Das große Interview mit Patrick Friesacher - Teil eins

Minardi-Pilot Patrick Friesacher im Interview mit 'F1Total.com' über Freudentränen, sieben Wochen im Rollstuhl und Formel-3000-Siege

(Motorsport-Total.com) - Jochen Rindt, Niki Lauda, Gerhard Berger - die Liste österreichischer Formel-1-Superstars ist lang. Seit Dienstag steht fest, dass an der Saison 2005 neben Christian Klien ein weiterer Österreicher teilnehmen wird, nämlich Patrick Friesacher. Der 24-Jährige wurde vom Minardi-Team unter Vertrag genommen, weil der Däne Nicolas Kiesa nicht die erforderlichen Sponsorengelder auftreiben konnte.

Titel-Bild zur News: Patrick Friesacher

Gerötete Augen: Patrick Friesacher kann sein Glück noch immer kaum fassen

Schon vor seinem ersten Rennen in der Königsklasse kann der sympathische Kärntner auf eine bewegte Karriere zurückblicken: Im ersten Teil des exklusiven Interviews mit 'F1Total.com' sprach er am Tag nach seiner Präsentation als Formel-1-Pilot über seine Anfänge auf zwei Rädern, den schweren Kartunfall, der seine Karriere 1997 beinahe beendet hätte, und schwierige Jahre in der Formel 3000. Teil zwei des Gesprächs wird morgen auf 'F1Total.com' veröffentlicht.#w1#

Bei der Pressekonferenz ist "die eine oder andere Träne" gekullert

Frage: "Patrick, bei der Pressekonferenz hat man dich nur mit einem breiten Grinsen im Gesicht gesehen. Hat es einmal eine stille Minute gegeben, in der auch die eine oder andere Freudenträne gekullert ist?"
Patrick Friesacher: "Schon, nämlich als der Paul Stoddart das angekündigt hat. Er hat ja dann den alten Vertrag zerrissen. Dann hat er gesagt, dass ich jetzt offiziell fixer Rennfahrer bei Minardi bin. Da ist dann schon die eine oder andere Träne bei mir runtergekommen, ganz klar. Ich hatte eine Riesenfreude und habe es irgendwie gar nicht glauben können. Ganz realisiert habe ich es aber bis jetzt noch nicht. Dafür brauche ich noch ein paar Tage."

Frage: "Wie ist der Tag bei dir weitergegangen? Ich nehme an, bei dir hat das Telefon nonstop geläutet..."
Friesacher: "Das Telefon geht über, echt - bis heute noch durch, gestern auch schon, Interviews und alles Mögliche! Daran muss ich mich jetzt schön langsam gewöhnen. Das hatte ich vorher nie, ich kannte das gar nicht, aber das ist jetzt eine neue Herausforderung. Mit dem muss ich mich schnell zurechtfinden."

Frage: "Was hast du am Abend noch gemacht? Große Party in Velden?"
Friesacher: "Nein, überhaupt nicht. Wir haben noch gegessen und dann bin ich nach Graz gefahren und sofort ins Bett reingefallen. Ich war völlig kaputt, echt."

Friesacher hatte den Testfahrervertrag schon unterschrieben

Frage: "Es ist erst ein paar Wochen her, da hat es noch nicht gut für dich ausgesehen. Wie hast du damals erfahren, dass es mit einem Rennvertrag wahrscheinlich doch nicht klappen wird?"
Friesacher: "Das war vor zwei Wochen. Wir waren in England beim Paul Stoddart und da hat er uns gesagt, dass er seine zwei Fahrer schon fix hat und die letzte Chance für mich wäre, Testfahrer zu werden. Natürlich haben wir gesagt, 'Okay, wenn es nicht anders geht, müssen wir es so machen', und da hatte ich eigentlich mit einem fixen Platz bei Minardi schon abgeschlossen. Ich habe mich darauf eingestellt, Freitagstestfahrer zu sein. Vor zwei Tagen ruft mich dann mein Manager, Thomas Frank, an und sagt, er muss mir etwas erzählen. Ich habe ihn gefragt, worum es geht, und er sagte, 'Du bist jetzt doch fixer Fahrer bei Minardi'. Das habe ich zunächst gar nicht richtig glauben können."

Frage: "Hast du vorher nichts davon gehört, dass Kiesa Probleme mit seinen Sponsoren hatte?"
Friesacher: "Nein, ich habe nur gehört, dass das alles unter Dach und Fach sei, aber so schnell wendet sich das Blatt."

Frage: "Bei Kiesa sind offenbar Sponsoren abgesprungen, die er Minardi zugesichert hat. Kann das theoretisch dir auch passieren?"
Friesacher: "Nein, das wird sicher nicht passieren."

Frage: "Die Firmen, die dir den Einstieg in die Formel 1 finanziert haben, sind der Kärntner Tourismusverband, 'Remus', 'UPC Telekabel', 'Altis' und 'Kirchbaumer'. Möchtest du davon irgendwem besonders danken?"
Friesacher: "Sowieso. 'Remus' ist jetzt schon seit acht Jahren bei mir und sie haben mir immer die Stange gehalten, auch in schlechten Zeiten. Dasselbe gilt für die neuen Partner, denen ich auch sehr viel zu verdanken habe. Ich hoffe, ich kann ihnen das in Zukunft mit guten Leistungen zurückzahlen."

Cockpit kostet geschätzte vier Millionen Euro für ein Jahr

Frage: "Kannst du irgendetwas darüber verraten, wie viel das Cockpit insgesamt gekostet hat?"
Friesacher: "Das kann ich dir leider nicht verraten..."

Frage: "Bei der Präsentation in Velden war auch der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider anwesend. Inwiefern hatte er seine Finger im Spiel?"
Friesacher: "Er hat mitgeholfen, dass gewisse Partner ins Boot springen, und das Land Kärnten unterstützt mich auch."

Frage: "Jetzt hast du es also geschafft, du bist Formel-1-Fahrer. Da kommen einem sicher ein paar Menschen in den Sinn, denen man besonders viel zu verdanken hat. Wer waren diese Menschen bei dir - auch an den Tagen, an denen es nicht so rosig ausgeschaut hat wie heute?"
Friesacher: "Natürlich in erster Linie meine Eltern, meine Verwandten, die in guten wie in schlechten Zeiten immer zu mir gehalten haben. Ganz besonders auch mein Fanclub und selbstverständlich auch die Sponsoren, denn ohne die wäre ich sowieso nie soweit gekommen."

Frage: "Du hast im Motorsport ursprünglich auf zwei Rädern begonnen. Wie hat alles angefangen?"
Friesacher: "Genau, ja. Ich habe mit fünf Jahren angefangen, ein bisschen Motocross zu fahren. Dann bin ich fünf Jahre Kinderrennen gefahren. Dazu gekommen bin ich, weil mein Vater und mein Onkel früher selbst 20 Jahre lang Motocross-Rennen gefahren sind. So bin ich mit dem in Berührung gekommen. Irgendwann waren wir dann einmal am Österreichring in Zeltweg, wo es früher auch eine kleine Kartbahn gegeben hat. Ich war damals ungefähr zehn Jahre alt, bin einmal gefahren und war sofort fasziniert von den Karts. Gleich danach hat mir mein Vater ein Kart gekauft und so ist das alles ins Rollen gekommen."

Schwerer Unfall beim hobbymäßigen Kartfahren in Graz

Frage: "1997 hattest du im Kart einen schweren Unfall. Du bist sieben Wochen im Rollstuhl gesessen, es war also wirklich schlimm. Wie ist das überhaupt passiert?"
Friesacher: "Das war in der Schwarzlhalle in Graz. Am Abend sind wir immer mit den 125-ccm-Rennkarts gefahren. Die gehen ordentlich dahin, haben 40 PS und machen 160, 170 km/h Spitze. Vor mir hat sich jemand gedreht und in der Halle sind ja die Reifenstapel. Ich habe über die Reifenstapel nicht drüber gesehen. Hinter der Kurve ist jemand gestanden. Ich bin in ihn reingefahren und dann hat es mich aus dem Kart rausgeschmissen. Dabei habe ich mir das Wadenbein dreimal gebrochen, das Schienbein dreimal gebrochen, die Fersen zertrümmert, das Sprunggelenk gebrochen - es war also schon ziemlich heavy."

Frage: "Konntest du dich nach dem Unfall überhaupt daran erinnern?"
Friesacher: "Ja, schon."

Frage: "Ich nehme an, die Rehabilitation war extrem schwierig, etwas zum Durchbeißen, wenn man sich bei jedem Schritt überwinden muss..."
Friesacher: "Genau. Ich habe das Gehen ja wieder lernen müssen, wie ein kleines Baby. Man weiß zwar im Kopf, wie das Gehen funktioniert, aber die Füße spielen nicht mit. Da muss man alles neu lernen. Dem Willi Dungl (berühmter Physiotherapeut; Anm. d. Red.), bei dem ich auf Reha gewesen bin, habe ich diesbezüglich viel zu verdanken."

Frage: "War das psychisch gesehen der absolute Tiefpunkt, den man als junger Rennfahrer erleben kann?"
Friesacher: "Es war eine hässliche Zeit, ganz klar."

Frage: "Sind dir da irgendwann auch einmal Gedanken gekommen, den Motorsport Motorsport sein zu lassen?"
Friesacher: "Nein, eigentlich nicht. Das Witzige war, dass ich noch zwei Gipsfüße hatte, als ich aus dem Krankenhaus gekommen bin, aber ich habe mich sofort wieder in ein Kart gesetzt. Ans Aufhören habe ich nie gedacht."

"Leider habe ich oft Starts versaut und Fehler gemacht"

Frage: "Machen wir einen Sprung in die Formel 3000. An deinem Speed ist es nicht gelegen, aber im Endeffekt hast du nur zwei Rennen gewonnen, was sicher nicht deinen Erwartungen entsprochen hat. Woran hat es gehapert?"
Friesacher: "Im ersten Jahr war es eigentlich ganz gut, da war ich dreimal in der ersten Startreihe. Gleich beim zweiten Rennen war ich neben Mark Webber in der ersten Startreihe. Es ist wirklich gut gelaufen. Leider habe ich in den Rennen oft Starts versaut und Fehler gemacht. Das war meine eigene Schuld. Im zweiten Jahr ist dann das neue Auto gekommen und damit haben wir uns im Kreis gedreht, speziell die Ingenieure. Da ist nichts weitergegangen. Als ich dann zu Coloni gekommen bin, fing es besser an. Ich habe mit einem zweiten Platz in Imola begonnen, aber vor dem zweiten Rennen in Barcelona habe ich mir die Hand gebrochen. Ich musste zwei Rennen - A1-Ring und Monaco - pausieren. Ich bin dann wieder zurückgekommen und es lief eigentlich ganz gut, obwohl ich zwei Rennen gebraucht habe, um wieder vorne mit dabei zu sein. Dann wurde ich Dritter in Hockenheim, Erster in Ungarn und Zweiter in Monza. Trotz meiner Pause hat es für den fünften Platz in der Meisterschaft gereicht."

Frage: "War dein erster Sieg in Ungarn gefühlsmäßig der bisherige Höhepunkt deiner Karriere?"
Friesacher: "Ja, schon. Die letzten zwei Siege waren etwas ganz Besonderes."

Frage: "Irgendwann zwischendurch hast du dich von 'Red Bull' getrennt. Hast du dich damals schon damit abgefunden, dass es mit der Formel 1 nicht mehr klappen könnte?"
Friesacher: "Nein, eigentlich überhaupt nicht, aber in erster Linie war es für mich eine Enttäuschung, denn ich war von allen 'Red-Bull'-Motorsportlern derjenige, der am längsten dabei war. Sie haben mich vom Kartsport weg aufgebaut. Auf einmal hieß es dann, 'Du musst Formel Nippon fahren', aber das wollte ich nicht. Ich hätte es verstanden, wenn man gesagt hätte, 'Okay, du und der Christian (Klien; Anm. d. Red.), ihr bekommt beide einen Formel-1-Test und der Schnellere bekommt das Cockpit', aber das war leider nicht der Fall."

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