Digitale Boxentafeln: Wird die MotoGP bald ferngesteuert?

Textnachrichten auf den Dashboards der MotoGP-Fahrer könnten den Sport sicherer machen, aber auch Tür und Tor für Taktikspielchen und Teamorder öffnen

(Motorsport-Total.com) - In der Formel 1 ist Funkverkehr gang und gäbe. Da wird sich über Taktiken ausgetauscht, über abbauende Reifen beschwert und noch vieles mehr. Ähnliches könnte auch bald in der MotoGP möglich werden. Denn sogenannte digitale Boxentafeln stehen laut Renndirektor Mike Webb kurz vor der Einführung. Die Technologie, Nachrichten der Teams auf die Dashboard der Fahrer zu senden, steht jedenfalls.

Titel-Bild zur News: Dashboard

Werden die Fahrer auf ihren Dashboards bald Nachrichten ihrer Teams erhalten? Zoom

Die Frage ist allerdings, ob man diese Art der Kommunikation wirklich forcieren will. "Wir arbeiten daran, das Einverständnis aller Teams zu bekommen - das beinhaltet auch die Fahrer", erklärt Webb im Interview mit 'crash.net'. "Es gibt einige Teams und Fahrer, die sagen: 'Wir wollen das eigentlich gar nicht.' Andere sagen: 'Ja, das ist ein wirklich gutes Hilfsmittel, lasst es uns einsetzen.' Aber noch steht nichts fest."

Doch was würden - oder besser gesagt dürften - solche digitalen Dashboard-Nachrichten künftig überhaupt enthalten? Bisher beschränkt sich die Anzeige im Cockpit des Fahrers seitens der Renndirektion auf die Einblendung von Flaggensignalen zusätzlich zu jenen der Streckenposten - wird die gelbe Flagge geschwenkt, leuchtet es dort entsprechend. Das Signal basiert auf derselben Technologie wie die geplanten Textnachrichten.

Team-Fahrer-Kommunikation: Es braucht Grenzen

"Es wird sich um sehr kurze Mitteilungen handeln, die so klar und prägnant wie möglich sein sollten. Im Moment gibt es den Vorschlag, mit einem Menü-System zu starten, das fünf oder sechs Standard-Nachrichten enthält, aus denen die Teams wählen können", beschreibt Webb die Herangehensweise. Die Vorlagen stammen von der Renndirektion und befassen sich zum Beispiel mit dem Wetter oder signalisieren, dass ein Fahrer an die Box kommen soll.

Für diese Reglementierung haben sich die Verantwortlichen ganz bewusst entschieden. Denn die Technologie solle nicht dazu dienen, dass jeder schreiben könne, was er wolle. "Vielleicht erwächst daraus mit der Zeit etwas mehr. Ich persönlich muss noch davon überzeugt werden, dass es eine gute Idee ist, uneingeschränkte Kommunikation mit den Fahrern zu ermöglichen", gibt Webb zu. "Ich bevorzuge Grenzen."

So soll auch verhindert werden, dass sich Teams und Fahrer wie in der Formel 1 über jede Kleinigkeit austauschen und der Pilot mitunter zur Marionette wird. Dabei schränkt Webb jedoch ein: "Über die Boxentafel wird schon jetzt mit den Fahrern kommuniziert. Dort kann man leicht ein 'P2' zeigen und dem Fahrer damit signalisieren, eine Position abzugeben." Das müsse aber nicht noch forciert oder vereinfacht werden.


Fotostrecke: Das MotoGP-Fahrerfeld 2017

Textnachrichten aufs Dash vor allem für die Sicherheit

"Draußen auf der Strecke sind Mann und Maschine auf sich gestellt. Sie machen ihr Rennen, normalerweise ohne Boxenstopps, und es liegt in der Hand des Fahrers zu entscheiden, welche Taktik er verfolgt oder wie er die Strecke einschätzt", erklärt Webb und sieht darin einen klaren Unterschied zur Formel 1. "Ich würde diese Philosophie eines Motorrad-Sprintrennens gern beibehalten, wo es auf den Fahrer ankommt."

Manche Teams hingegen wittern mit der neuen Technologie schon die Chance, ihre Piloten beliebig informieren und lenken zu können. "Die erste Anfrage beinahe jedes Teams war, die Freiheit zu haben, eigene Nachrichten zu schreiben", erinnert sich Webb, "doch da habe ich ganz klar mein Veto eingelegt." Noch immer hege er Zweifel daran, ob die Technik überhaupt zum Einsatz kommen solle, will es aber auf einen Versuch ankommen lassen.

"Das Ziel war zuallererst und immer die Sicherheit. Nachrichten wie: 'Die Bedingungen sind XYZ, du musst Reifen wechseln.' So etwas in der Art. Vor diesem Hintergrund hat eine völlig offene Kommunikation die niedrigste Priorität", stellt der MotoGP-Rennleiter klar. Ob und wie die digitalen Boxentafeln letztlich eingeführt werden, bleibt abzuwarten. Eine finale Einigung zwischen Dorna, IRTA und den Teams stehe noch aus.

Technikdirektor Corrado Cecchinelli signalisierte zuletzt, dass ein Software-Update beim letzten offiziellen Test der Vorsaison in Katar zur Verfügung stehen werde. "Wenn dann alles unter Dach und Fach und jeder einverstanden ist, können wir es umsetzen", bestätigt auch Webb. Er selbst halte das für den Saisonauftakt der MotoGP am 26. März 2017, ebenfalls in Katar, jedoch für eher unwahrscheinlich.