Das war 2008: Williams

Abgesehen von zwei glücklichen Podestplätzen blieb Williams 2008 ohne nennenswerte Erfolge - Analyse durch unsere Formel-1-Experten

(Motorsport-Total.com) - Viele trauern den "goldenen Jahren" der Formel 1 nach, dabei war die Saison 2008 so spannend wie kaum eine andere zuvor. Speziell das packende Herzschlagfinale in Brasilien ging in die Grand-Prix-Geschichte ein. 'Motorsport-Total.com' rollt die zurückliegenden Ereignisse in Form einer Artikelserie noch einmal auf. Den Anfang machen die elf Teams, dann folgen die fünf Deutschen und zum Abschluss am 1. Januar Weltmeister Lewis Hamilton. Heute: Williams.

Titel-Bild zur News: Williams-Frontflügel

Das Williams-Team fiel 2008 vom vierten auf den achten WM-Endrang zurück

Das einstige Erfolgsteam der Königsklasse wartet inzwischen schon seit einer halben Ewigkeit auf einen großen Triumph: 1997 gelang Jacques Villeneuve der bis dato letzte WM-Titel, während der letzte Sieg in Brasilien 2004 von Juan Pablo Montoya eingefahren wurde. Anschließend folgte die Trennung von Motorenpartner BMW, ein unspektakuläres Übergangsjahr mit Cosworth-Power und seit 2007 die Partnerschaft mit Toyota.#w1#

War 2007 nur ein Ausreißer?

Tatsächlich schien diese im Vorjahr Früchte zu tragen, als Nico Rosberg und Alexander Wurz den soliden fünften Rang in der Konstrukteurs-WM nach Hause fuhren. Doch was eigentlich der Anfang einer Aufwärtsbewegung sein hätte sollen, endete 2008 in einem erneuten Durchhänger: Rosberg und Kazuki Nakajima, eine Beigabe von Toyota zu den Motoren, sammelten lediglich 26 WM-Punkte und fielen in der Teamwertung vom vierten auf den achten Platz zurück.

Nico Rosberg

Da war die Welt noch in Ordnung: Erstes Rennen, erstes Podium in Australien Zoom

Dabei hatte die Saison mit einem - zugegeben nicht ganz unglücklichen - Podium von Rosberg in Australien begonnen. "Williams bekommt das Auto mit genügend Wintertests und Zeit für das erste Rennen immer gut hin, aber während der Saison können sie nicht mit den Großen mithalten, die fast zu jedem Rennen ein überarbeitetes Paket bringen", analysiert 'Motorsport-Total.com'-Experte Sven Heidfeld die Wellenbewegungen des britischen Rennstalls.

Unser zweiter Experte, Ex-Formel-1-Pilot Marc Surer, sieht das ähnlich: "Sie schaffen es offensichtlich, am Jahresanfang ein gutes Auto zu haben", so der Schweizer. "Das spricht eigentlich für ein kleines Team: Man bringt ein neues Auto, das zuverlässig funktioniert - und wenn die anderen Probleme haben, schlägt man sie. Aber wenn die anderen keine Probleme mehr haben, hat man keine Chance mehr."

Sensationeller Saisonauftakt

Australien sollte für Williams gemeinsam mit Singapur das ertragreichste Wochenende der Saison bleiben: Rosberg fuhr als Dritter auf das Podium, Nakajima kam nach einer kontroversen Kollision mit Robert Kubica immerhin auf Platz sechs. Damit lag das Team in der Konstrukteurs-WM sensationell an zweiter Stelle. Doch die Magie war schnell verflogen: In den 16 Rennen ohne Australien und Singapur sammelte das deutsch-japanische Duo nur noch sechsmal WM-Punkte.

Nico Rosberg

In Monaco war Nico Rosberg phasenweise extrem schnell unterwegs Zoom

Ein zwischenzeitliches Hoch schien sich im Frühjahr anzubahnen, als Rosberg in Monaco auf den sechsten und in Kanada auf den fünften Startplatz fuhr. Im Regencasino von Monaco fiel Rosbergs Kugel nach phasenweise hervorragenden Rundenzeiten allerdings auf Zero, während er in Kanada an der Boxenausfahrt ins Heck von Lewis Hamilton krachte, der seinerseits Kimi Räikkönen vor der roten Ampel abgeschossen hatte.

Das Hauptproblem lag wie so oft in den vergangenen Jahren in der Aerodynamik des FW30 begraben: "Williams hatte definitiv ein aerodynamisches Problem, denn auf allen aerodynamisch anspruchsvollen Strecken waren sie nirgendwo. Auf Stadtkursen, wo man fahrerisch etwas machen kann und die Aerodynamik nicht so entscheidend ist, waren sie dabei. Zumindest Nico hat da alles rausgeholt, was man rausholen kann", sagt Surer.

Schwachstelle Aerodynamik

"Dass man zum Beispiel so lange dafür gebraucht hat, um herauszufinden, dass das Auto bei eingeschlagenen Vorderrädern eine schlechte Anströmung hat und dass man das Problem dann auch nicht lösen konnte, ist kein Ruhmesblatt", meint der Schweizer. "Für Spa hatten sie einen neuen Frontflügel angekündigt, aber dann war es eines der schlimmsten Wochenenden. Da frage ich mich, ob die Leute um Sam Michael wirklich die Richtigen sind. Daran habe ich meine Zweifel."

Sam Michael

Sam Michael ist Patrick Heads Nachfolger als Technischer Direktor des Teams Zoom

Die Leute um Technikchef Sam Michael, das sind Chefdesigner Ed Wood, Chefaerodynamiker Jon Tomlinson und Chefingenieur Rod Nelson, der ehemalige Renningenieur von Fernando Alonso bei Renault. Seit der alte Ingenieursstab um Patrick Head, Adrian Newey, Geoff Willis und Gavin Fisher weg ist, läuft es bei Williams nicht mehr. Womit man sich die Frage stellen muss, ob der im Fahrerlager hoch angesehene Michael vielleicht der falsche Nachfolger für Head war.

Surer stärkt dem erst 37-jährigen Australier den Rücken: "Man muss immer die Mittel anschauen, die andere zur Verfügung haben. So gesehen machen sie keinen schlechten Job. In diesem Jahr lief es schlechter, aber sonst waren sie in der Regel das beste Privatteam", so der Experte, der gleichzeitig einschränkt: "Ich sehe auch von Sam Michael keine positive Tendenz, sondern ich habe eher das Gefühl, das stagniert alles."

Zu alt für die Formel 1?

Im Kontrast zum noch jungen Michael sind die Williams-Teilhaber Frank Williams (70 Prozent) und Head (30) 66 beziehungsweise 62 Jahre alt. Sie gelten als knorrige Racer der alten britischen Schule und haben es in der Vergangenheit stets vermieden, ihr Team an einen Automobilhersteller zu verkaufen, obwohl es Angebote gegeben hätte. Sind die beiden vielleicht nicht mehr zeitgemäß genug für die moderne Formel 1?

Patrick Head und Frank Williams

Zwei Urgesteine der Formel 1: Patrick Head und Teamchef Frank Williams Zoom

Surer verneint: "Die Frage ist, wie sie ihre Leute arbeiten lassen. Wir haben Bernie Ecclestone an der Spitze der Formel 1, der mit 78 auch nicht zu alt ist. Wenn man die richtigen Leute um sich hat und die arbeiten lässt - und ich habe das Gefühl, das machen sie -, dann sollte das in Ordnung sein. Ich finde, Patrick Head hat gut den Jungen den Vortritt gelassen und sich zurückgezogen, aber vielleicht sind diese Jungen nicht gut genug."

Dass sich Williams und Head nicht mit der Zukunft beschäftigen, kann man ihnen nicht vorwerfen: Head ist als Technikchef abgetreten, um Michael das Ruder zu überlassen und selbst Formel-2-Autos zeichnen zu können, während Williams viele seiner kommerziellen Aufgaben an Geschäftsführer Adam Parr abgetreten hat. In Grove regiert längst ein mehrköpfiges Managementteam, bei dem Williams jedoch immer noch das letzte Wort hat.

Riesiger Schuldenberg

Das wahrscheinlich größte Problem des Teams ist die finanziell angeschlagene Situation. Der Schuldenberg ist über 30 Millionen Euro groß. Um überhaupt überleben zu können, nahm Williams einen Kredit bei der Barclays-Bank auf, obwohl die an der Finanzmarktkrise leidende Royal Bank of Scotland (RBS) einer der Teamsponsoren ist. Damit belaufen sich die jährlichen Verbindlichkeiten alleine durch Kredite auf etwa zwei Millionen Euro.

Williams-Fabrik

Die Williams-Fabrik in Grove zählt nicht mehr zu den modernsten der Formel 1 Zoom

Keine rosigen Aussichten also. Ist für Williams also das Ende der Fahnenstange erreicht? "Das muss nicht sein, wie man an Toro Rosso gesehen hat. Wenn man alles auf die Reihe kriegt, dann geht das schon - auch für ein Privatteam", meint Surer, während sein Expertenkollege Heidfeld findet: "Durch die Finanzkrise und durch die Umweltbestrebungen wird sich die Formel 1 in den nächsten Jahren verändern. Dann kann ein Team vielleicht auch mit weniger Geld erfolgreich sein."

Große Hoffnungen setzt das Traditionsteam in die Einführung der Hybridtechnologie KERS ab 2009, für die eigens eine externe Firma gekauft und in der Nähe der Formel-1-Fabrik in Grove angesiedelt hat. Williams setzt allerdings als einziger KERS-Hersteller auf eine Schwungradlösung, was sich laut Meinung zahlreicher Insider als Schuss in den Ofen erweisen könnte. Geht das Konzept jedoch auf, könnte das eine große Chance sein.

Wie lange hat Rosberg noch Lust?

Die Fahrer haben sich vermutlich am allerwenigsten vorzuwerfen. Rosberg gilt nach wie vor als eines der ganz großen Talente für die nächsten Jahre und war Williams so viel wert, dass ein McLaren-Mercedes-Angebot, den jungen Deutschen vorzeitig aus seinem Vertrag auszukaufen, abgelehnt wurde. Zwischendurch verlor Rosberg zwar angesichts der materiellen Unterlegenheit etwas die Lust am Rennfahren, doch in Singapur zeigte er mit einer tollen Fahrt zu Platz zwei seinen Wert.

Kazuki Nakajima

Kazuki Nakajima gilt als einer der besten Formel-1-Japaner aller Zeiten Zoom

Auch Nakajima sah für seine Verhältnisse gar nicht mal so schlecht aus, auch wenn Surer einschränkt: "Er hat den Vorteil der typischen Nummer zwei, dass der Teamkollege die Teile ausprobieren und die Versuche fahren muss, während er sich auf die Abstimmung konzentrieren kann. Dadurch läuft Nico oft die Zeit weg. Das soll Nakajimas Leistung aber nicht schmälern - der Kerl kann schnell fahren, das ist eindeutig!"

Wie es mit Williams weitergehen wird, steht in den Sternen. Die Weltwirtschaftskrise hat dem ohnehin schon angeschlagenen Budget noch einmal zugesetzt, weil es Sponsoren wie die isländische Baugur-Gruppe besonders hart getroffen hat. Außerdem ging mit Lenovo einer der wichtigsten Geldgeber an McLaren-Mercedes verloren. Bleibt zu wünschen, dass Williams und Head die nötigen Maßnahmen setzen und überleben werden. Sie würden der Formel 1 fehlen.

Saisonstatistik:

Team:

Konstrukteurswertung: 8. (26 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Podestplätze: 2
Ausfallsrate: 11,1 Prozent (2.)
Durchschnittlicher Startplatz: 13,6 (8.)

Nico Rosberg (Startnummer 7):

Fahrerwertung: 13. (17 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 12,1
Bestes Ergebnis Qualifying: 5.
Bestes Ergebnis Rennen: 2.
Ausfallsrate: 11,1 Prozent (3.)

Kazuki Nakajima (Startnummer 8):

Fahrerwertung: 15. (9 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 15,1
Bestes Ergebnis Qualifying: 10.
Bestes Ergebnis Rennen: 6.
Ausfallsrate: 11,1 Prozent (3.)