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Das war 2008: Force India

Unsere Experten analysieren: Warum sich Force India trotz Mallya-Effekt nicht durchgesetzt hat und was 2008 die wenigen Highlights waren

(Motorsport-Total.com) - Viele trauern den "goldenen Jahren" der Formel 1 nach, dabei war die Saison 2008 so spannend wie kaum eine andere zuvor. Speziell das packende Herzschlagfinale in Brasilien ging in die Grand-Prix-Geschichte ein. 'Motorsport-Total.com' rollt die zurückliegenden Ereignisse in Form einer Artikelserie noch einmal auf. Den Anfang machen die elf Teams, dann folgen die fünf Deutschen und zum Abschluss am 1. Januar Weltmeister Lewis Hamilton. Heute: Force India.

Titel-Bild zur News: Giancarlo Fisichella

Für Altstar Giancarlo Fisichella ist Force India sportlich gesehen ein Absturz

Für die meisten Schlagzeilen sorgte das ehemalige Jordan-Team, das aus dem Jordan-Nachfolger Spyker hervorgegangen ist, bereits im Winter: Gleich sieben Fahrer bewarben sich um das Cockpit neben Adrian Sutil und wurden zu Testfahrten eingeladen, darunter auch Kaliber wie Christian Klien und Ralf Schumacher. Letztendlich fiel die Wahl jedoch auf Giancarlo Fisichella, einen dreifachen Grand-Prix-Sieger, der Force India mit seiner Erfahrung aus zwölf Formel-1-Saisons voranbringen sollte.#w1#

Ermutigende Perspektive

Am 7. Februar erfolgte in Mumbai vor dem Gateway of India die spektakuläre Präsentation - und die Ortswahl war kein Zufall: Neo-Eigentümer Vijay Mallya, ein indischer Multimilliardär, hatte 2007 gemeinsam mit der niederländischen Mol-Familie das Team übernommen. Kolportierter Kaufpreis: 88 Millionen Euro. Mit zwei durchaus talentierten Fahrern, Ferrari-Kundenmotoren und einem sicheren finanziellen Background schien es erstmals seit Jahren wieder so etwas wie Licht am Ende des Tunnels zu geben.

Die Ernüchterung folgte beim Saisonauftakt in Australien: Mit einem nur modifizierten, aber nicht komplett neuen Auto verloren Fisichella und Sutil im Qualifying eineinhalb beziehungsweise zwei Sekunden auf die Spitze - absolut gesehen nicht viel, aber im immer härter umkämpften Formel-1-Feld doch eine kleine Ewigkeit. Zumindest war damit einmal eine Basis geschaffen, um eventuell im Saisonverlauf mit einigen Neuerungen Anschluss an das hintere Mittelfeld zu finden.

Gateway of India

7. Februar: Spektakuläre Präsentation vor dem Gateway of India in Mumbai Zoom

Tatsächlich folgte dann das eine oder andere Highlight, etwa Fisichellas zwölfter Platz in Bahrain, wo sich der in die Jahre gekommene Italiener noch einmal richtig die Seele aus dem Leib fuhr, oder auch der zehnte Platz in Spanien, was das beste Saisonergebnis bleiben sollte. Auch Sutil sollte mit seiner unglaublichen Regenfahrt in Monaco für Aufsehen sorgen - und hätte ihn nicht ausgerechnet Weltmeister Kimi Räikkönen an vierter Stelle liegend am Hafen abgeschossen, wäre es vielleicht zur großen Sensation gekommen. So blieb Force India 2008 ohne WM-Punkte.

Tendenz fallend

In der zweiten Saisonhälfte waren solche Lichtblicke wesentlich rarer gesät, obwohl nach der Sommerpause endlich das sehnlich erwartete Getriebe ohne Zugkraftunterbrechung eingeführt wurde, das alle anderen Teams schon längst hatten. Logische Konsequenz: Force India kam kurzfristig etwas näher an die Konkurrenz - vor allem an Honda - heran, doch unterm Strich konnte man die rote Laterne nie abgeben. Alles andere wäre mit einem bescheidenen Budget von 80 Millionen Euro auch eine mittlere Sensation gewesen.

Oder doch nicht? "Wenn man weiß, dass Toro Rosso mit dem zweitkleinsten Budget Rennen gewinnt, dann muss man ganz klar sagen: Es geht auch mit weniger Geld, wenn es das perfekte Team ist! Das scheint aber nicht der Fall gewesen zu sein", will 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer das kleinste Budget der Formel 1 nicht als Ausrede gelten lassen.

Kimi Räikkönen Adrian Sutil

In Regen von Monaco tanzte Adrian Sutil der Weltspitze auf der Nase herum Zoom

"Diese Aufwärtstendenzen waren oft auch situations- und streckenabhängig", analysiert er das gelegentliche Aufblitzen von Potenzial, das meistens schnell wieder von einer Ernüchterung abgelöst wurde. "Das Schwächeln von Honda hat auch Hoffnung gemacht, weil die so schlecht waren. Aber grundsätzlich ist es so: Wenn man einmal einen Schritt vorwärts macht, dann machen die anderen auch einen - und dann ist man wieder dort, wo man vorher war."

Gut Freund mit dem Defektteufel

Insgesamt sechs Ausfälle waren 2008 technisch bedingt - zu viel, um in der modernen Formel 1 bestehen zu können. Das spricht einerseits gegen den deutschen Teamchef Colin Kolles, der letztendlich für alles den Kopf hinhalten muss, aber vor allem gegen Mike Gascoyne, also jenen nach Silverstone heimgekehrten Starkonstrukteur, der bei Jordan und Renault schon Siegerautos gebaut hat. Die bescheidene Saisonbilanz kostete schlussendlich beiden den Kopf.

"Dass einer von beiden gehen muss", sagt Surer, "war mir klar, denn man hat schon Anfang des Jahres gespürt, dass da Spannungen da sind. Und wenn man sich nicht entscheiden kann, wer gehen muss, dann gehen halt beide!" Mallya selbst, zwar ein leidenschaftlicher Motorsportfan, aber kein echter Formel-1-Fachmann, übernahm zumindest interimistisch selbst das Ruder - eine Maßnahme, die wenig Aussicht auf langfristigen Erfolg hat.

Colin Kolles

Exzentrischer Teamchef: Colin Kolles wurde nach Saisonende abgelöst Zoom

Kolles/Gascoyne haben beispielsweise zu verantworten, dass das Getriebe ohne Zugkraftunterbrechung "viel zu spät" (Surer) gekommen ist, gelten noch dazu als Exzentriker, die miteinander nie hundertprozentig klargekommen sind. Dabei hat das Duo keineswegs alles falsch gemacht: "Manchmal macht es schon Sinn, eine neue Führung zu installieren, denn neue Besen kehren gut. Aber diese Leute waren nicht nur schlecht, das kann man nicht sagen - Sutil eine Chance zu geben, war ja auch Kolles' Entscheidung", meint etwa unser zweiter Experte, Ex-Rennfahrer Sven Heidfeld.

Die Sache mit den Kundenautos

Hinter den Kulissen war Force India in den Kundenautostreit mit Toro Rosso und Super Aguri involviert, denn Kolles wollte nicht einsehen, warum sein Team viel Geld dafür ausgeben muss, um selbst ein Chassis zu bauen, während Toro Rosso und Super Aguri von ihren jeweiligen A-Teams (Red Bull beziehungsweise Honda) mit Komplettbausätzen beliefert wurden. Das Problem Super Aguri erledigte sich dann von selbst, mit Toro Rosso wurde eine finanzielle Regelung gefunden.

Gegen Saisonende trat Mallya dann trotz eines bestehenden Ferrari-Vertrags in Gespräche mit McLaren-Mercedes ein - mit dem klaren Ziel, Mercedes-Motoren und McLaren-Chassis zu kaufen, sollte es das Reglement irgendwann zulassen. Das wurde so freilich nie offiziell kommuniziert, aber hinter vorgehaltener Hand gemunkelt. Zunächst einmal bleibt es bei Mercedes-Motoren und dem Mercedes-KERS, weil die Kundenchassisfrage noch zu klären ist.

Colin Kolles und Stefano Domenicali

Die Partnerschaft mit Ferrari wurde gekündigt, Mercedes an Bord geholt Zoom

Ein richtiger Schritt, Marc? "Ferrari hat offensichtlich Probleme mit KERS, insofern ist die Zusammenarbeit mit Mercedes vielleicht besser. Aber richtig sinnvoll wird dieser Schritt erst, wenn McLaren auch das Auto liefern darf", findet der ehemalige Formel-1-Pilot, während Heidfeld auch Gefahren sieht: "Vielleicht haben sie dann bei der Fahrerwahl nicht mehr ganz so freie Wahl." Aber zumindest offiziell sind Sutil und Fisichella für 2009 bestätigt und silberne Kandidaten wie Paul di Resta oder Pedro de la Rosa kein Thema...

Saisonstatistik:

Team:

Konstrukteurswertung: 10. (0 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Podestplätze: 0
Ausfallsrate: 50,0 Prozent (11.)
Durchschnittlicher Startplatz: 18,8 (10.)

Adrian Sutil (Startnummer 20):

Fahrerwertung: 20. (0 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 19,2
Bestes Ergebnis Qualifying: 16.
Bestes Ergebnis Rennen: 13.
Ausfallsrate: 61,1 Prozent (22.)

Giancarlo Fisichella (Startnummer 21):

Fahrerwertung: 19. (0 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 18,3
Bestes Ergebnis Qualifying: 12.
Bestes Ergebnis Rennen: 10.
Ausfallsrate: 38,9 Prozent (19.)