Formel-1-Countdown 2008: Toyota
Das Team mit dem schlechtesten Budget/Punkte-Verhältnis in der Analyse: Toyota - Experten erwarten 2008 wieder keine große Wende
(Motorsport-Total.com) - Am 16. März beginnt mit dem Grand Prix von Australien in Melbourne die neue Formel-1-Saison. 'Motorsport-Total.com' veröffentlicht aus diesem Anlass jeden Tag einen Artikel aus der Countdown-Reihe - zu den fünf deutschen Stammfahrern und den elf Teams. Heute: Toyota.

© Toyota
Wheelspin: Toyota kam bisher in die Formel 1 nicht richtig in Schwung...
Die Japaner gehen 2008 schon in ihre siebente Saison in der Königsklasse des Motorsports - eigentlich wollten sie nach dem ursprünglichen Plan schon Ende 2006 Weltmeister sein. Doch davon war Toyota 2007 weiter entfernt denn je: Jarno Trulli und Ralf Schumacher, der kein neues Cockpit mehr fand und inzwischen in die DTM gewechselt ist, sammelten zusammengerechnet gerade mal 13 WM-Punkte - Platz sechs bei den Konstrukteuren war da fast noch geschmeichelt.#w1#
Jahresbudget von 400 Millionen Euro

© Toyota
John Howett ist als Teamchef vor allem außerhalb Toyotas nicht unumstritten Zoom
Im Geldausgeben ist Toyota seit dem Einstieg in den Grand-Prix-Sport unbestritten die Nummer eins, denn auch wenn es offiziell immer wieder abgestritten wird, hört man unter der Hand, dass das Jahresbudget bei ungefähr 400 Millionen Euro liegt - da erstarren selbst wohlsituierte Konkurrenten wie Ferrari und McLaren-Mercedes vor Neid. Das bedeutet, dass 2007 jeder WM-Punkt 30 Millionen Euro gekostet hat. Zum Vergleich: Ein Ferrari-Zähler war geschätzte 1,5 Millionen Euro billig.
"Sie sind groß genug, sie haben genug Geld, sie haben genug Ressourcen", analysiert unser Formel-1-Experte Marc Surer, selbst ehemaliger Grand-Prix-Pilot und heute unter anderem TV-Kommentator für 'Premiere'. "Es ist aber wie jedes Jahr: Sie bringen das Auto - und müssen dann gleich mal damit anfangen, es zu verbessern. Man müsste meinen, dass sie es irgendwann ins Rollen bekommen. Die Basis ist ja da, aber irgendwie scheint mir das alles nicht in eine Richtung zu gehen."
Der Schweizer spricht damit die verwirrenden Strukturen im Team an, denn einerseits bestimmt Präsident John Howett über alles, was in der Formel-1-Fabrik in Köln vor sich geht, andererseits haben aber die Vorstände des Toyota-Konzerns in Japan das letzte Wort, wenn es um längerfristige Entscheidungen geht. Hinzu kommt, dass die Kompetenzen auch in Köln weniger klar verteilt sind als bei anderen Teams - und zu viele Köche verderben bekanntlich den Brei.
Erstklassige Voraussetzungen in Köln

© Toyota
Die Fabrik in Köln ist eine der modernsten im gesamten Formel-1-Zirkus Zoom
An den Voraussetzungen scheitert es jedenfalls nicht: Toyota hatte als erstes Formel-1-Team zwei eigene Windkanäle zur Verfügung, hat im Kölner Stadtteil Marsdorf eine der modernsten Rennsportfabriken überhaupt und kann sich das modernste Equipment leisten. Also wäre eine logische Schlussfolgerung: Es muss an den Menschen liegen! Howett bekommt ja oft von Außenstehenden zu hören, er sei ein Manager, aber kein Racer.
Hinterfragen muss man auch, ob Pascal Vasselon ein geeigneter Technischer Direktor für den Chassisbereich ist, denn der ehemalige Reifeningenieur soll zwar ein Genie sein, was Radaufhängungskonzepte angeht, aber ein komplettes Auto zu bauen, ist doch noch mal ein ganz anderes Kaliber. Motorenchef Luca Marmorini gilt im Gegensatz dazu als feste Größe - das V8-Triebwerk war ja ohnehin noch nie der Schwachpunkt des Toyota-Pakets.
Viel Fleiß bei den Wintertestfahrten

© Toyota
Bahrain: Kaum ein anderes Team hat im Winter so fleißig trainiert wie Toyota Zoom
Mangelnde Arbeitsmoral kann man den Japanern jedenfalls nicht vorwerfen, denn der neue TF108 hat schon weit mehr als 10.000 Testkilometer auf dem Buckel - noch fleißiger waren nur Ferrari und McLaren-Mercedes. Allerdings hatte diese Arbeitswut aber auch einen Grund, denn beim Rollout war das neue Auto noch viel zu langsam, sodass ihm erst einmal Leben eingehaucht werden musste. Dies lag primär an einem radikalen Konzeptwechsel seit dem Vorjahr.
Toyota zeigte sich von Anfang an selbstbewusst, diesen im Laufe der Zeit besser in den Griff zu bekommen, und so kam es dann auch: Beim letzten Wintertest in Barcelona erzielte Jarno Trulli eine Tagesbestzeit, mit der er nur drei Zehntelsekunden über der diesjährigen Ferrari-Rekordmarke von Felipe Massa blieb. Fraglich ist aber, ob dies nur ein einmaliges Aufflackern war oder ob man tatsächlich in den vergangenen Wochen solche enormen Fortschritte gemacht hat.
Experten erwarten keine große Wende

© Toyota
Jarno Trulli bei der Arbeit: Der Italiener gilt als echter Qualifyingspezialist Zoom
'Motorsport-Total.com'-Experte Sven Heidfeld ist jedenfalls skeptisch: "Ich kann sie mir einfach nicht unter den Top 3 vorstellen, so wie sich Trulli das wünscht", so der Deutsche. "Dieses Team mit dem riesigen Konzern dahinter kann sich eigentlich gar nicht nach hinten entwickeln. Ich glaube, die suchen jetzt neue Wege - sie haben ja auch neue Strukturen. Die werden jetzt einen Schritt nach vorne machen, aber keinen Riesensprung."
"Die Tests waren nicht allzu gut. Auch wenn sie in Bahrain mal relativ nahe an Ferrari dran waren, sehe ich sie nur im Mittelfeld", fügt Heidfeld an. Und sein Expertenkollege Surer geht sogar noch einen Schritt weiter: "Die einzige positive Neuerung bei Toyota ist Timo Glock." Dafür spricht zumindest die Papierform, denn Glock kommt als amtierender GP2-Champion in die Formel 1 - und was aus Nico Rosberg und Lewis Hamilton geworden ist, muss man nicht mehr extra erwähnen.
Glock pflegt zwar einen anderen Fahrstil als der Ausnahmequalifyer Trulli, aber er brachte vom ersten Tag an einen frischen Wind ins Team. Wurde seinem Vorgänger Ralf Schumacher oftmals eine zu laxe Arbeitseinstellung vorgeworfen, so ging der 25-Jährige bei den Tests immer erst mit seinen Ingenieuren zu Bett, nahm er sich eine Wohnung in der Nähe der Fabrik in Köln und arbeitete er auch körperlich härter als je zuvor.
Glock muss vor allem Trulli knacken

© Toyota
Timo Glock im Gespräch mit seinem Renningenieur Francesco Nenci Zoom
Allerdings hat Glock keine einfache Aufgabe vor sich, denn der beste Vergleich zwischen Teamkollegen ist das Qualifyingduell - und genau das ist Trullis große Stärke. Umgekehrt gilt der Deutsche, der 2004 schon einige Grands Prix für Jordan bestritten hat, als echter Racer - angeblich war das der Hauptgrund, warum sich Howett teamintern sehr für ihn eingesetzt hat. Toyota setzt große Hoffnungen in den schon recht erfahrenen Jungpiloten.
Auf jeden Fall steht dem Team wieder eine schwierige Saison ins Haus, aber zumindest sind die Vorzeichen besser als zu diesem Zeitpunkt vor einem Jahr. Ob der etwas klobig anmutende TF108 nämlich schön ist oder nicht, darüber kann man streiten, aber der Konzeptsprung scheint tatsächlich einen Fortschritt gebracht zu haben. Wie groß dieser im Vergleich zur ebenfalls verbesserten Konkurrenz ist, das muss man nun abwarten.
Saisonstatistik 2007:
Team:
Konstrukteurswertung: 6. (13 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Podestplätze: 0
Ausfallsrate: 29,412 Prozent (8.)
Durchschnittlicher Startplatz: 10,765 (4.)
Bisherige Testkilometer 2008 mit neuem Auto: 11.590 (3.)
Jarno Trulli (Startnummer 11):
Fahrerwertung: 13. (8 Punkte)
Durchschnittlicher Startplatz: 9,177
Bestes Ergebnis Qualifying: 6.
Bestes Ergebnis Rennen: 6.
Ausfallsrate: 23,529 (13.)
Bisherige Testkilometer 2008: 4.929 (14.)
Timo Glock (Startnummer 12):
Fahrerwertung: -
Durchschnittlicher Startplatz: -
Bestes Ergebnis Qualifying: -
Bestes Ergebnis Rennen: -
Ausfallsrate: -
Bisherige Testkilometer 2008: 5.879 (3.)

