• 18.10.2001 16:35

  • von Fabian Hust

Wenn Reifenfirmen ihre Partnerteams bevorzugen

Im Kampf um die Bevorzugung durch die Reifenfirmen scheint McLaren-Mercedes ins Abseits gedrängt worden zu sein

(Motorsport-Total.com) - Die Entscheidung dürfte Ferrari nicht leicht gefallen sein, als man sich in dieser Saison für die kommenden Jahre auf einen Reifenpartner festlegen musste. Schlussendlich entschieden sich die Italiener für Bridgestone, mit denen man einen Vertrag bis zum Saisonende 2004 aushandelte. Insider sind sich sicher, dass die Japaner dem Weltmeisterteam besondere Unterstützung zukommen lassen werden und andere Partnerteams aus diesem Grund Abstriche machen müssen.

Titel-Bild zur News: Michelin

Einige Bridgestone-Teams könnten für 2002 in das Michelin-Lager wechseln

Solch ein Vorgehen wäre nicht ungewöhnlich, denn mit Michael Schumacher und einem starken Technikerstab hat man bei Ferrari wohl in den kommenden Jahren die beste Chance, den Titel zu gewinnen. Auf der anderen Seite wird Bridgestone dennoch weiterhin bemüht sein, seine restlichen Partnerteams so gut wie möglich zu unterstützen, denn auch diese sind im Kampf gegen Gegner Michelin natürlich nicht bedeutungslos.

McLaren-Mercedes schon 2001 im Nachteil
McLaren-Mercedes hatte zu Saisonbeginn ein hartnäckiges Untersteuern im MP4-16, das man nicht von heute auf morgen über die Aerodynamik auskurieren konnte. Theoretisch hätte Bridgestone einen Vorderreifen anliefern können, der dem Auto das Untersteuern zumindest teilweise abgewöhnt, doch dann wäre der Ferrari aus der Balance geworfen worden. "Bei McLaren war man über die Behandlung durch Bridgestone nicht besonders glücklich. Wäre Bridgestone auf die Probleme von McLaren mehr eingegangen und hätte sich nicht zu sehr auf Ferrari konzentriert, dann stünde man jetzt nicht kurz davor, ins andere Reifenlager zu wechseln", so ein Insider über McLarens Reifenfrage gegenüber F1Total.com.

Kleine Teams im Nachteil
Das Vorgehen der Reifenhersteller ist verständlich, aber gleichzeitig für die weniger konkurrenzfähigen Teams brutal. Diese haben sowieso schon große Probleme, mit den Top-Teams mitzuhalten und fallen noch weiter zurück, weil die Reifenhersteller die Wünsche der Teams an das schwarze Gummi mit fallender Konkurrenzfähigkeit der Teams weniger berücksichtigen. "Erst mit dem Saisonende, als wir konkurrenzfähiger wurden, hat sich Michelin auch unsere Daten näher angeschaut", spricht Benetton-Renault-Pilot Jenson Button das Problem an.

Das Reglement gestattet es den Reifenherstellern nicht, für jedes seiner Partnerteams maßgeschneiderte Pneus zu entwickeln. Aus diesem Grund müssen die Reifenhersteller Kompromisse eingehen und primär einem Top-Team mehr Stimmrecht bei der Auswahl der Reifenmischungen und der weiteren Entwicklungsrichtung einräumen. Bei Bridgestone war dies in diesem Jahr Ferrari, bei Michelin Partnerteam BMW-Williams. Beide Reifenpartner scheuen sich nicht davor, einzugestehen, dass man hier von einer "besonderen Beziehung" sprechen kann.

Reglement zwingt Reifenhersteller zur Bevorzugung
Die auf den ersten Blick vielleicht unverständliche Regel hat ihren Sinn. Dürften die Reifenhersteller laut Reglement für jedes Team einen eigenen Reifen backen, würde das die Entwicklungs- und Produktionskosten dramatisch nach oben schnellen lassen. Das würde letztendlich auch dazu führen, dass sich kein Reifenhersteller darum reißen wird, möglichst viele Teams auszustatten.

Sechs von elf Teams waren in diesem Jahr mit Bridgestone-Reifen unterwegs, im nächsten Jahr würde auch Michelin sechs Teams unter Vertrag haben, da auch Neueinsteiger Toyota auf die französischen Pneus setzt. Doch in der kommenden Saison könnten weitere Teams auf die Firma mit dem 'Bibendum' setzen. Sportchef Pierre Dupasquier bestätigte, dass man mit "mehreren Teams" Verhandlungen führt - mit allen, die für die kommende Saison noch keinen Reifenpartner haben, darunter BAR-Honda und McLaren-Mercedes.

McLaren-Mercedes sitzt zwischen zwei Stühlen
Letzteres Team hat ein großes Problem. Bridgestone bevorzugt Ferrari, Michelin BMW-Williams - da bleibt eigentlich kein geeigneter Reifenpartner übrig, will man im kommenden Jahr wieder absolut gleichberechtigt um den WM-Titel fahren. Somit bleibt für die Silbernen nur noch die Möglichkeit, den Reifenpartner versuchen zu finden, der in den kommenden Jahren wohl die Oberhand gewinnen wird. Was natürlich keine leichte Entscheidung ist.

Bridgestone hatte in diesem Jahr den besseren Reifen als Michelin, jedoch haben die Franzosen eindrucksvoll in ihrer ersten Saison gezeigt, dass sie in der Lage sind, siegfähiges Gummi zu produzieren. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis man auf allen Strecken konkurrenzfähig sein wird. Hätte Michelin den "Peakpunkt" nicht angefahrener Reifen wie Bridgestone genutzt, wäre nicht nur im Qualifying die Bilanz deutlich besser ausgefallen.

Welcher Reifenpartner ist viel versprechender?
Zwei weitere Faktoren darf man bei den Mutmaßungen, wer denn nun mehr Potenzial hat, nicht außer Acht lassen: Erstens ist Bridgestone seit 1998 in der Formel 1, Michelin hat also einen deutlichen Erfahrungsrückstand. Zweitens darf man jedoch nicht vergessen, dass Bridgestone in diesem Jahr eine eher konservativere Linie eingeschlagen hat als Michelin. Während die Reifen der Franzosen das Gummi regelrecht "verbrauchten" und teilweise einem Slick ähnlich waren, sahen die Reifen von Bridgestone nach den Rennen abgesehen von dem fehlenden Glanz meist wie neu aus. Es scheint also, als habe Bridgestone in Sachen Mischung noch viel ungenutztes Potenzial.

McLaren-Mercedes in der Zwickmühle
Die Tatsache, dass es immer noch keine Bestätigung über den Reifenpartner für die Saison 2002 von McLaren-Mercedes gibt, zeigt, dass die Entscheidung nicht leicht fällt. Setzt man auf Bridgestone, so ist man wohl gegenüber Ferrari im Nachteil, kennt aber das Verhalten der Reifen, was für die Entwicklung des MP4-17 sehr wichtig ist. Es würde also durchaus Sinn machen, Bridgestone loyal zu bleiben.

Unterschreibt man einen Vertrag mit Michelin, so muss man ohne Erfahrungswerte über das Verhalten der Reifen zu haben das neue Auto entwickeln, was zur Folge hat, dass man gewisse Kompromisse eingehen muss, was sich in der Leistung des Autos niederschlagen wird. Hinzu kommt, dass die Presse das Duell BMW gegen Mercedes hervorheben kann, da dann beide Motorenhersteller auf die gleichen Reifen setzen, was einen Vergleich erleichtert.

Sowohl die Reifenhersteller als auch die Teams sprechen von einer Entscheidung "in den nächsten Wochen". Eines ist klar: Je früher für die Designer der Autos Gewissheit herrscht, desto positiver wird sich das auf die Leistung der nächstjährigen Boliden auswirken.