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Booth: "Wir haben wie Dummköpfe ausgesehen"

Marussia-Virgin erkämpft sich immer mehr Anerkennung im Fahrerlager und hat durch zahlreiche Vorgänge im Hintergrund eine gute Zukunft in Aussicht

(Motorsport-Total.com) - Bei Marussia-Virgin sind die mageren Resultate nur die halbe Wahrheit. Hinter den Kulissen tut sich beim jungen Formel-1-Team sehr viel. Neben einem Fabrikumzug und der Kooperation mit McLaren sorgte Pat Symonds für frischen Wind. Der ehemalige Renault-Chefingenieur bringt zum Rennen in Monza zahlreiche Neuerungen ans Auto.

Titel-Bild zur News: John Booth

John Booth und sein Team fühlen sich mittlerweile recht wohl in der Formel 1

Das zentrale Thema bei Marussia-Virigin und Teamchef John Booth war aber der Umzug des Teamsitzes. "Es war sehr hektisch. Zuerst mussten wir eine Entscheidung treffen, wo wir uns niederlassen", erinnert sich Booth und erklärt den Kollegen von 'Autosport': "Wir haben uns für Banbury entschieden. Die Einrichtung entsprach anfangs nicht der eines Formel-1-Teams. Deshalb mussten die Architekten dort ein wenig umbauen."

Pausenloser Betrieb

"Es war die sinnvollste Entscheidung, weil unser Designteam dort ohne Unterbrechung arbeiten kann. Die Designer haben ein neues Büro und alle CAD-Stationen sind dort. Es ist gut, wenn alles auch zu kritischen Zeiten ununterbrochen laufen kann. Den Rest des Werks haben wir um diesen Bereich herum gebaut", so der Marussia-Virgin-Teamchef.

Beim Umzug kommt es vorübergehend zu einer Teilung des Teams. Während das Rennteam noch am alten Standort verweilt, ist die Verwaltung schon unterwegs: "Der wirtschaftliche Teil des Team zieht gerade in das gerade fertig gestellte Büro um. Das Rennteam zieht nach dem Grand Prix von Brasilien um, damit es ein schöner und sauberer Schnitt wird", berichtet Booth.

Timo Glock, Lucas di Grassi

Die Zuverlässigkeit des Vorjahresautos war zu Saisonbeginn nicht gegeben Zoom

Neben dem neuen Standort rüstet das Team auch personell auf: "Wir haben viele freie Stellen besetzt und haben eine Menge neuer Designer. Es gibt einen anhaltenden Fluss neuer Gesichter. Ich gehe zwei oder drei Mal pro Woche runter und jedes Mal sehe ich im Designbüro jemand neues. Ich denke, Pat Symonds hat sein Team bald vollständig zusammen."

Man ist angekommen

Booth, der 2010 ein turbulentes Jahr erlebt hat, hat nun auch etwas Zeit zum verschnaufen. Ehrlich gibt er zu: "Ich selbst fühle mich in der Formel 1 mittlerweile wohler. Ich denke, dass wir in den ersten sechs Monaten des Vorjahres nicht so richtig dazugehört haben. Das betrifft auch mich. Wenn man es nicht schafft, ein Auto mehr als zwei Runden auf einer Strecke fahren zu lassen, sieht man wie ein Dummkopf aus. Da kann man sich nicht wohlfühlen. Ab dem Rennen in Singapur haben wir recht gut als Team gearbeitet. Das war das erste Mal, dass ich mich als Teil der Formel 1 wohlgefühlt habe."

Die Verpflichtung von Symonds verschaffte dem Team die Routine, die eine so junge Mannschaft dringend benötigt. Um die Rolle des Briten ranken sich aber Sagen und Mythen, die zwischen Ingenieur und Berater wechseln und offen lassen, welches Ausmaß seine Arbeit hat. "Pat Symonds ist ein Vollzeit-Berater", erklärt Booth und ergänzt: "Er ist mittlerweile nahezu die volle Zeit bei uns. Ich glaube, er bewältigt gerade neun Tage pro Woche. Er hat aktuell keine Zeit, um zu den Strecken zu kommen."

Pat Symonds (Chefingenieur)

Mann mit Erfahrung: Pat Symonds bringt mit seiner Routine Ordnung ins Team Zoom

Verbesserungen am aktuellen Auto stehen für Monza in Sicht. Booth erläutert: "Wir hatten für Silverstone ein Update geplant. Das hatten wir aber zur Seite gestellt, weil wir gezweifelt hatten, ob es sich lohnt damit weiterzuarbeiten. Dann hat sich Pat die Teile bei einer CFD-Ermittlung ein bisschen genauer angesehen und gemeint, dass es Sinn macht, daran weiterzuarbeiten. Wenn alles gut läuft haben wir die Teile in Monza am Auto."

Viele neue alte Teile

"Es handelt sich um eine Motorverkleidung, einen Auspuff und den hinteren Unterboden. Natürlich wird es auch einen Extra-Flügel für Monza geben. Das Verkleidungspaket wird aber auch nach Monza am Auto bleiben. Das gesamte Heck wird schmaler und enger", berichtet Booth und stellt klar: "Die Entwicklung der Teile hat unsere Arbeit für 2012 nicht sehr unterbrochen. Das meiste war ja schon gemacht. Es ging nur noch ums ordnen und anpassen."

"Ich stelle fest, dass Pat ein sehr umsichtiger Bursche ist. Sein Vorgänger hatte uns große Versprechungen gemacht. Pat ist das komplette Gegenteil. Er ist sehr realistisch. Man muss fairerweise sagen, dass er nicht mehr viel am Monocoque für 2012 ändern konnte, weil das schon nahezu fertig gestellt war. Der Zeitplan ermöglichte es uns besonders durch die neuen Crashtest-Verordnungen nicht, daran noch viel zu ändern."

Entwicklung: Der Auftritt von Marussia-Virgin hat sich sichtbar verbessert Zoom

"An der Aufhängung haben wir ein wenig geändert. Aber wir sind mit der mechanischen Basis des Autos recht zufrieden. Es funktioniert schon sehr gut. Es wird im Heck ein paar Veränderungen geben. Wir werden sicher eine bessere Ausgangsposition haben als jetzt. Ich denke, die Sprünge im Saisonverlauf werden auch größer ausfallen", hofft der Marussia-Virgin-Teamchef.

Die Kooperation mit McLaren dürfte dem Team zusätzlichen Auftrieb verschaffen. Doch auch zum aktuellen Zeitpunkt wirkt sich der Deal auf die Performance von Marussia-Virgin aus: "Zu McLaren haben wir vollstes Vertrauen. Sie haben von ihrer Seite aus damit angefangen, bevor der Paperkram unterzeichnet war. Ich denke, die Situation mit dem Windkanal ist geklärt. Die Rennstrategie-Software benutzen wir am Kommandostand seit mittlerweile vier Rennen und können sagen, dass sie wunderbar funktioniert. Sie haben acht Jahre Entwicklung investiert und wir dürfen sie mitbenutzen. Als wir sie das erste Mal verwendet haben, wurde uns klar, wie sehr wir im Dunkeln gefischt haben", schildert Booth.

Sichtbare Entwicklung

Besonders begeistert ist er von der Geduld seines Teams. Obwohl die Resultate alles andere als erfreulich sind, steckt die Mannschaft den Kopf nicht in den Sand: "Das Team hat sich immer wieder selbst motiviert. Wir haben ständig Druck gemacht, die Dinge zu verbessern, die wir in der Hand haben. Dazu zählen die Boxenstopps, die Art und Weise wie wir aussehen und unsere Arbeitsweise."

"Wenn jemand in unsere Box schaut, wird er in der Art und Weise, wie die Leute arbeiten und wirken, keine Unterschiede zu einer Box am Ende der Boxengasse sehen, auch wenn wir noch nicht so schnell sind. Wir werden uns also weiterhin auf die Dinge konzentrieren, die wir beeinflussen können", merkt Booth an.

Neben HRT ist Lotus der Hauptkonkurrent von Marussia-Virgin. Nachdem man in Ungarn sehr nah dran war, konnte Lotus in Belgien zurückschlagen: "Lotus hat einen Schritt gemacht und wir nicht. Das demonstriert, wie hart es ist, solch einen Schritt zu machen. Mike Gascoyne hat ein sehr gutes Team um sich herum. Sie haben einige Leute von anderen Teams beschäftigt und es hat verdeutlicht, wie hart es ist, solche Sprünge zu machen", erkennt Booth neidlos.