Temperaturen und Reifen der Schlüssel in Magny-Cours

Renault-Chefingenieur Pat Symonds erklärt die wichtigsten Faktoren für ein gutes Abschneiden in Magny-Cours aus Ingenieurssicht

(Motorsport-Total.com) - Magny-Cours gilt unter den Fahrern als nicht besonders beliebt, außerdem ist der Kurs fahrerisch nicht sehr anspruchsvoll. Anders sieht es ingenieursseitig aus: Der "Circuit de Nevers" stellt die Techniker der Teams vor einige Herausforderungen. Pat Symonds, Chefingenieur des Renault-Teams, schilderte diese ausführlich.

Titel-Bild zur News: Briatore und Symonds

Pat Symonds (rechts) im Gespräch mit Renault-Teamchef Flavio Briatore

Aus Sicht des Briten ist Magny-Cours "eine der interessanteren" Stationen im Kalender. Eines der Merkmale der Strecke ist die besonders ebene Fahrbahnoberfläche und der geschmeidige Asphalt, der allerdings eine Besonderheit aufweist, wie Symonds erklärte: "Die ultimative Rundenzeit und das Handling sind hier stark von der Umgebungstemperatur abhängig. Obwohl es mit den Rillenreifen schon weniger tragisch ist als mit Slicks, ist das ein Phänomen, das wir noch immer nicht ganz verstehen."#w1#

Temperaturen variieren in Magny-Cours stärker als sonst

Die große Herausforderung sei daher, die wechselnden Bedingungen im Vorhinein zu erwarten und optimal darauf zu reagieren: "Letztes Jahr ist die Streckentemperatur von 18 Grad im ersten Training bis auf 34 Grad im Qualifying gestiegen. Zwei Wochen später veränderte sich die Streckentemperatur am Wochenende in Silverstone um maximal drei Grad. Außerdem ist die Streckentemperatur in Magny-Cours nicht nur von der Umgebungstemperatur abhängig, sondern auch vom Sonnenschein, da der dunkle Asphalt die Hitze besonders gut speichert."

An einem wolkenverhangenen Tag sei die Streckentemperatur meistens der Lufttemperatur ähnlich, so Symonds, "aber wenn die Sonne scheint, kann der Asphalt schon einmal um 20 Grad wärmer sein als die Luft. Oftmals messen die Mechaniker der Teams und Reifenfirmen die Asphalttemperaturen daher schon am Tag vor dem ersten Training, um ein Profil des Temperaturverhaltens anlegen zu können, damit man sich darauf einstellen kann."

Aber wie wirkt sich das alles eigentlich auf das Fahrverhalten aus, Pat? "Grundsätzlich hat das Auto weniger Grip, je heißer die Strecke wird", entgegnete der erfahrene Ingenieur, der schon zu Schumacher-Zeiten für das damalige Benetton-Team gearbeitet hat. Auch die Reifenwahl ist betroffen: "Man muss die Streckenbeschaffenheit in Betracht ziehen, denn die Reifen funktionieren nur bei Betriebstemperaturen zwischen 120 und 140 Grad optimal."

Molekül-Querverbindungen für Haftung ausschlaggebend

"Für eine Strecke wie Barcelona wählen wir härtere Gummimischungen, die haltbarer sind, während man in Monaco eher griffige Reifen verwendet, die nicht ganz so verschleißarm sind. In härteren Mischungen kommen mehr Querverbindungen zwischen den Gummimolekülen vor, was die Länge der Gummimoleküle, die mit der Straße interagieren können, einschränkt. Das bedeutet weniger Grip. Umgekehrt gilt für die weichen Mischungen, dass durch weniger Querverbindungen im Gummi mehr Interaktion zwischen Gummi und Straße hergestellt werden kann", erklärte der 51-Jährige.

Der Einfluss der so stark variierenden Streckentemperaturen in Magny-Cours ist folglich jener, dass das Betriebstemperaturfenster der Reifen unter Umständen binnen kurzer Zeit nicht mehr erfüllt werden kann. Bei niedrigeren Temperaturen als erwartet bietet der Reifen ganz einfach zu wenig Grip, bei zu hohen Temperaturen besteht die Gefahr der Blasenbildung auf der Lauffläche, was die Griffigkeit des Gummis massiv einschränkt.

Abgesehen von den Reifen gilt es aber noch weitere Faktoren zu beachten, erklärte Symonds: "Die Balance verändert sich mit variierenden Streckentemperaturen laufend. Generell gilt, dass das Auto mehr übersteuert, je höher die Temperaturen sind, und man muss bedenken, dass die Temperaturen im Rennen meist höher sind, da das Rennen länger in den Nachmittag hineinreicht als die Freien Trainings oder das Qualifying."

Qualifying muss nicht für das Rennen geopfert werden

Daraus schlusszufolgern, dass man eine gute Qualifying-Performance für eine bessere Rennabstimmung opfern sollte, sei aber falsch: "Eine schlechte Balance im Qualifying kann mehrere Startpositionen kosten und durch das neue Reglement sind die ersten Stints im Rennen ohnehin sehr kurz geworden, man kann also beim Boxenstopp gewisse Adjustierungen vornehmen. Das ist der bessere Weg als schon am Vortag die Temperaturänderungen abzuschätzen."

"Während des Rennens sind wir sehr eingeschränkt, was mögliche Änderungen des Fahrwerks angeht, aber wir können zum Beispiel die Frontflügeleinstellungen ändern, wodurch man die Balance zwischen Front und Heck anpassen kann, und die Reifendrücke. Geringerer Reifendruck hinten bedeutet weniger Übersteuern und bessere Traktion, während weniger Druck vorne mehr Grip an der Vorderachse bedeutet und Untersteuern neutralisieren kann", schloss der Renault-Chefingenieur ab.

Ein weiteres Abstimmungskriterium für den 'Circuit de Nevers', auf das Symonds nicht näher eingegangen ist, sind die vielen Richtungsänderungen in den schnellen Schikanen. Dafür ist ein hohes Maß an Stabilität des Fahrwerks gefragt, was natürlich auch zum Teil durch die Reifen beeinflusst werden kann. So sind in solchen Passagen stabile Flanken von Vorteil, was in den vergangenen Jahren stets einen kleinen Wettbewerbsvorteil für Michelin gebracht hat.