Zweifel aufkommen zu lassen...

(Motorsport-Total.com) - Es waren abenteuerliche Geschichten, die er den anwesenden Journalisten auftischte, als er in Abu Dhabi erstmals vor die neugierige Formel-1-Presse trat. Die Rede ist von Mansoor Ijaz, dem Gesicht der ansonsten anonymen Investorengruppe Quantum, die bekanntlich 35 Prozent des Lotus-Teams übernehmen möchte. Bereits im Juni wurde der Deal hochoffiziell bekannt gegeben, Geld ist aber bis heute keines geflossen. Kein Wunder also, dass sich manche Insider inzwischen an die BMW-Qadbak-Luftnummer von 2009 erinnert fühlen, die damit endete, dass doch Peter Sauber sein Team zurückkaufen musste.

Titel-Bild zur News: Eric Lux und Gerard Lopez

Den Lotus-Chefs Eric Lux und Gerard Lopez geht die Geduld mit Quantum aus Zoom

In Harvard habe er studiert, erzählt Ijaz, und sein Vater sei einer der intellektuellen Köpfe hinter der Entwicklung der pakistanischen Atombombe gewesen. Nicht gerade eine Geschichte, mit der man sich rühmen sollte, wenn man mit einem westlichen Business wie der Formel 1 ins Geschäft kommen möchte. Gewichtheber, sagt Ijaz, sei er auch einmal gewesen, und seine etwas merkwürdig anmutende Wikipedia-Seite zeigt ihn Arm in Arm mit dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton.

Doch trotz seiner politischen und geheimdienstlichen Verbindungen hat sich Ijaz jetzt vorgenommen, die Formel 1 zu einem besseren Ort zu machen. Lotus, philosophierte er in Abu Dhabi vor sich hin, sei erst der Anfang - langfristig habe Quantum vielmehr vor, alle Teams zu sponsern, damit das Leistungsgefälle zwischen den Großen und Kleinen nicht mehr so groß ist. Aber zunächst einmal wolle man sich auf den Abschluss des Lotus-Deals konzentrieren, dann erst auf die große Nummer.

Situation in Abu Dhabi falsch eingeschätzt

In Abu Dhabi war angeblich schon alles klar, aber als Ijaz in Austin noch einmal mit handverlesenen Journalisten sprach, bedauerte er, dass er sich zwei Wochen zuvor zu weit aus dem Fenster gelehnt habe. Die Angelegenheit sei komplizierter als gedacht. Aber dass Geld aus dem Mittleren Osten von den Behörden genau durchleuchtet wird und die Überweisung länger dauert, sei ja gemeinhin bekannt. Nur: Warum hatten dann andere Teams mit arabischen Geldgebern nie Probleme damit?

Mercedes sei hier als Beispiel genannt (Aabar aus Abu Dhabi), McLaren (Mumtalakat aus Bahrain) oder auch Toro Rosso (Falcon-Bank, eine Aabar-Tochter mit Sitz in der Schweiz), und sogar Ferrari hatte vor Jahren mit Mubadala einen Teilhaber aus Abu Dhabi. Alles kein Problem. Aber Quantum kriegt den Deal mit Lotus nicht auf die Spur. Warum? Ijaz versucht zu erklären - und verweist dabei auf Komplexitäten des internationalen Bankenwesens, die ein Laie kaum noch durchblicken kann.

"Wir hatten das Investment ursprünglich mit einem großen Investor aus dem Fernen Osten konfiguriert", sagt er im Interview mit 'Motorsport-Total.com', geführt am vergangenen Wochenende. "Dieser Investor entschied sich dazu - aus seinen eigenen Gründen und wegen Komplikationen, auf die ich nicht näher eingehen kann -, auf andere Art und Weise an der Transaktion teilzunehmen, als selbst das hauptsächliche Investment zu tätigen."


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Bezahlung nur in Form von Staatsanleihen

"Unser Investor aus Abu Dhabi übernahm dann die Initiative und wurde Hauptinvestor, stimmte aber nur zu, in Form von United States Treasuries (US-Staatsanleihen) oder in Form von Staatsanleihen aus Deutschland, Belgien oder den Niederlanden zu zahlen", erläutert der 52-Jährige. "Um das Unternehmen aus Abu Dhabi dazu zu bekommen, die Anleihen zu transferieren, benötigten wir ein angemessenes Konten-Rahmenwerk."

"In der heutigen Bankenwelt - selbst wenn die Banken den primären Kunden ziemlich gut kennen, wie es bei Genii oder bei mir der Fall ist - benötigt es für ein Investmentunternehmen aus Abu Dhabi in den Vereinigten Staaten immer noch Zeit, aus Compliance-Perspektive eine Freigabe zu erhalten. Also haben wir es zuerst unter meiner Kontrolle probiert. Nach drei oder vier Wochen dauerte uns das zu lang, also brachen wir den Vorgang ab", berichtet er.

"Nach drei oder vier Wochen dauerte uns das zu lang, also brachen wir den Vorgang ab." Mansoor Ijaz

"Genii meinte dann, sie würden es versuchen. Das dauerte wieder drei oder vier Wochen und funktionierte wieder nicht. Dann versuchten wir es gemeinsam, und das in die Wege zu leiten, kostete uns den Monat September. Im Oktober wurde dann die erste Charge transferiert. Beim Transfer der zweiten Charge entstanden dann Komplikationen, die ich nicht öffentlich diskutieren kann", bleibt Ijaz vage.

Geld schon lange verfügbar, nur die Transaktion ist das Problem

"Unsere Investorenanleihen wurden in Fonds gehalten, welche erst aufgelöst werden mussten, um das Investment zu tätigen. Während wir also die Bankeninfrastruktur errichtet haben, die brandneu war, um diese spezielle Anforderung zu erfüllen, lösten sie ihre Anleihenfonds auf. Sie lieferten uns innerhalb von drei Wochen - Ende Juli, Anfang August - die Anleihen. Sie liegen schon seit zweieinhalb Monaten bei uns", fährt er fort.

"Alles, was seither passiert ist, war, die Konten zu öffnen, in der Konfiguration, die die Aufnahme der Anleihen ermöglicht, und die Anleihen angemessen zu monetisieren, damit der Cashflow in die Firma fließen kann. Stellen Sie sich vor, dass man ein neues Konto hat, mit nichts drauf. Und am nächsten Tag sollen 100, 200, 300 Millionen eingezahlt werden. Das verändert die Auflagen für die Bank dramatisch, damit sie sicherstellen können, dass alles mit rechten Dingen zugeht", beteuert er.

"Stellen Sie sich vor, dass man ein neues Konto hat, mit nichts drauf. Und am nächsten Tag sollen 100, 200, 300 Millionen eingezahlt werden. Das verändert die Auflagen für die Bank dramatisch." Mansoor Ijaz

Das Geld sei nicht schmutzig, versucht man zu versichern, aber Teil des Problems ist, dass der Hauptinvestor anonym bleiben möchte. "Das ist genau das Thema", bestätigt Lotus-Eigentümer Gerard Lopez. Laut Ijaz ist jetzt aber alles geregelt: "Ich glaube, dass wir das jetzt aussortiert haben, aber meine Güte, es war ein sehr schwieriger Prozess! Das Geld wurde von unseren Konten bereits abgebucht und die Empfängerbanken wurden informiert, dass das Geld kommt."

Lopez gibt erstmals zu: Verzögerungen sind "abnormal"

Das wird auch höchste Zeit, denn selbst Lopez spricht inzwischen von "abnormalen Verzögerungen" in Zusammenhang mit dem Quantum-Deal: "Wir werden schon bald wissen, ob es klappt oder nicht. Wir haben ihnen jedenfalls gesagt, dass es jetzt sehr bald passieren muss." Ein Ultimatum werde man Quantum aber erst "nach Brasilien" stellen, meint Lopez im Interview mit 'Motorsport-Total.com': "Entweder passiert es vor Brasilien - oder sie bekommen eine sehr harte Deadline."

Wie groß die Verzweiflung bei Lotus ist, erkennt man auch daran, dass sich Ijaz schon jetzt wie der neue Teamchef aufspielen darf. Das geht so weit, dass der gebürtige Amerikaner sogar Teamchef Eric Boullier aus dessen Büro schmeißt, wenn er es gerade für ein Interview benötigt. Andererseits ist er dann doch so bescheiden, bei der Abreise aus Austin wie jeder andere auch durch den Sicherheitscheck für Linienflüge zu gehen - also kein privater oder zumindest privat gecharterter Jet.

Lotus ist schon einmal auf einen Blender reingefallen, als das 2014er-Auto in Erwartung von Honeywell-Sponsorenmillionen teilweise rot lackiert wurde. Aber das Geld kam nie an. Lopez, von 'Motorsport-Total.com' darauf angesprochen, räumt ein, dass man Parallelen erkennen könnte, wenn man zynisch sein möchte, "aber Honeywell hatten wir nicht selbst in der Hand. Genauer gesagt glaubten wir gar nicht daran, dass es passieren würde."

Nach Honeywell: Fällt Lotus wieder auf einen Blender rein?

Auf eine gründliche Prüfung habe man damals verzichtet, "weil wir der vermittelnden Agentur vertraut haben. Wir vertrauten der Agentur, also vertrauten wir Honeywell. Aber das ist etwas ganz anderes." Nach dem Honeywell-Fiasko sei man vorsichtiger geworden, als Quantum anklopfte: "Eine der größten Banken der Welt hat eine volle Finanzprüfung vorgenommen, daher haben wir es nicht selbst gemacht." Zweifel an Quantums Seriosität kamen dabei offenbar nicht auf.

Hundertprozentig sicher, dass das Quantum-Geld kommen wird, wirken die Lotus-Chefs inzwischen nicht mehr. Von Lopez-Seite könne man dazu jetzt auch nichts mehr beitragen: "Unsere Seite des Deals, die Dokumentation und so weiter, ist erledigt. Auf der anderen Seite geht es noch um das Geld auf der Bank. Damit wäre es abgeschlossen. Wir sind guter Dinge, dass wir den Deal abschließen können." Doch das müsse jetzt bald geschehen.

Präsentation des Lotus-Renault E21

Die roten Flächen auf dem Lotus E21 waren eigentlich für Honeywell reserviert Zoom

Immerhin sitzt Lotus auf diversen Schulden, sodass auf jeden Fall von irgendwoher Geld kommen muss. Pastor Maldonado und PDVSA wären da eine Möglichkeit, ein 100-Prozent-Verkauf des Teams hingegen nicht: "Wir werden das Team sicher nicht überhastet verkaufen", stellt Lopez klar und unterstreicht: "Das wird nicht passieren." Ursprünglich habe man ja fünf Interessenten gehabt - und sich letztendlich auf Quantum als interessanteste Variante festgelegt...

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