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"Attentat": Experten werfen Kwjat-Schicksal in die Waagschale

Die Ex-Formel-1-Piloten Martin Brundle und Jean Alesi sehen Daniil Kwjats Karriere durch seine Rambo-Aktion gegen Sebastian Vettel in Sotschi gefährdet

(Motorsport-Total.com) - Was geschieht mit dem neuen Prügelknaben der Königsklasse? Nachdem Daniil Kwjat bei seinem Heim-Grand-Prix in Sotschi in der Startphase gleich zweimal in den Ferrari von Sebastian Vettel krachte, dessen Rennen damit beendete, auch Red-Bull-Teamkollege Daniel Ricciardo mit in das Schlamassel reinzog und für Zuschauerflucht auf den Tribünen sorgte, geriet der junge Russe ins Kreuzfeuer der Formel 1. Nun muss er um seine Karriere zittern. Noch in dieser Woche geht es zum Rapport in die Team-Fabrik nach Milton Keynes. Experten befürchten nichts Gutes.

Titel-Bild zur News: Daniil Kwjat

Wohin geht der Weg für den stark kritisierten Daniil Kwjat? Zoom

"Ich mag Kwjat sehr gerne. Er ist so ein toller Charakter, auf und neben der Strecke", sagt Ex- Formel-1-Pilot und TV-Experte Martin Brundle bei 'Sky Sport F1'. "Und ich hatte auch Mitleid mit ihm, denn es war kein besonders großer Fehler, den er in der Anfahrt auf Kurve 2 gemacht hat und beim zweiten Kontakt hatte Vettel vorsichtig abgebremst. Aber es hat ohne Zweifel seinen Chancen bei Red Bull zu bleiben geschadet."

Der ehemalige Ferrari-Pilot Jean Alesi geht gegenüber 'Canal +' noch weiter. "Seb wurde auf unfassbare Art getroffen. Es wirkte, als würde Kwjat ganz woanders hingucken - das kann nicht angehen." Der Franzose hätte sich ein härteres Durchgreifen der Rennleitung gewünscht: "Er bekam dafür nur zehn Sekunden in der Box. Das ist so gut wie gar nichts. Für mich war es ein Attentat und wo kommen wir hin, wenn wir für solche Attacken nur 10-Sekunden-Strafen geben?"

Die Akte Kwjat wird zum heißen Eisen - und zum roten Tuch für Vettel. Der war bereits zwei Wochen zuvor in Schanghai auf den 22-Jährigen losgegangen, weil er sich in eine Kollision mit Kimi Räikkönen gedrängt gefühlt hatte. Damals war der viermalige Weltmeister noch im Unrecht. Kwjat gab danach an, er würde eine ähnliche Aktion wieder bringen und die Lücke suchen, wenn sie wieder erscheine. Die Aktion wiederholte sich auch - nur ohne Lücke.


Fotostrecke: Der Vettel/Kwjat-Crash in Sotschi

"In China hat er die erste Runde gegen Vettel noch souverän gewonnen, aber auf heimischen Boden in Russland erlitt Kwjat einen K.-o.-Schlag", meint Brundle. "Er hat nicht nur Vettel ausradiert, sondern auch für einen punktelosen Nachmittag seines Teams gesorgt."

Ricciardo wurde von dem sich abdrehenden Vettel getroffen und geriet so ebenfalls ins Hintertreffen. Auch der sonst stets freundliche Australier äußerte sich seinem Teamkollegen gegenüber danach kritisch. Alesi glaubt derweil, die Situation könnte vom Team auch hausgemacht sein.

Macht das Team zu viel Druck?

"Der Junge ist nett, aber er steht unter Druck", nimmt er Kwjat sogar etwas in Schutz. "Ich glaube, das ist eine ungesunde Situation bei Red Bull. Sie haben schon vier sehr gute Fahrer in ihren Autos und weitere warten auf ihre Gelegenheit. Jeder steht dort unter Druck und das erzeugt erste Runden wie diese."

Tatsächlich wird in Hinblick auf die Kwjat-Kritik von Red-Bull-Berater Helmut Marko auch immer dessen langes Gespräch mit Toro-Rosso-Pilot Max Verstappen am Rande des vergangenen Rennwochenendes erwähnt. Den "zukünftigen Champion" will man höchstwahrscheinlich schnellstmöglich in das schnellere Auto setzen. Vertsappens Teamkollege Carlos Sainz gilt ebenfalls als vielversprechendes Talent. Und von außen drängen Nachwuchspiloten wie Pierre Gasly in die Königsklasse. Und Kwjat sammelte alles andere als gute Argumente dafür, sein Cockpit behalten zu dürfen.

Christian Horner, Helmut Marko

Förderer und Forderer: Fährt Red Bull eine zu strenge Linie mit dem Nachwuchs? Zoom

"Das gute an der Formel 1 ist, dass es dort ständig vom Loser zum Held geht und es in beide Richtungen sehr schnell gehen kann", macht Brundle, der nach seiner aktiven Karriere auch als Fahrer-Manager tätig war, dem Prügelknaben aber Hoffnung. "Wenn er die Ruhe bewahrt, kann er sich von der Situation erholen. Das hilft Vettel allerdings auch nicht mehr."