Das war 2008: Toyota

Die 'Motorsport-Total.com'-Experten analysieren, warum Toyotas Saison 2008 trotz zweier Podestplätze eigentlich eine Enttäuschung war

(Motorsport-Total.com) - Viele trauern den "goldenen Jahren" der Formel 1 nach, dabei war die Saison 2008 so spannend wie kaum eine andere zuvor. Speziell das packende Herzschlagfinale in Brasilien ging in die Grand-Prix-Geschichte ein. 'Motorsport-Total.com' rollt die zurückliegenden Ereignisse in Form einer Artikelserie noch einmal auf. Den Anfang machen die elf Teams, dann folgen die fünf Deutschen und zum Abschluss am 1. Januar Weltmeister Lewis Hamilton. Heute: Toyota.

Titel-Bild zur News: Timo Glock

Timo Glock während des Trainings zum Grand Prix von Italien in Monza

2008 war für die Japaner im siebenten Versuch das zweiterfolgreichste Formel-1-Jahr nach 2005: Damals wurden Jarno Trulli und Ralf Schumacher mit fünf Podestplätzen und 88 Punkten Vierter in der Konstrukteurs-WM, während Trulli und Ex-GP2-Champion Timo Glock diesmal zwei Podestplätze, 56 Punkte und den fünften Gesamtrang erreichten. Im Vergleich zu 2007, als man mit 13 Punkten siebentbestes Team war, bedeutete das eine signifikante Steigerung.#w1#

Kleiner Durchhänger nach starkem Auftakt

Toyota hat sich mit dem TF108 für ein komplett neues technisches Konzept entschieden, das tatsächlich einen Fortschritt bringen sollte. Speziell Trulli hing sich am Saisonbeginn oftmals an die Fersen der beiden Topteams Ferrari und McLaren-Mercedes, ehe Red Bull, Renault und Co. auch zulegten. Dann folgten zwischendurch immer wieder Highlights wie Trullis dritter Platz in Frankreich oder Glocks zweiter in Ungarn.

Toyota-Fabrik

Toyota hat in Köln-Marsdorf eine hochmoderne Formel-1-Fabrik stehen Zoom

Darf man damit am Hauptsitz in Köln-Marsdorf schon zufrieden sein? "Ich bin immer erstaunt, dass Toyota so positiv dargestellt wird", wundert sich unser kritischer Formel-1-Experte Marc Surer. "Als sie vor ein paar Jahren eingestiegen sind, hatte man das Gefühl, dass sie bald Weltmeister werden. Inzwischen haben sie einen Riesenverschleiß an Ingenieuren, aber sie schaffen es immer noch nicht, ein Auto hinzustellen, das funktioniert."

"Bei kühlen Temperaturen", analysiert der ehemalige Grand-Prix-Pilot, "bekommen sie die Reifen nicht zum Arbeiten. Irgendwie kommt mir das alles so vor, als würde man immer wieder die Platte vom Vorjahr auflegen. Dass man da nicht mal einen Schritt vorwärts kommt, das wundert mich schon. Wieso klopft da intern nicht mal einer auf den Tisch? Es kann ja nicht sein, dass sie jahrelang das gleiche Problem haben. Vielleicht sind die Leute intern einfach zu nett. Ich weiß es nicht."

Immer wieder die gleichen Probleme

Tatsächlich ziehen sich die Schwächen bei Toyota seit Jahren durch wie ein roter Faden: Da ist das Problem mit kühlen Temperaturen, sodass die Reifen nur bei Hitzerennen ins Arbeiten kommen, und da ist das Problem mit dem Überfahren der Randsteine. "Es ist fatal, wenn jedes Jahr ein neues Auto gebaut wird, für das die Stärken und Schwächen des vorhergehenden Autos analysiert werden, die Schwächen dann aber meistens wieder auftauchen", meint unser Experte Sven Heidfeld.

Jarno Trulli

Wende in Kanada: Erstmals landeten beide Toyotas unter den besten Sechs Zoom

Immerhin wurde diesen Sommer die Wende ausgerechnet in Kanada eingeleitet, also auf einer Strecke, die für Toyota in der Vergangenheit kein gutes Pflaster war: Glock fuhr dort auf den vierten Platz und holte im siebenten Rennen endlich seine ersten Punkte der Saison, während Trulli Sechster wurde. Freilich wäre der Grand Prix unter normalen Umständen und ohne Safety-Car anders ausgegangen, aber ein Anfang war gemacht.

Speziell für Glock bedeutete Kanada einen Wendepunkt, denn der Deutsche schaffte anschließend in Frankreich erstmals einen einstelligen Startplatz, fuhr dann in Deutschland bis zu seinem Ausfall ein hervorragendes Rennen und in Ungarn den Grand Prix seines Lebens: Vom fünften Startplatz aus zählte er konstant zu den Schnellsten auf der Strecke, was mit ein bisschen Glück durch Ausfälle der Konkurrenz mit ersten Besuch auf dem Podium endete.

Trulli: 14 Mal in den Top 10

Trulli wurde indes seinem Ruf als bester Qualifyer der Formel 1 voll gerecht, schaffte in 14 von 18 Qualifyings den Sprung ins Top-10-Finale und münzte die zweite Startreihe in Frankreich in das erste Podium der Saison um. Der Italiener fuhr auch das eine oder andere kämpferische Rennen, doch den Begriff des "Trulli-Trains" konnte er auch 2008 nicht ganz aus der Welt schaffen - man denke nur an den Stau, den er in Singapur hinter sich herzog.

Timo Glock

Große Freude über Timo Glocks zweiten Platz auf dem Hungaroring Zoom

"Mir kommt vor, dass beide immer wieder mal Schwankungen hatten", so Surer. "Bei Trulli ist man das schon gewohnt, während es bei Timo als Neuling erklärbar war. Vielleicht liegt das am Auto, das man nicht so einfach auf den Punkt bekommt, aber es gibt immer wieder diese Highlights, die zeigen, dass es doch gehen könnte. Nur: Mit den Ressourcen, die das Team hat, müsste man eigentlich wissen, warum es geht und warum es nicht geht. Das fehlt mir ein bisschen."

"Das Potenzial scheint im Auto drin zu stecken, aber sie können es nicht immer herauskitzeln. Und einmal ist es der eine Fahrer, dann wieder der andere, der es hinkriegt. Das Team scheint es aber nicht zu schaffen, es immer auf die Reihe zu bekommen - und die beiden Fahrer auch nicht. Trulli hat einen speziellen Fahrstil. Wenn er nicht klarkommt, kommt der andere dafür klar. Auch hier ist es die alte Leier", bemängelt der Schweizer, früher selbst Formel-1-Pilot.

Aufwärtstendenz bei Glock

Zwischen den beiden Fahrern war der Unterschied am Saisonbeginn wesentlich größer als in den letzten Rennen. Zwar hatte Trulli (34) in den Qualifyings immer noch klar die Oberhand, doch der um acht Jahre jüngere Glock richtete sich immer besser auf das eigenwillige Fahrverhalten des TF108 beim Bremsen ein und schloss auf diese Weise die Lücke. Am Ende hatte er nur um sechs Punkte weniger auf seinem Konto.

Jarno Trulli

Jarno Trulli war auch 2008 wieder Toyotas Nummer eins, wenn auch nur knapp Zoom

Der fünfte Platz bei den Konstrukteuren bedeutet, dass Toyota immerhin Red Bull, Williams und Honda geschlagen hat - und zwar deutlich. Der Abstand nach vorne freilich beträgt 24 Punkte zu Renault und 79 zu BMW - zu viel für ein Team, dem nachgesagt wird, neben Honda am meisten Geld in der Formel 1 zu verbrennen. Dabei herausgekommen ist bislang wenig: kein Sieg, zwei Pole-Positions (USA und Japan 2005), eine schnellste Rennrunde (Belgien 2005).

An den finanziellen Ressourcen kann das ebenso wenig liegen wie an der Ausstattung der Fabrik in Köln-Marsdorf, die als eine der modernsten der Formel 1 gilt. Und doch haben sich an Toyota schon etablierte Namen wie Gustav Brunner oder auch Mike Gascoyne die Zähne ausgebissen. Die Liste derer, die 2001 dabei waren, als der übergewichtige Formel-1-Prototyp von Andrea de Cortanze getestet wurde, dann aber gefeuert wurden, ist lang.

Diskrepanz zwischen Anspruch und Erreichtem

So wird nach einer Saison wie 2008, in der die Ziele von 2001 in Wahrheit wieder nicht erreicht wurden, schon positiv Bilanz gezogen. Heidfeld: "Man hat sich irgendwo damit abgefunden, dass Toyota nicht um die ganz großen Erfolge mitfährt. Das ist mittlerweile in den Köpfen verankert, aber für die Größe des Konzerns und für den Anspruch, den sie vor Jahren gestellt haben, ist das zu wenig", so der Bruder von Formel-1-Pilot Nick Heidfeld.

Ove Andersson

Ove Andersson ist der Mann, der Toyota 2002 in die Formel 1 geführt hat Zoom

2008 geht aber auch als Jahr in die Geschichte des Teams ein, in dem zwei große Toyota-Namen verloren gingen: Erst starb am 11. Juni der langjährige Teamchef Ove Andersson bei einem Autounfall im Rahmen einer Oldtimerrallye, dann verließ auch noch Teammanager Richard Cregan die Truppe in Richtung Streckenorganisation in Abu Dhabi. Wie wichtig diese beiden Verluste sind oder auch nicht, wird sich nächstes Jahr zeigen.

Fest steht, dass Toyota 2009 die nächste Steigerung braucht, um das Formel-1-Engagement weiter zu rechtfertigen. Denn auch wenn der Konzern immer noch auf sehr gesunden Beinen steht, so wird die Weltwirtschaftskrise nicht spurlos an ihm vorbeiziehen. Personelle Stabilität ist jedenfalls gegeben: Auf Topebene im Management hat sich nichts geändert, ebenso wenig wie bei der Besetzung der beiden Cockpits.

Saisonstatistik:

Team:

Konstrukteurswertung: 5. (56 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Podestplätze: 2
Ausfallsrate: 19,4 Prozent (5.)
Durchschnittlicher Startplatz: 9,4 (4.)

Jarno Trulli (Startnummer 11):

Fahrerwertung: 9. (31 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 7,6
Bestes Ergebnis Qualifying: 2.
Bestes Ergebnis Rennen: 3.
Ausfallsrate: 16,7 Prozent (8.)

Timo Glock (Startnummer 12):

Fahrerwertung: 10. (25 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 11,1
Bestes Ergebnis Qualifying: 5.
Bestes Ergebnis Rennen: 2.
Ausfallsrate: 22,2 Prozent (12.)

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