Symonds: "Denke, dass wir gleich konkurrenzfähig sind"
Renault-Chefingenieur Pat Symonds über den WM-Kampf gegen Ferrari, das Punktesystem, das Motorenreglement und das kommende Reifenmonopol
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Pat, Michael Schumacher hat am Saisonbeginn gesagt, dass dieses Jahr die Entwicklungsgeschwindigkeit entscheiden wird. Ist das das, was wir gerade erleben?"
Pat Symonds: "Ich habe das auch gesagt. Ich bin mir nicht mehr sicher, wer es zuerst gesagt hat! Es ist doch nichts Neues, oder? Das ist Jahr für Jahr so. Um eine gute Saison zu haben, brauchst du am Saisonbeginn ein gutes Auto, das gut laufen muss, aber danach ist die Entwicklung in der Formel 1 so intensiv, dass man sehr schnell überholt wird, wenn man nicht schnell weiterentwickelt."

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Schätzt den Renault und den Ferrari in etwa gleich stark ein: Pat Symonds
"Dieses Jahr trifft das unbedingt zu. Vergangenes Jahr hatten wir unser Rennen mit McLaren, dieses Jahr mit Ferrari und McLaren und anderen Teams. Der Hauptunterschied dieses Jahr ist, dass unser Hauptgegner auf einem anderen Reifen fährt, was einen neuen Partner in dieses Entwicklungsrennen bringt, aber das ist wie gesagt alles nicht neu."#w1#
Renault und Ferrari fast gleich stark?
Frage: "Der Ferrari scheint eines der aerodynamisch effizientesten Autos im Feld zu sein. Erwartest du, dass sie in Montréal und Indianapolis besonders stark sein werden?"
Symonds: "Ja, der Ferrari ist ein effizientes Auto mit einem guten Motor - genau wie der Renault. Auf Strecken wie in Barcelona und hier kann man sehen, in welchen Bereichen Kompromisse eingegangen wurden, aber ich denke, dass wir gleich konkurrenzfähig sind. Da ist kein großer Unterschied zwischen den beiden Autos."
Frage: "Was sagst du zum aktuellen Punktesystem? Es ist ja fast unmöglich, Fernando Alonso noch einzuholen. Würdest du eine Änderung begrüßen, auch wenn es gegen euch wäre?"
Symonds: "Irgendwie schon. Ich habe schon immer gesagt, dass nichts falsch ist, solange wir alle unter denselben Regeln antreten. Wir sind in diese Weltmeisterschaft gegangen und wussten genau, wie die Regeln aussehen. Das gegenwärtige Punktesystem legt den Schwerpunkt eher auf die Zuverlässigkeit als auf die schiere Geschwindigkeit. Das muss nicht grundsätzlich schlecht sein, aber manchmal glaube ich, dass ein Punktesystem mit größeren Abständen - nicht nur zwischen dem ersten und zweiten Platz, sondern auch weiter hinten - vielleicht mehr Überholmanöver forcieren würde."
Frage: "Die FIA will die letzte Phase des Qualifyings, dieses Benzinverbrennen, von 20 auf 15 Minuten verkürzen. Wie stehst du dazu?"
Symonds: "Nun ja, Renault hat schon einige Verbesserungsvorschläge eingebracht, wenn auch nur geringfügige. Darin ist auch eine Kürzung der dritten Session beinhaltet, aber wir halten es auch für wichtig, dass das Benzinsystem geändert wird, so dass man ins dritte Qualifying mit der Benzinmenge für eben den Rest des Qualifyings und den ersten Stint gehen muss. Weg mit den Tankgutscheinen!"
Frage: "Kannst du die Argumente von FIA-Präsident Max Mosley hinsichtlich des Einfrierens der Motorenentwicklung verstehen?"
Symonds: "Ja. Der homologierte Motor ist ein ziemlich komplexes und inzwischen auch emotionsgeladenes Thema. Das ist nicht so, wie Rennsport bisher betrieben wurde, es ist anders, aber die Teams geben für die Motorenentwicklung pro Jahr 120 Millionen Euro aus. Das ist eine ganze Menge. Es wird immer schwieriger, dieses Geld aufzutreiben, und selbst wenn man es beisammen hat, wird es schwierig, so hohe Ausgaben zu rechtfertigen."
"Die langfristig homologierten Motoren würden das Motorenbudget locker halbieren, während mir als Ingenieur das Maranello-Abkommen am besten gefällt, welches vielleicht 15 oder 20 Millionen Euro pro Jahr mehr kosten würde als der komplett homologierte Motor. Das ist auch viel Geld, das man nicht einfach ignorieren kann. Ich denke, dass wir weit nach vorne schauen müssen, denn wir können keine Homologierung für 20 oder 30 Jahre einführen."
Was passiert nach der Einfrierphase?
"Irgendwann müssen wir aus dieser Regel ausbrechen, daher müssen wir ganz sorgfältig mit diesem Thema umgehen. Ich halte es also für richtig, eine Homologierung für zwei, drei oder vier Jahre einzuführen, aber wir müssen uns auch überlegen, was danach passieren soll. Wenn wir dann nach einer fünfjährigen Homologierungsperiode wieder ein neues Design zulassen, kann es sein, dass niemand mehr einen Designer hat. Über so etwas müssen wir uns Gedanken machen. Das war eine der Überlegungen der Maranello-Diskussionen. Alles kostet viel Geld, aber wir müssen uns etwas einfallen lassen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür, und ich halte eine Homologierung für den richtigen Weg."
Frage: "Was kannst du der Idee eines Reifenmonopols, welches ja wahrscheinlich kommen wird, abgewinnen?"
Symonds: "Sinkt dadurch der Spaßfaktor? Ich hoffe nicht! Es nimmt einen interessanten Faktor weg. Für uns war es faszinierend, mit einem Hersteller, der so gut und professionell wie Michelin ist, zusammenzuarbeiten. Wir haben von ihnen viel gelernt und eng mit ihnen zusammengearbeitet. Es war eine schöne Zeit, die ich sehr genossen habe. Ich mag den Wettbewerbsgeist, der sich im Reifenkrieg entwickelt. Gleichzeitig ist der Reifenkrieg aber auch sehr, sehr, sehr teuer. Wir müssen deswegen sehr viel testen - und jeder Test kostet bekanntlich viel Geld. Daher müssen wir etwas ändern."
"Natürlich könnten sich dadurch engere Rennen entwickeln, weil dadurch eine Variable weggenommen wird. In unserem Duell mit Ferrari ist das Duell zwischen Bridgestone und Michelin ein interessanter Faktor, aber vielleicht wäre es sogar noch spannender, wenn beide Teams den gleichen Reifen hätten. Es gibt also Vor- und Nachteile. Ich persönlich finde es sehr schade, denn ich habe es sehr genossen, mit den Reifenherstellern zusammenzuarbeiten, aber für den Sport insgesamt ist ein Reifenmonopol sehr vernünftig."
Frage: "Wie groß wird euer Nachteil gegenüber den derzeitigen Bridgestone-Teams sein, wenn ihr auch zu Bridgestone wechseln müsst?"
Symonds: "Bridgestone wird einen Entwicklungsschritt mit den Konstruktionen zurückgehen und auch nur eine bestimmte Anzahl an Mischungen zur Verfügung stellen. Ich glaube, die Bridgestone-Teams werden einen Vorteil haben, aber der wird nicht so groß sein, wie manche glauben. Ohne Frage müssen sich die Fahrer an die Eigenschaften der neuen Reifen gewöhnen. Aus Teamsicht haben sich die Werkzeuge und das Wissen, wie man die Reifen analysieren und verstehen kann, seit dem letzten Reifenherstellerwechsel massiv verändert, was uns sicher helfen wird. Viel wird davon abhängen, wie viele Informationen Bridgestone zur Verfügung stellen kann."
"Mit Michelin betreiben wir eine Menge grundsätzlicher Forschung. Es ist möglich und sogar wahrscheinlich, dass das Niveau der Zusammenarbeit sinken wird, ganz einfach weil die Bedeutung der Reifen in Zukunft nicht mehr so groß sein dürfte. Nach einem Weilchen - vielleicht etwas länger als die Testphase am Saisonbeginn - sollten dann aber wieder alle Teams gleiche Voraussetzungen haben."

