Gewagte Formel-1-Thesen 2015: Was die Experten sagen (2/2)

War Fernando Alonso wirklich ohnmächtig? Ist Mexiko für die Formel 1 wichtiger als Deutschland? Experten gehen den wichtigsten Thesen 2015 auf den Grund...

(Motorsport-Total.com) - Was wäre die Formel 1, wenn alle immer einer Meinung wären? Wie auch König Fußball und (fast) jede andere Sportart bezieht die Königsklasse auf vier Rädern einen großen Teil ihrer Faszination daraus, dass es zwar am Ende einer Saison nur einen Weltmeister, aber dutzende Meinungen und noch mehr Perspektiven gibt - und meistens auch die eine oder andere Verschwörungstheorie. Und das Allerschönste daran ist, dass sich die Fans darüber in teilweise grenzwertig leidenschaftlich geführten Auseinandersetzungen gegenseitig die Schädel einhauen können (natürlich rein metaphorisch gesprochen). Frei nach dem Motto: Was wäre das Wembley-Tor ohne Schiedsrichter-Fehlentscheidung gewesen?

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Der Testunfall von Fernando Alonso brachte Verschwörungstheorien auf Zoom

Das haben wir uns zum Anlass genommen, im Rahmen unseres Jahresrückblicks 2015 19 Thesen aufzustellen (also genauso viele, wie die Saison Rennen hatte), teilweise sehr provokant formuliert, und wir haben anerkannte Formel-1-Experten damit konfrontiert. Diese hatten Gelegenheit, die Thesen mit "Stimmt, weil..." oder "Stimmt nicht, weil..." zu kommentieren - und ihre Meinung kompakt zu begründen. Das Ergebnis ist hochinteressant, bringt teilweise spannende Gedankenansätze zutage und liefert unseren Usern sicher Stoff für weitere Diskussionen. Aber lesen Sie selbst!

Nachdem wir im ersten Teil des Features unter anderem über eine mögliche Manipulation der letzten drei Rennen durch Mercedes besprochen haben, ebenso wie über die These, dass Kimi Räikkönen nicht zu den fünf besten Fahrern gehört, stellen wir heute neun weitere Thesen zur Diskussion.

These #11: Max Verstappen ist der beste Überholer der Formel 1 und ein künftiger Weltmeister.

Max Verstappen, Jenson Button, Felipe Nasr

Max Verstappens Überholmanöver waren eines der Highlights des Jahres 2015 Zoom

Zweifellos ist der Toro-Rosso-Junior die Entdeckung der Formel-1-Saison 2015. Selbst wenn seine waghalsigen Manöver auch mal schief gingen, etwa in Monaco, so leistete er sich für sein zartes Alter von 17 Jahren doch verhältnismäßig wenige Dummheiten. Es sei "eine heiße Nummer" gewesen, "so einen Jungen in ein Formel-1-Auto zu stecken", gibt der ehemalige Formel-1- und heutige DTM-Fahrer Timo Glock zu, vor Melbourne zu den Verstappen-Skeptikern gehört zu haben. "Aber er hat alle Lügen gestraft, die das gesagt haben."

"Aus diesem Holz sind Weltmeister geschnitzt. Ausprobieren, mutig sein, keine Angst vor großen Tieren", outet sich Felix Görner vom deutschen Formel-1-Sender RTL als Verstappen-Fan. Und auch Dieter Rencken, Vor-Ort-Reporter von Motorsport-Total.com und Formel1.de, ist vom jungen Niederländer beeindruckt: "Die These stimmt, weil noch kein anderes Nachwuchstalent je so in die Formel 1 eingestiegen ist wie er. Man muss sich nur anschauen, wie er es furchtlos mit den Allerbesten aufnimmt."

Laut Andreas Gröbl, Moderator unter anderem der Formel-1-Talkshows auf ServusTV, hat Verstappen "genau das bisschen Car-Control mehr, das es ihm erlaubt, imaginäre Linien bei 300 km/h zu überschreiten, vor denen andere zurückschrecken. In der zu Tode regulierten Formel 1 eine echte Wohltat, wieder einmal jemanden außerhalb des Grenzbereichs zu sehen. Ich sage nur: Spa, Blanchimont, außen!" Oder auch Senna-S in Sao Paulo, gegen Sergio Perez.

Aber es gibt auch Stimmen, die auf die Euphoriebremse steigen: "Das zu beurteilen, sollte man mindestens eine zweite Saison abwarten", kommentiert Gerhard Kuntschik, Journalist bei den Salzburger Nachrichten, die These, und Ralf Bach von der Sport Bild sagt klipp und klar: "Stimmt nicht. Weil Überholen nicht alles ist." Einen augenzwinkernd, aber dennoch durchaus vor ernstem Hintergrund gemeinten Einwand hat Michael Noir Trawniczek von motorline.cc: "Das Zeug zum Weltmeister hat er", aber: "Irgendwann kommen dann auch die erste Liebe und der erste Vollrausch. Und das Abitur." Die Führerscheinprüfung hat der 18-Jährige ja schon hinter sich gebracht...

These #12: Monisha Kaltenborn hätte wegen der van-der-Garde-Affäre zurücktreten müssen.

Giedo van der Garde im Gericht in Melbourne

Ein Gericht in Melbourne entschied in der Affäre Giedo van der Garde Zoom

Eine These, zu der sich einige Experten lieber nicht äußern wollen. "Keiner von uns kann die Zwänge beurteilen, denen ein ausgeblutetes Team wie Sauber unterliegt", begründet Andreas Gröbl (ServusTV) die Zurückhaltung beim Draufdreschen auf seine (österreichische) Landsfrau an der Spitze des Sauber-Teams. "Und als Juristin hat sie nicht aus Jux und Tollerei Verträge unterzeichnet. Die Optik war schief, weil es auch für alle Medien eine tolle Story war. Aber wer es besser gekonnt hätte: Hand hoch!"

Worum geht's eigentlich? Sauber hatte für 2015 Stammfahrer-Vereinbarungen mit gleich fünf Piloten: Felipe Nasr und Marcus Ericsson saßen letztendlich in den Cockpits, Esteban Gutierrez einigte sich schmerzlos und wurde Ferrari-Testfahrer, Jules Bianchi konnte seinen am Vortag seines schweren Unfalls in Suzuka geschlossenen Deal aus bekannten, tragischen Gründen nicht einhalten. Aber da war auch noch Giedo van der Garde, und der (oder besser gesagt sein Schwiegervater) schleppte Kaltenborn vor Gericht - was die Formel 1 in Melbourne in Atem hielt.

Letztendlich wurde van der Garde ein "Schmerzensgeld" in Höhe von 15 Millionen Euro bezahlt, weil er nicht im Auto sitzen durfte, aber es gibt auch Stimmen, die behaupten, dass die Klage nie das Ziel hatte, den Niederländer in die Formel 1 zu bringen, sondern dass es vor allem darum ging, das ohnehin schon krisengeschüttelte Sauber-Team weiter zu destabilisieren - eventuell für eine feindliche Übernahme. Restlos geklärt werden kann das wahrscheinlich nicht.

Ralf Bach (Sport Bild) gehört zu denen, die Kaltenborn verteidigen: "Sie hätte sich eigentlich ein Denkmal dafür verdient, sich nicht der Mafia zu beugen." Und Gerhard Kuntschik (Salzburger Nachrichten) meint: "Ich bezweifle, dass die Öffentlichkeit oder selbst Insider wirklich alle Details kennen, die da mitgespielt haben. Daher bin ich vorsichtig, Frau Kaltenborn zu verurteilen. Im Prinzip sage ich: Als Spitzenjuristin hätte ihr das nicht passieren dürfen. Aber ich kenne die Details nicht."

These #13: McLaren hätte mit einem Mercedes-Antrieb Rennen gewonnen.

McLaren-Honda MP4-30

Der McLaren-Honda MP4-30 war wohl auch aerodynamisch kein großer Wurf Zoom

Mit 182 Siegen ist McLaren nach Ferrari das zweiterfolgreichste Team der Formel-1-Geschichte, aber der letzte Grand-Prix-Triumph liegt inzwischen schon ein Weilchen zurück: Jenson Button gewann 2012 das Saisonfinale in Brasilien. 2013 und vor allem 2014, mit dem mutmaßlich besten Antrieb im Heck, war der britische Rennstall aus Woking nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Verantwortung für das Seuchenjahr 2015 wurde oftmals Honda in die Schuhe geschoben, aber ist das überhaupt gerechtfertigt?

Auch das Chassis war nicht so gut, dass McLaren es mit Mercedes hätte aufnehmen können, finden die Experten fast einhellig. "Sie konnten auch vergangenes Jahr kein Rennen gewinnen", meint Dieter Rencken (Motorsport-Total.com & Formel1.de) und hält daher fest, dass die These nicht stimmt. Eine knappe Mehrheit widerspricht jedoch und glaubt sehr wohl, dass McLaren immer noch das Zeug hat, mit dem richtigen technischen Partner ganz vorne mitzufahren.

Und dann ist ein sogenannter "Lucky Shot" immer drin: "Zumindest auf dem Niveau von Force India hätten sie fahren müssen. Und dann müsste eigentlich der Faktor Fahrer noch zugunsten von McLaren ausschlagen", spekuliert Andreas Gröbl (ServusTV). "Alonso in Singapur? Button in Suzuka? Wer weiß?" Zur Erinnerung: 2008 hat Alonso immerhin zwei Rennen gewonnen - und das Renault-Chassis war damals wenn überhaupt, dann nur unwesentlich besser als das McLaren-Chassis von 2015. Stets isoliert vom Antrieb betrachtet freilich, was nur in der Theorie zulässig ist, in der Praxis aber unmöglich.

"Es wäre immer noch schwierig geworden, aber es wäre ein Topauto gewesen", sagt Timo Glock über die These. "Ich glaube, das Auto ist nicht so schlecht. Deswegen hätten die mit dem richtigen Motor ganz gut dabei sein können." Und Felix Görner (RTL) hätte McLaren mit Mercedes-Power zumindest einen Sieg zugetraut, "weil die Ressourcen eines Siegerteams vorhanden sind. Dazu hätten Alonso, Button EINE Chance mindestens genutzt, siehe Vettel und Ferrari."

These #14: Fernando Alonso war schon vor dem Aufschlag bei seinem Testunfall in Barcelona ohnmächtig.

Fernando Alonso

Das Unfallauto von Fernando Alonso nach dem mysteriösen Crash beim Testen Zoom

Die Formel-1-Saison 2015 hatte schon vor dem ersten Rennen ihren ersten großen Aufreger. Fernando Alonso musste nach einem zunächst harmlos aussehenden Testunfall in Barcelona ins Krankenhaus - aber richtig erklären kann das, was damals passiert ist, bis heute niemand. Eine Verschwörungstheorie lautet: Der Spanier hat vom Honda-Hybridsystem einen Stromschlag abbekommen und war schon bewusstlos, bevor er überhaupt in die Mauer einschlug.

Die These "stimmt, weil man nur so einen Unfall wie diesen erklären kann", schlägt sich Ralf Bach (Sport Bild) ohne Raum für Zweifel auf die Seite der Verschwörungstheoretiker. Dieter Rencken (Motorsport-Total.com & Formel1.de) glaubt hingegen nicht, dass die These stimmt, räumt aber immerhin ein, dass der ganzen Affäre "etwas Unheimliches" angehaftet hat.

"Pure Spekulation", sagt Andreas Gröbl (ServusTV). "Ohne Fakten kann man das nicht beurteilen. Mein Gefühl sagt mir allerdings: Es wäre der erste derartig blöde Unfall, den ein gesunder, wacher Alonso in den letzten 15 Jahren verursacht hätte. Daher im Zweifel: Ja. Und dass man ihn dann sicherheitshalber zweimal sediert hat, erklärt den folgenden Krankenhausaufenthalt. Wenn es stimmt, ist es der wahre Skandal."

These #15: Manor trägt nichts zum Wert der Formel 1 als massentauglicher Sportevent bei.

Roberto Merhi, Will Stevens

Roberto Merhi und Will Stevens fuhren auf Manor-Marussia meistens hinterher Zoom

Drei Jahre lang ist Timo Glock für das britische Nachzügler-Team gefahren, aber bei aller Verbundenheit insbesondere zu John Booth und Graeme Lowdon stimmt er der These zu: "Man will irgendwann einen Aufwärtstrend sehen, aber leider Gottes gab es kaum Rennen, wo man unter drei Sekunden Rückstand pro Runde hatte. Man hat es irgendwie nie geschafft, den Sprung nach vorne zu schaffen, weil immer wieder Leute da waren, die viel versprochen, aber nichts eingehalten haben."

"Wenn ich so weit hinten nachfahre, ist das sicherlich nicht gut für die Ausgeglichenheit des Feldes und für das Interesse des Publikums", stimmt Gerhard Kuntschik (Salzburger Nachrichten) zu. "Ich würde ein oder zwei GP2-Teams zutrauen, dass sie in der Formel 1 eine bessere Figur abgeben würden als Manor." Aber: "Andererseits gehört auch viel dazu, das Team erst malam Leben zu halten", wirft Timo Glock ein.

Und dafür haben Booth/Lowdon mit viel Leidenschaft gekämpft. "Diese Leute tragen ein Racer-Herz in sich. Schade um John Booth, ein echter Charakterkopf", bedauert Michael Noir Trawniczek (motorline.cc). "Diese These ist eine Beleidigung und eine schallende Ohrfeige für jenes Team, das mit Jules Bianchi in Monaco zwei Punkte erobern konnte." Es sollten die (bisher) einzigen in der sechsjährigen Geschichte des Rennstalls bleiben.

Dass die These nicht stimmt, findet Dieter Rencken (Motorsport-Total.com & Formel1.de): "Manor ist das Äquivalent zu Minardi, und die haben in all den Jahren einige Grand-Prix-Sieger in die Formel 1 gebracht." Außerdem: "Die Leistungen der Großen werden immer erst durch die Bemühungen der Kleinen sichtbar. Ich denke, Manor hat mehr Sympathisanten als so manches Mittelfeld-Team - wie einst auch Minardi und viele andere", so Andreas Gröbl (ServusTV).

Eine Analogie zur Fußball-Bundesliga stellt Felix Görner (RTL) her: "Der Starke ist nichts ohne den Schwächeren. Eine Bundesliga braucht Bayern UND Darmstadt. Ansonsten könnte Ferrari in Maranello gegen sich selbst fahren, oder Mercedes in Stuttgart, und keinen würde es interessieren."

These #16: Ein Grand Prix in Mexiko ist für die Formel 1 wichtiger als ein Grand Prix in Deutschland.

Fans in Mexiko

Beim Grand Prix von Mexiko herrschte 2015 Volksfeststimmung Zoom

Ein Motodrom in Hockenheim mit halbleeren Rängen gegen eine rauschende Fiesta im Baseball-Stadion von Mexiko-Stadt: "Wenn man das ganze Bild betrachtet, ist der deutsche Grand Prix niemandem abgegangen, oder? Das Wolfsgeheul war nicht besonders groß", stellt Andreas Gröbl (ServusTV) nüchtern fest. Auch die Zuschauerzahlen sprechen eine klare Sprache: Während Hockenheim zuletzt nicht einmal mehr 60.000 Fans für den Renntag mobilisieren konnte, schaffte Mexiko-Stadt sagenhafte 310.000 Zuschauer - zugegeben am gesamten Wochenende.

Die These stimmt, denn "das Publikum in Deutschland ist übersättigt und träumt immer noch von Schumacher, aber in Mexiko wird ein Formel-1-Rennen zu einem Volksfest, wie das in Deutschland nie der Fall gewesen wäre", sagt Gerhard Kuntschik (Salzburger Nachrichten). Befragt man jedoch die deutschen Experten, fallen die Antworten ganz anders aus: Die These stimmt nicht, "weil Deutschland das Automobilland schlechthin ist", meint etwa Ralf Bach (Sport Bild).

"Auch die Menschen in Mexiko werden irgendwann den Reiz des Neuen verloren haben, und dann werden traditionsreiche Standorte wieder gefragt sein", stimmt Roman Wittemeier, Stellvertretender Chefredakteur von Motorsport-Total.com & Formel1.de, zu. Und auch Timo Glock bekennt sich klar zu seiner Heimat: "Deutschland gehört dazu. Mexiko hat auch irgendwo Tradition, aber Hockenheim war seit Ewigkeiten dabei. Deutschland gehört zum festen Bestandteil eines Formel-1-Kalenders."

"Die Vielfalt erzeugt Interesse", ergreift Felix Görner (RTL) eine Position zwischen den beiden Extremen. "Aber wir müssen von anderen Ländern lernen, offener sein, Dinge hinterfragen und die Einstellung 'So haben wir es immer gemacht' ad acta legen. Und aus den verpassten Olympia-Gelegenheiten in Deutschland lernen. In die Zukunft muss man investieren, sonst ist die Gegenwart schnell Vergangenheit."

These #17: Grid-Boys haben die Formel 1 bereichert.

Grid-Boy von Sebastian Vettel

Idee von Fabiana Ecclestone: Grid-Boy beim Grand Prix von Brasilien Zoom

Es gibt Umstände, die lassen selbst einen Sebastian Vettel an Streik denken. Nicht etwa, wenn ihm jenseits von 300 km/h plötzlich der Pirelli-Reifen platzt, sondern vielmehr, wenn in der Startaufstellung ein Grid-Boy statt eines Grid-Girls seine Startnummer hält. Die emanzipierte Entscheidung der Veranstalter in Monaco und Brasilien kam insbesondere bei den Fahrern nicht gut an - oder, wie einige unken: Wenn Susie Wolff ein Stammcockpit gehabt hätte, hätte sie ja einen Grid-Boy haben können.

Dieter Rencken (Motorsport-Total.com & Formel1.de) fühlt sich durch das Konzept, dass Menschen die Startnummern halten müssen, "ans vergangene Jahrhundert" erinnert: "Warum gibt es dafür keine elektronischen Anzeigen?" Das war eine der wenigen in voller Ernsthaftigkeit geäußerten Reaktionen auf diese These, mit der wir beim einen oder anderen Gesprächspartner am Telefon zunächst mal ein Grinsen und weniger druckfähige Aussagen auslösten.

"Nicht jede Idee zur Gleichberechtigung hat Sinn", findet Felix Görner (RTL). "Steigt dadurch bei Frauen das Interesse an der Formel 1? Nein." Die Diskussion sei "völlig unnötig", meint Andreas Gröbl (ServusTV): "Was will man damit zeigen? Weltoffenheit? Und dann fährt man in Diktaturen, die ein Weltbild aus den 1930er-Jahren vertreten? Ich ziehe den Hut vor Sebastian Vettel und seiner No-Bullshit-Einstellung dazu. Da gehören Mädels hin. Weil's so ist. Und aus!"

Dass die These "faktisch stimmt, weil es das vorher nicht gab und wir ja alle so sehr für Gleichberechtigung sind", sagt Michael Noir Trawniczek (motorline.cc). Nachsatz: "Trotzdem sind Grid-Girls rein subjektiv irgendwie besser." Und Timo Glock ergänzt: "Das war keine clevere Idee. Wer auch immer die hatte." Zumindest in Brasilien Fabiana Ecclestone, die Frau des Formel-1-Geschäftsführers. Um ihre neue Kaffeemarke zu promoten.

These #18: Bernie Ecclestone ist der richtige Mann für die Leitung der Formel 1.

Bernie Ecclestone

Bernie Ecclestone und seine Freunde: Mit Wladimir Putin beim Rennen in Sotschi Zoom

Mit 85 Jahren fängt das Leben richtig an? Bernie Ecclestone hat die Formel 1 schon viermal verkauft, ist aber de facto immer noch uneingeschränkter Herrscher im Paddock - mit dem Mandat der Investmentgesellschaft CVC Capital Partners. Die will aber lieber früher als später (mit möglichst hohem Gewinn) aussteigen, was Fragen aufwirft, ob das Konzept eines in die Jahre kommenden Diktators noch zeitgemäß ist.

Aber: "Wer sonst könnte das derzeit tun? Ich sehe niemanden", stellt sich Michael Noir Trawniczek (motorline.cc) hinter Ecclestone. Zustimmung kommt von Andreas Gröbl (ServusTV), weil: "Anders als bei den Hedgefond-Heuschrecken, denen das Ding gehört, und anders als bei allen studierten Oxford- und Harvard-Genies, die in der Vorlesung auch gelernt haben, wie man die Formel 1 wirklich führen müsste, steht für Bernie bis zu seinem letzten Atemzug eines an allererster Stelle: die Show, die immer irgendwie weitergehen muss. Auch wenn es ihn mal selbst was kostet."

Für Gerhard Kuntschik (Salzburger Nachrichten) war Ecclestone "über Jahrzehnte der Richtige, aber jeder hat ein Ablaufdatum und jeder wird irgendwann einmal physisch und psychisch nicht mehr dazu in der Lage sein". Zumal Ecclestone seit 1999 einen dreifachen Bypass am Herzen trägt. "Für jeden Firmengründer gibt es ein Verfallsdatum, keiner ist unersetzlich", sagt Felix Görner (RTL). "Wenn man seine Firma liebt, lässt man auch einmal los, um die Zukunft zu sichern."

Weniger Grauzone in dieser Frage sieht Dieter Rencken (Motorsport-Total.com & Formel1.de), im Paddock fast schon eine Kultfigur, was das Aufzeigen von politischen Missständen hinter den Kulissen angeht. Die These stimmt nicht, "weil er nicht mal einen Nachfolger trainiert". Und Ralf Bach (Sport Bild) lehnt die These ab, "weil Bernie Hitler und Putin mag und sein Geschäft nur damit verwaltet, Angst zu machen". Klare Worte.

These #19: Die Einführung der Hybridmotoren war richtig.

Mercedes-Motor

Am neuen Antrieb, der 2014 eingeführt wurde, scheiden sich die Geister Zoom

Kaum ein Thema hat die Formel 1 in den vergangenen beiden Jahren so sehr polarisiert wie die neue Motorenformel. Zu wenig laut, zu kompliziert, zu teuer lautet die Kritik vieler Fans und Experten. Die anderen sagen: Endlich wird die Formel 1 familientauglich, modern und effizient. Christian Nimmervoll, Chefredakteur von Motorsport-Total.com & Formel1.de, gehört zu den Kritikern der These: "Motorsport ist in erster Linie Unterhaltung - und die ist schlechter geworden. Früher konnte man sich darauf verlassen, den Beginn einer Session an der Rennstrecke nicht zu verpassen. Heute sitzt man im Media-Center und bekommt nichts davon mit, dass ein paar Meter weiter ein Grand Prix stattfindet."

Ein Erlebnis, das auch Timo Glock schon hatte: "Wenn ich im Paddock-Club sitze, wie als Gast von DHL in Spa, auf dem Zeitenmonitor Rundenzeiten sehe, aber keine Autos höre, dann hat die Formel 1 etwas falsch gemacht", kritisiert er aus der Perspektive des Rennfahrers. Drastisch drückt sich Michael Noir Trawniczek (motorline.cc) aus: "Die Flüster-Turbos sind ein großer, großer Fehler. Weg damit!"

Weil: "Sie sind zu leise und zu kompliziert. Noch dazu wird die Tatsache, dass es sich um Hybridmotoren handelt, nicht mehr wirklich transportiert - im Gegensatz zu jener Zeit, als noch eingeblendet wurde, wenn ein Pilot auf den KERS-Button gedrückt hat." Laut Gerhard Kuntschik (Salzburger Nachrichten) ist die These "grundsätzlich richtig", aber: "Man hätte es durchschaubarer und unkomplizierter und trotzdem effizient machen können. Der Teufel steckt im Detail."


Fotostrecke: So funktioniert ERS

Ein Nebenaspekt, den Dieter Rencken (Motorsport-Total.com & Formel1.de) anspricht: Bei der Gestaltung des Reglements haben die Verantwortlichen versagt, weil keine Kostenobergrenze eingeführt wurde und die Hersteller nicht dazu verpflichtet sind, eine Mindestanzahl an Teams zu beliefern. So kämpfen die Kleinen noch mehr als davor ums Überleben - und selbst Red Bull stand am Rande des Ausstiegs, weil lange Zeit kein Motorenlieferant gefunden werden konnte.

Die Gegenargumente: "Die Formel 1 wurde dadurch endlich wieder zum Technologietreiber", stellt Andreas Gröbl (ServusTV) fest. "Die thermische Effizienz der Aggregate wurde über Nacht von 30 Prozent bei den alten Motoren auf 45 Prozent erhöht. Bald sind wir bei 50 Prozent. Diesen Meilenstein der Formel-1-Geschichte - vergleichbar mit der Turbo-Einführung in der 70er-Jahren - allerdings medial so schlecht zu verkaufen, davor muss man echt den Hut ziehen. Das hätte sogar meine Oma besser hingekriegt."

Die Hersteller freilich sind erleichtert, dass die Formel 1 endlich gesellschaftsrelevanter geworden ist. Angeblich war das der Hauptgrund, der Honda zum Comeback bewogen hat. Die These stimmt also, "weil es die einzige Möglichkeit für Hersteller ist, den hohen finanziellen und technischen Aufwand intern zu legitimieren und Teile des Budgets aus R&D (Forschung und Entwicklung) abzurufen", erklärt Roman Wittemeier (Motorsport-Total.com & Formel1.de).