• 27.10.2013 14:08

Vom Milch-Bubi zur Siegmaschine: Vettel spaltet die Formel 1

Sebastian Vettel hat seinen vierten WM-Titel in Serie gewonnen: Der einstige Milch-Bubi hat sich längst zum Dominator der Formel 1 entwickelt

(Motorsport-Total.com/SID) - Vor ein paar Jahren lief er noch als Milch-Bubi durch das Fahrerlager, schüchtern, mit Zahnspange im Mund und unreiner Haut. 36 Siege und vier Weltmeistertitel später ist aus dem unscheinbaren Jungen Sebastian Vettel längst der absolute Dominator, der König der Formel 1 geworden. Seine Überlegenheit lässt die Konkurrenz um Fernando Alonso wie Statisten aussehen. "Ein Rennen dauert 90 Minuten, und am Ende gewinnt immer der Deutsche" - der Spruch in Anlehnung an Gary Linekers Fußball-Weisheit ist an den Rennstrecken dieser Welt zum geflügelten Wort geworden. Vettel ist einfach nicht zu stoppen.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

So kennen wir Sebastian Vettel: Der Jubel wurde zuletzt immer mehr Zoom

Der Red-Bull-Pilot ist im Rekordtempo in die Geschichtsbücher gefahren. Immer war er der Jüngste: Jüngster Pole-Setter, jüngster Grand-Prix-Sieger, jüngster Weltmeister und nun auch jüngster Vierfach-Champion. Nur Juan Manuel Fangio (fünf) und Michael Schumacher (sieben) haben noch mehr Titel gewonnen als der Zimmermannssohn aus Heppenheim. Jackie Stewart, Niki Lauda oder Ayrton Senna etwa sicherten sich "nur" drei Titel.

"Er wird immer besser", sagt sein Entdecker und Förderer Helmut Marko, Red Bulls mächtiger Motorsportberater. Selbst die Rivalen, die ihn gewiss nicht lieben, zollen Vettel Respekt. "'Seb' ist ein großer Champion", ließ etwa Lewis Hamilton wissen, "ich bewundere seine Hingabe und die Fähigkeit, konsequent ohne Fehler zu fahren."

Vettel, der kaltblütige Rennroboter

Doch Vettel spaltet in diesem Jahr auch die Formel 1. Die einen lieben den Lausbub mit dem schelmischen Lächeln, der immer mal einen lockeren Spruch auf den Lippen hat, der sich bescheiden gibt und volksnah. Die anderen nehmen den 26-Jährigen als rücksichtsloses Alpha-Tier, als Streber, als bestens programmierten Rennroboter wahr, der in seiner Skrupellosigkeit an Schumacher erinnert.

Sebastian Vettel

Mit langen Zotteln begann Sebastian Vettels Formel-1-Karriere bei BMW-Sauber Zoom

In Malaysia ließ Vettel seine Maske fallen, als er - gegen den Willen seines Teams - den Kollegen Mark Webber überholte. Zudem empfinden viele PS-Fans seine Siegesserie als langweilig. Zuletzt musste sich der Beatles-Fan bei den Siegerehrungen immer wieder Pfiffe und Buh-Rufe anhören. "Der Neid", sagt Formel-1-Promotor Bernie Ecclestone, "ist der älteste Bewohner im Fahrerlager." Vettel meint: "Das ist nicht nett, aber so lange sie buhen, machen wir einen sehr guten Job."

Vettel ist nicht leicht zu fassen. Im Cockpit ist er kaltblütig, entschlossen und sucht seinen Vorteil ohne Rücksicht auf Verluste. Verlässt er seinen Wagen, knipst er dagegen sein gewinnendes Lächeln an, ist lebenslustig, humorvoll. Für das diplomatische Corps taugt er trotzdem nicht. Wird ihm die Anerkennung für seine Arbeit verweigert, schaltet er auf Angriff: "Wenn die anderen nach Hause gehen und die Eier in den Pool hängen, sind wir noch da und tüfteln weiter am Auto", sagt Vettel. Dieser Spruch hat die Liste seiner Freunde nicht gerade länger werden lassen.

Schumacher immer ähnlicher

Doch das ist dem Wunderkind auch ziemlich egal. Er genieße seinen Job, "aber ich bin nicht hier, um Spaß zu haben. Ich habe Ziele und bin gewillt, eine Menge zu opfern, um sie zu erreichen", sagt Vettel. Den lieben, netten Sebastian habe es nie gegeben: "So bin ich nicht. Das Bild, das von mir existierte, stimmte nicht."

Stattdessen ähnelt Vettel immer mehr seinem einstigen Idol Schumacher, von dem er früher Poster im Kinderzimmer hängen hatte. Und vielleicht schnappt er dem Kerpener ja auch bald dessen Rekorde weg? Schumacher traut das seinem Nachfolger jedenfalls zu. "Rekorde sind da, um gebrochen zu werden - das habe ich ja auch gemacht", sagte Schumi zuletzt: "Warum sollte er nicht sieben schaffen?"


Fotostrecke: Der Weltmeister ganz persönlich

Wie Schumacher versucht auch Vettel sein Leben abseits der Rennbahn zu schützen. Vettel gibt nicht gerne und viel von sich preis, überschwemmt die Welt nicht mit seinen Weisheiten über Twitter wie Hamilton oder Fernando Alonso. Wenig ist bekannt. Vettel lebt mit seiner Freundin Hanna auf einem umgebauten Bauernhof in der Schweiz, er schläft gerne lange, liebt es, in den Bergen zu wandern, mag den Humor von Otto Waalkes und Monty Python und kann ganz wunderbar Franz Beckenbauer parodieren.

Wann folgt der Wechsel zu Ferrari?

Vettel hört gern die Musik der Generation seiner Eltern, vor allem Rock aus den 70ern. Überall auf der Welt stöbert er zudem nach alten Platten aus Vinyl der Beatles - weil er die Hüllen und das Knacken mag ("Das hat so viel Charakter"). Vettel gehört nicht zu den Top-Verdienern der Formel 1, weil ihm Freizeit wichtiger ist als noch ein Werbevertrag: "Ich brauche keine Jacht, ich gehe lieber schwimmen."

Sebastian Vettel, Dietrich Mateschitz

Dietrich Mateschitz hat mit dem Heppenheimer einen Glücksgriff gemacht Zoom

Für den Brausehersteller mit angeschlossenem Rennstall ist Vettel mit seinem Saubermann-Image so zum perfekten Botschafter geworden. "Unseren Jung-Siegfried" soll Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz seinen Helden nennen. Doch wie lange fährt er noch für die Neureichen aus Österreich? Vettel, der bei Red Bull noch einen Vertrag bis Ende 2015 hat, hält sich alle Optionen offen. "Es ist ein Traum und für jeden Rennfahrer etwas Besonderes, wenn man mal die Möglichkeit hat, bei Ferrari zu fahren", sagte der Blondschopf einmal.

Es gibt eben einen großen Makel an den vier Titeln von Vettel - alle holte er mit Red Bull. Seine Erfolge werden immer auch der Überlegenheit seines Wagens zugeschrieben. Ohne einen Titel mit einem Traditionsteam wie Ferrari oder Mercedes kann er nicht in den Olymp zu Legenden wie Senna, Schumacher oder Fangio aufsteigen - so die Meinung vieler Experten. Wohl nur mit einem Wechsel könnte aus dem ehemaligen Milch-Bubi auch ein Mythos werden.