Warum die Formel 1 Austin erobern wird

Noch nie waren die Umstände für die Formel 1 in den USA so günstig wie in Austin - Warum die Königsklasse ausgerechnet in Texas heimisch werden könnte

(Motorsport-Total.com) - Auf den ersten Blick sieht die texanische Landschaft, in der 2012 der Grand Prix der USA stattfinden soll, aus wie ein Millionengrab. Ein paar Büsche, eine karge Umgebung - ist dies der Ort, an dem die Formel 1 die nächste US-amerikanische Ohrfeige erhält? Nicht unbedingt. Denn nach einem Parkplatz in Las Vegas, den Betonwüsten von Detroit und Phoenix sowie dem umstrittenen Infieldkurs von Indy hat die Formel 1 in Austin ab 2012 möglicherweise ihre neue Heimat gefunden.

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Noch deutet am Schauplatz nur wenig auf ein Formel-1-Rennen hin

Wer sich wundert, wie die "europäische" Formel 1 ausgerechnet im konservativen Texas Fuß fassen soll, hat grundsätzlich recht. Doch Austin ist nicht Texas, auch wenn es im Bundestaat Texas liegt. Das Fachmagazin 'F1Racing' hat sich in Austin umgesehen und traute seinen Augen nicht: Die ganze Stadt weiß darüber Bescheid, dass dort der Grand Prix stattfinden wird. "Ich interessiere mich nicht für Motorsport, doch es ist cool, dass die Formel 1 hierher kommt", wird ein Anrainer zitiert. Freude über die Formel 1 in den USA? Für Menschen, die sich noch an die gellenden Pfiffe und die fliegenden Wasserflaschen bei der Farce von Indy 2005 erinnern, ist dies ein Novum.

Der Mann aus Austin hat noch weit mehr zu erzählen: "Ich habe davon vor zwei Jahren gehört. Es ist großartig für die lokale Wirtschaft und für die Stadt. Die amerikanischen Rennfans zählen zu den unglaublichsten da draußen. Sie werden nicht zweimal darüber nachdenken, tausende von Meilen zurückzulegen, um dabei zu sein."

Austin weiß über Formel-1-Rennen bescheid

Dass Austin tatsächlich anders ist, beweist alleine der Slogan der Werbekampagne der 758.000-Einwohner-Stadt: Keep Austin Weird! (Auf Deutsch: Austin muss verrückt bleiben, Anm.). Doch das alleine reicht noch nicht, um den amerikanischen Traum der Formel 1 zu verwirklichen. Dafür könnte aber der 41-jährige Veranstalter Tavo Hellmund sorgen. Der ehemalige Rennfahrer wird bei seinem Projekt vom 83-Jährigen Investor Red McCombs unterstützt, der sich wie Bernie Ecclestone als Autohändler seine Sporen verdiente und nun Basketball- und American-Football-Vereine besitzt.


Fotos: Baufortschritt in Austin


"Ich sage euch, dass es im Staat Texas keinen Menschen gibt, der über dieses Rennen nicht Bescheid weiß", behauptet Hellmund gegenüber 'F1Racing'. "Und ich möchte mit dieser Aussage nicht arrogant wirken. Das Thema ist täglich in den Zeitungen und in den Nachrichten." Doch was prädestiniert den Texaner dazu, Ecclestones großen Traum zu verwirklichen?

Die Antwort ist klar: Dieser Mann ist kein reiner Marketing-Fachmann, er ist trotz seiner Herkunft mit der Formel 1 aufgewachsen, er versteht die Faszination des Grand-Prix-Zirkus. Hellmund hat in seinem Leben über 80 Formel-1-Rennen besucht und schenkte seiner Frau 2007 eine gemeinsame Reise zum Klassiker in Spa-Francorchamps. Dass er kein Angeber ist, beweist auch sein Fachwissen: "Sag irgendein Jahr und ich sage dir, wer damals Weltmeister war!" Auf die Frage nach dem Jahr 1959 kam postwendend die Antwort: "Jack Brabham, nächste Frage!"

Organisator Hellmund "atmet" die Formel 1

Hellmunds Vater war Veranstalter des Grand Prix von Mexiko, daher rührt auch seine gute Beziehung zu Ecclestone. "Ich kenne Bernie seit 40 Jahren", erzählt er. "Er und mein Vater waren gute Freunde und er sagt, dass er sich an mich erinnern kann, als ich noch Windeln anhatte." Doch Hellmund beschränkte sich in seinem Leben nicht auf die Rolle des Formel-1-Fans: "1981 und 1984 half ich für ihn und Nelson Piquet bei Brabham aus. Nelson war mein Held und Bernie meine Familie. Ich wollte die wirtschaftliche Seite der Formel 1 verstehen. Es interessierte mich, wie Bernie die Formel 1 groß gemacht hat."

"Bernie erinnert sich an mich, als ich noch Windeln anhatte." Tavo Hellmund

Noch heute schätzt er die Handschlag-Qualität des inzwischen 80-jährigen Formel-1-Zampanos: "Er ist einer der klügsten Menschen, die mir je begegnet sind und er ist absolut geradeaus. Ich glaube, dass er noch nie einen Formel-1-Vertrag gebrochen hat. Es ist hart, mit ihm zu verhandeln. Natürlich hilft es, ihn und einige Leute in seiner Organisation schon so lange zu kennen, doch ich habe immer das Gefühl, dass er dadurch auch mehr von mir verlangt, wodurch der Druck sogar noch größer wird."

Wenn man sich die Umgebung ansieht, wo in rund einem Jahr eine Rennstrecke stehen soll, dann traut man seinen Augen nicht. Nichts deutet auf ein Formel-1-Rennen hin. Dabei sind die Pläne für Rennen in Austin keineswegs neu, wie Hellmund bestätigt: "Ich arbeite daran schon zehn Jahre lang. Bernie und ich sprechen darüber im Grunde schon seit zwanzig Jahren."

Was für Austin spricht

Hellmund hat auch die Argumente parat, warum er der Formel 1 in den USA endlich eine wahre Heimat schenken kann: "Noch nie wurde ein Paket mit diesen finanziellen Mitteln, dieser Unterstützung aus Politik und Regierung und diesem idealen Ort zusammengestellt. Ich glaube nicht, dass Bernie in den 1990er Jahren etwas Langfristiges gesucht hat, doch das hier ist der richtige Ort zur richtigen Zeit."

"Austin ist in jeder möglichen Liste in den Top-3." Tavo Hellmund

Auch die Stadt Austin ist laut dem US-Amerikaner für ein Formel-1-Rennen perfekt geeignet: "Man muss sich nur die Fakten anschauen: Austin ist in jeder möglichen Liste in den Top-3. Am hippsten, am sichersten, am meisten Geld pro Kopf, mehr Fortune-500-Firmen als irgendwo anders auf der Welt, das zweitbeste technische Zentrum in den USA nach dem Silicon Valley. Wenn ich dir eine Landkarte gebe, und sage: 'Zeige mir, wo auf diesem Kontinent du ein globales Event austragen würdest', dann würdest du im Umkreis von 100 Meilen von Austin landen. Warum? Weil es zwischen Kanada und Zentralamerika und zwischen den Küsten liegt und zu den schönsten Städten der USA zählt."

Bleibt noch die entscheidende Frage, wie Hellmund die US-Amerikaner breitenwirksam auf die Formel 1 einschwören möchte. "Es gibt leidenschaftliche Formel-1-Fans in den USA", sagt er. "Man könnte aber wohl jede Gegend in den USA auswählen und die Frage stellen, ob es dort leidenschaftliche Formel-1-Fans gibt, und die Antwort wäre 'wahrscheinlich nicht'. Wir machen das hier aber nicht, um alle Plätze an Menschen aus Austin zu verkaufen. Wenn man so denken würde, dann hätten die Olympischen Spiele wohl nie Athen verlassen. Das hier ist ein globaler Event und wir wollen, dass die Leute von überall kommen. Es wird aber sicher auch viele aus Austin und aus Zentral-Texas geben."