Das war 2008: Red Bull

Red Bull war 2008 flügellahm und wurde vom B-Team gedemütigt - Analyse, warum die "rollenden Dosen" nach gutem Beginn ausgebremst wurden

(Motorsport-Total.com) - Viele trauern den "goldenen Jahren" der Formel 1 nach, dabei war die Saison 2008 so spannend wie kaum eine andere zuvor. Speziell das packende Herzschlagfinale in Brasilien ging in die Grand-Prix-Geschichte ein. 'Motorsport-Total.com' rollt die zurückliegenden Ereignisse in Form einer Artikelserie noch einmal auf. Den Anfang machen die elf Teams, dann folgen die fünf Deutschen und zum Abschluss am 1. Januar Weltmeister Lewis Hamilton. Heute: Red Bull.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Mark Webber war fahrerisch gesehen die klare Nummer eins bei Red Bull

Nach acht Saisonrennen stand es im internen Duell zwischen Red Bull und dem Schwesternteam Toro Rosso noch 24:7, doch nach allen 18 Grands Prix hatte Toro Rosso die Nase mit 39:29 vorne. Das spricht einerseits für das von Gerhard Berger und Franz Tost geführte B-Team des Energydrink-Herstellers, andererseits aber vor allem gegen das A-Team. Denn wer aus acht Rennen 24 Punkte holt und dann aus zehn nur noch fünf, der hat etwas falsch gemacht.#w1#

"Toro Rosso hat mit dem alten Auto angefangen, dann zum neuen Auto die Daten von Red Bull bekommen und das optimal umgesetzt. Red Bull hat im Vergleich zum kleinen Team, das weniger Geld hat, schlecht ausgesehen", kritisiert 'Motorsport-Total.com'-Experte Sven Heidfeld die Performance der Truppe um Teamchef Christian Horner, der mit seinen 35 Jahren immer noch das Küken unter den Formel-1-Bossen und sogar jünger als sein Fahrer David Coulthard (37) ist.

RB4 und STR-03

RB4 vs. STR-03

Finden Sie die Unterschiede: Red Bulls RB4 und Toro Rossos STR-03 Zoom

Red Bull und Toro Rosso setzten 2008 ab Monaco im Wesentlichen das gleiche Auto ein, nämlich den in Milton Keynes entwickelten RB4, der in der Toro-Rosso-Ausführung offiziell STR-03 getauft wurde. Einziger Unterschied: Red Bull fuhr mit Renault- und Toro Rosso mit Ferrari-Motoren, wodurch sich einige Änderungen ergaben, und die B-Truppe übernahm in Faenza zumindest die Fabrikation und teilweise die Weiterentwicklung der meisten Komponenten selbst.

Trotz dieser identischen Ausgangsbasis lieferten beide Red-Bull-Teams Saisonhälften ab, wie sie unterschiedlicher gar nicht sein könnten: Red Bull startete nach der Nullrunde beim Opener in Australien viel versprechend in die Saison und sammelte in sieben Rennen en suite immer zumindest zwei Punkte. Höhepunkt war Coulthards vom Safety-Car begünstigter dritter Platz in Kanada - das letzte Podium des Schotten in der Königsklasse.

Von da an ging es bergab. Nachdem der Motor das einzig offensichtliche Differenzierungsmerkmal war, kann es eigentlich nur am schwachbrüstigen Renault-Aggregat gelegen haben, oder? "Alonso hat mit dem schlechten Start und dann den zwei Siegen im letzten Saisondrittel deutlich gemacht, dass der Renault-Motor über zwei Drittel der Saison nicht konkurrenzfähig war", bestätigt unser zweiter Formel-1-Experte, Marc Surer. "Das galt natürlich auch für Red Bull."

War wirklich nur der Motor schuld?

David Coulthard

Als die Aufhängungen wie Zahnstocher brachen: David Coulthard in Malaysia Zoom

"Was dann passiert ist, wissen wir nicht genau, aber plötzlich ging es besser", spielt der Schweizer auf Gerüchte an, wonach Renault bereits während der Saison am an und für sich homologierten Motor arbeiten durfte, um ein Leistungsmanko zu kompensieren. Doch auf das Jahr gesehen war Toro Rosso mit Ferrari-Power besser aufgestellt: "Bei zwei Teams mit identischen Autos ist das Team mit dem stärkeren Motor zwei, drei Zehntelsekunden im Vorteil."

Heidfeld sieht das ähnlich, schränkt jedoch ein: "Es war mit Sicherheit auch der Motor, aber nicht nur. Es hing schon auch mit den Leuten im Team zusammen, die das Auto weiterentwickelt und am Rennwochenende vielleicht nicht immer das Optimum erreicht haben. Wenn man ein schnelles Auto hat, von diesem Potenzial aber nur 80 Prozent ausschöpft, ist man auf der Uhr eben trotzdem langsamer als der Gegner."

"Das andere Problem war, dass die Fahrer die Teile probieren mussten. Red Bull ist das A-Team und bekommt zu den Rennen mehr neue Teile als Toro Rosso. Vielleicht haben sie sich da manchmal ein bisschen verzettelt", wirft Surer in die Diskussion ein. "Und man muss fairerweise auch sehen: Sie hatten wirklich viel Pech. Mark Webber war oft zu einer Spitzenposition unterwegs, aber irgendwas ging dann wieder schief."

Aus starken Qualifyings nichts gemacht

Mark Webber, Heikki Kovalainen und Kimi Räikkönen

Qualifying in Großbritannien: Mark Webber mitten in der Weltspitze Zoom

Der Australier schaffte in elf von 18 Qualifyings den Sprung in die Top 10 und stand zweimal sogar ganz weit vorne: als Zweiter in Großbritannien und als Dritter in Italien. Doch in Silverstone hielt die Freude über die gute Ausgangsposition nur die paar Meter bis zum Becketts-Komplex, wo sich Webber auf nasser Strecke drehte, und in Monza kam er nach einem problembehafteten Nachmittag als Achter ins Ziel. Vettel im Toro Rosso feierte indes einen glanzvollen Sieg.

Red Bull blieb diese Saison weniger durch die vereinzelten Glanzlichter in Erinnerung, sondern durch die häufigen Pannen: Da waren am Saisonbeginn Radaufhängungen, die zusammenklappten wie angesägte Zahnstocher, da waren auf den Seitenkästen montierten Rückspiegel, mit denen die Fahrer kaum etwas sehen konnten, da war in Singapur ein Elektronikdefekt, den das Magnetfeld einer vorbeifahrenden Straßenbahn ausgelöst haben soll.

Dabei gelten die für den RB4 verantwortlichen Chefkonstrukteure Adrian Newey und Geoff Willis als Genies: Der Exzentriker Newey führte in den 1990er-Jahren erst Williams und dann McLaren zu einem WM-Titel nach dem anderen, während der Pragmatiker Willis Honda erst auf Vordermann gebracht hat und dann zusehen durfte, wie die Japaner ohne ihn den Bach runterliefen, nachdem sie ihn überraschend vor die Tür gesetzt hatten.

Alte Williams-Bekannte: Newey und Willis

Geoff Willis und Adrian Newey

Genies, die langsam in die Jahre kommen: Geoff Willis und Adrian Newey Zoom

Das System Red Bull sollte im Idealfall so funktionieren: Newey hat die genialen Einfälle, denen Willis dann Feinschliff und Zuverlässigkeit verpasst. Der RB4 ist ein Produkt dieser Kooperation, denn das vom RB3 übernommene Basiskonzept, das Newey entwickelt hatte, war keineswegs schlecht, musste aber einer Wellnesskur inklusive Radikaldiät unterzogen werden. In Italien gewann Vettel mit dem von den beiden konstruierten Auto einen Grand Prix.

"Sie haben ein Siegerauto gebaut", lobt Surer, "aber ich frage mich, ob die Zeit von Newey nicht langsam abläuft. Als er McLaren verlassen hat, wurde der McLaren plötzlich besser. Als die Leute unter ihm mehr Freiheiten hatten, ging es vorwärts. Ich glaube, dass er nicht mehr das Genie ist, das er einmal war. Andererseits ist ein Designer nur gut, wenn er die richtigen Leute um sich hat. Vielleicht muss er die erst finden, denn als Technischer Direktor bist du nur so gut wie dein Team."

Auch diverse Pannen seien "typisch" für Newey: "Wenn es aerodynamisch besser ist, die Spiegel außen zu haben, dann macht er sie halt außen hin, und wenn die Radaufhängung in einer anderen Form Vorteile bringt, dann macht er sie halt flacher. Er hat auch den McLaren MP4-18 gebaut, der nie funktioniert hat. Er geht ins Extreme. Und: Bei Toro Rosso sind die Aufhängungen nicht gebrochen. Vielleicht ist man einfach beim Material zu weit gegangen", rätselt Surer.

Neweys Kapitalfehler

Mark Webber

In Singapur setzte eine Straßenbahn Mark Webbers Getriebe außer Gefecht Zoom

Dass der einstige Superstar des Formel-1-Designs sein Mojo verloren haben könnte, bestätigte sich auch mit einer signifikanten Fehlentscheidung: Dass Red Bull motorenseitig neben Renault das am schlechtesten aufgestellte Team war, hat sich Newey selbst zuzuschreiben, denn er war es, der seinerzeit gepusht hat, die Ferrari-Triebwerke zu Toro Rosso abzuschieben, weil er an ein Revival der 1990er-Jahre glaubte, als seine Autos mit Renault-Power alles in Grund und Boden gefahren sind.

Fahrerseitig erzielte Coulthard in Kanada den einzigen Podestplatz des Jahres, doch eigentlich ging der 13-fache Grand-Prix-Sieger an der Seite von Webber sang- und klanglos unter. Webber hat den Ruf des besten Qualifyers neben Jarno Trulli, läuft aber nach inzwischen sieben sieglosen Jahren in der Formel 1 langsam Gefahr, ein ähnliches Schicksal wie Giancarlo Fisichella zu erleiden, der lange Zeit als kommender Weltmeister gehandelt wurde und heute bei Force India fährt.

Genau aus diesem Grund macht sich Surer Sorgen um die Karriere des zweifellos talentierten 32-Jährigen: "Webber gilt als ewiges Talent. Ich frage mich, wie lange man in der Formel 1 ein ewiges Talent sein kann. Er kriegt es einfach nicht auf die Reihe. Vielleicht liegt das nicht mal an ihm selbst, sondern es gibt einfach Leute, die mehr Glück haben als er. Aber wenn er das nicht bald umdreht, sehe ich seine Tage gezählt."

Ciao, David!

David Coulthard

Unwürdiges Ende einer großen Karriere: "DC" crashte in Brasilien gleich am Start Zoom

Webber hatte seine große Chance im Winter 2004/05, als ihn sein Manager Flavio Briatore vor die Wahl stellte, zu Williams oder zu Renault zu wechseln. Webber entschied sich für Williams - und Renault wurde zweimal hintereinander Weltmeister. Im Gegensatz dazu hatte Coulthard bei Williams und McLaren Siegerautos, aber an der Seite von Teamkollegen wie Damon Hill, Mika Häkkinen oder Kimi Räikkönen gelang ihm nie der ganz große Wurf.

2008 war sein letztes Jahr in der Formel 1: "Er ist auf ein paar Strecken, die er mag, noch einmal aufgeblüht, aber grundsätzlich hat man gemerkt, dass seine Zeit rum ist", so Surer. "Es ist ganz normal, dass die Motivation irgendwann nachlässt, und wenn man dann auf eine Strecke kommt, wo es gut läuft, kommt die Motivation zurück. Das kriegt man aber nicht mehr jedes Rennen hin. Teilweise ist er ganz weit von Webber abgefallen, was früher nicht der Fall war."

Mit dem Fahrerwechsel Coulthard gegen Vettel wird das Red-Bull-Team auf einen Schlag um 16 Jahre jünger. Sollte die Horner-Truppe dann auch so gute Arbeit leisten wie Toro Rosso in dieser Saison, dann könnten glorreiche Zeiten bevorstehen. Denn eines sollte man bei aller Kritik nicht vergessen: Hätte Red Bull den Punkteschnitt der ersten acht Rennen gehalten, dann hätte das Team in der Konstrukteurs-WM mit Toyota um Platz fünf gekämpft...

Saisonstatistik:

Team:

Konstrukteurswertung: 7. (29 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Podestplätze: 1
Ausfallsrate: 22,2 Prozent (6.)
Durchschnittlicher Startplatz: 11,0 (6.)

David Coulthard (Startnummer 9):

Fahrerwertung: 16. (8 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 12,8
Bestes Ergebnis Qualifying: 7.
Bestes Ergebnis Rennen: 3.
Ausfallsrate: 27,8 Prozent (17.)

Mark Webber (Startnummer 10):

Fahrerwertung: 11. (21 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 9,2
Bestes Ergebnis Qualifying: 2.
Bestes Ergebnis Rennen: 4.
Ausfallsrate: 16,7 Prozent (8.)

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