Das war 2008: Super Aguri

Rückblick auf die vergangene Saison: Warum Aguri Suzuki nach vier Rennen zusperren musste und was ein deutsches Unternehmen damit zu tun hatte

(Motorsport-Total.com) - Viele trauern den "goldenen Jahren" der Formel 1 nach, dabei war die Saison 2008 so spannend wie kaum eine andere zuvor. Speziell das packende Herzschlagfinale in Brasilien ging in die Grand-Prix-Geschichte ein. 'Motorsport-Total.com' rollt die zurückliegenden Ereignisse in Form einer Artikelserie noch einmal auf. Den Anfang machen die elf Teams, dann folgen die fünf Deutschen und zum Abschluss am 1. Januar Weltmeister Lewis Hamilton. Heute: Super Aguri.

Titel-Bild zur News: Konkursmasse von Super Aguri

Formel-1-Team zu verkaufen: Ende Juli begann der Räumungsverkauf in Leafield

Realistisch betrachtet konnte man nicht ernsthaft damit rechnen, dass der Rennstall von Ex-Formel-1-Pilot Aguri Suzuki die Saison überstehen würde. Nach dem Ausstieg von Großsponsor SS United im Vorjahr klaffte im Budget eine Riesenlücke, die Suzuki selbst nicht stopfen konnte und sein Partner Honda nicht stopfen wollte. Auch zahlreiche Gespräche mit verschiedensten Investoren scheiterten in den Wintermonaten.#w1#

Geschafft: In Melbourne dabei!

Trotzdem gelang Super Aguri das Wunder: Zwar praktisch ohne vorbereitende Testfahrten und mit einem zwei Jahre alten Honda-Chassis, aber Takuma Sato und Anthony Davidson standen am 16. März in Australien in der Startaufstellung - und das nicht mal ganz hinten: Sato ließ als 18. unter anderem einen Toyota (wenn auch nur wegen einer Strafe gegen Timo Glock) und einen Renault hinter sich, während Davidson als 21. immerhin vor Adrian Sutil auf Force India landete.

Takuma Sato

Auftakt in Melbourne: Doppelausfall, aber immerhin dabei gewesen... Zoom

Das Rennen verlief dann weniger erfreulich: Davidson wurde in eine Startkollision verwickelt, Sato blieb etwa bei Halbzeit mit einem technischen Defekt stehen. Anschließend sahen die beiden in Malaysia und Bahrain jeweils die Zielflagge, doch als Sato am 27. April in Spanien als 13. das bis dahin beste Saisonergebnis einfuhr, war der sportliche Aspekt längst nur noch eine Nebenbaustelle. Hinter den Kulissen ging es um das nackte Überleben.

Bereits im März hatte Suzuki intensiv mit der Suche nach Investoren oder Käufern für sein Team begonnen. Ein Name, der dabei immer wieder fiel, war jener von Martin Leach. Leach und Honda-Geschäftsführer Nick Fry kannten sich aus gemeinsamen Ford-Tagen - und Fry hätte es nur allzu gerne gesehen, Super Aguri an seinen Kumpel zu vermitteln. Hinter Leach stand mit der Investmentgruppe Dubai International Capital auch eine Menge Geld.

Zuspitzung ab Anfang April

Die Übernahmeverhandlungen waren im Grunde genommen abgeschlossen, sogar die Buchprüfer waren schon an der Reihe, David Price wurde als neuer Teamchef gehandelt. Doch am 10. April, also 17 Tage vor dem letzten Rennen des Teams, platzte der Deal. Da gleichzeitig die deutsche Weigl-Gruppe, die großes Interesse daran hatte, Super Aguri zu übernehmen, von Fry ausgebremst wurde, musste der Betrieb in der Fabrik in Leafield eingestellt werden.

Aguri Suzuki

Ciao, Formel 1: Aguri Suzuki musste sein Team nach gut zwei Jahren zusperren Zoom

Suzukis Traum war damit nach 39 Grands Prix und immerhin vier WM-Punkten ausgeträumt - "bedauerlicherweise", wie unsere Experten finden: "Auch oder speziell die kleinen Teams sind wichtig, weil dort junge Fahrer Gelegenheit haben, überhaupt in die Formel 1 reinzukommen", sagt beispielsweise Ex-Rennfahrer Sven Heidfeld. "Es wäre fatal, wenn es nur noch große Teams geben würde, die jungen Fahrern keine Chance geben können, weil sie zu sehr im Mittelpunkt stehen."

Marc Surer, seines Zeichens sogar ehemaliger Grand-Prix-Teilnehmer, sieht das ähnlich: "Die Formel 1 braucht Statisten. Mit der Unterstützung von Honda hatte Super Aguri eigentlich eine gute Ausgangsposition. Dass sie es dann nicht geschafft haben, obwohl Japan in der Formel 1 ein sehr stark engagiertes Land ist, ist schon bedauerlich", so der Schweizer, der als TV-Experte bei allen Rennen vor Ort ist.

An der Nabelschnur von Honda

Vor allem hing Super Aguri an der Nabelschnur von Honda - der japanische Automobilkonzern hatte Suzuki Ende 2005 das nötige Kleingeld gegeben, damit der einen Rennstall für Takuma Sato gründen konnte, den man im Werksteam nicht mehr haben wollte. Honda hätte es auch in der Hand gehabt, Super Aguri zu retten, wollte dafür aber nicht noch mehr Geld investieren. Nicht einmal ein Jahr später gibt es gar kein Honda-Team mehr.

Martin Leach

Martin Leach wurde eine Zeit lang als Retter von Super Aguri gehandelt Zoom

Hätte also doch Weigl als Retter einspringen sollen? "Ich glaube nicht, dass man in die Formel 1 einfach so einsteigen kann", winkt Experte Surer ab. "Das muss gut vorbereitet sein. Weigl hat zwar mit der Formel 1 zu tun, aber ich glaube nicht, dass es gut gegangen wäre, wenn ein Deutscher mit Japanern, Italienern und so weiter ein Team auf die Beine gestellt hätte. Wenn man ein Team aufbauen will, muss man eine gesunde Basis haben und das gut vorbereiten."

Was einst mit vier uralten Arrows-Chassis begonnen hat, ist nun also nur noch Konkursmasse. Auch zahlreiche Mitarbeiter mussten sich nach der Pleite neue Jobs suchen, so zum Beispiel in der Szene bekannte Namen wie Mick Ainsley-Cowlishaw, Daniele Audetto, Mark Preston oder Graham Taylor. Ebenfalls nach wie vor auf Arbeitssuche sind die beiden Fahrer, die es schwer haben werden, ihre Karriere in der Formel 1 fortzusetzen.

Wie geht es mit den Fahrern weiter?

Für Surer ist klar: "Davidson hat seine Zeit in der Formel 1 hinter sich." Expertenkollege Heidfeld lobt zwar die Leistungen des langjährigen Honda-Testfahrers ("Davidson ist ein unterschätzter Fahrer, wie er in der Formel 3 und in einigen anderen Serien gezeigt hat"), "aber der Markt da oben ist ziemlich dünn. Da gibt es viele gute Fahrer und wenig freie Plätze. Deswegen ist es so schwierig, in der Formel 1 einen Platz zu finden."

Takuma Sato

Takuma Sato war in seinen Jahren bei Super Aguri immer der Teamleader Zoom

Ebenso einig sind sich die beiden, was Satos Potenzial angeht: "Sato hat sich auch mit dem schlechten Auto achtungsvoll abgemüht, während Davidson in dieser schwierigen Ausgangslage etwas verloren war", findet Surer, während Heidfeld über den Japaner sagt: "Sato hat sich in seiner Karriere durch Fleiß und harte Arbeit sehr gesteigert." Was viele vergessen: 2004 in Indianapolis stand er als Dritter sogar einmal auf dem Podium.

Inzwischen ist Davidson wieder dazu übergegangen, gelegentlich für Honda zu testen, doch der werksseitige Ausstieg des Automobilherstellers macht ihm auch hier einen Strich durch die Rechnung. Sato wird indes bei Toro Rosso als möglicher Teamkollege von Sébastien Buemi gehandelt, auch wenn derzeit eher Sébastien Bourdais als Favorit auf den Vertrag gilt. Die Entscheidung soll noch diese Woche fallen.

Saisonstatistik:

Team:

Konstrukteurswertung: 11. (0 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Podestplätze: 0
Ausfallsrate: 37,5 Prozent (10.)
Durchschnittlicher Startplatz: 20,6 (11.)

Takuma Sato (Startnummer 18):

Fahrerwertung: 21. (0 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 20,3
Bestes Ergebnis Qualifying: 18.
Bestes Ergebnis Rennen: 13.
Ausfallsrate: 25,0 Prozent (16.)

Anthony Davidson (Startnummer 19):

Fahrerwertung: 22. (0 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 21,0
Bestes Ergebnis Qualifying: 21.
Bestes Ergebnis Rennen: 15.
Ausfallsrate: 50,0 Prozent (20.)