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Brawn: "Sind auf allen Streckentypen stark"
Ferrari-Mastermind Ross Brawn über den WM-Kampf gegen Renault, die Qualifying- und Motorenregeln sowie das bevorstehende Reifenmonopol
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Ross, Bridgestone scheint beim letzten Test in Barcelona Fortschritte gemacht zu haben. Ist das etwas, was ihr in die nächsten Rennen mitnehmen könnt?"
Ross Brawn: "Es ist kein spezieller Schritt. Sie machen schon das ganze Jahr gute Fortschritte. Im vergangenen Jahr haben wir gesehen, dass wir nicht konkurrenzfähig genug waren. Also wurde viel in das neue Design der Reifen investiert, und dass Williams und Toyota zu uns kamen, war eine große Hilfe, denn sie konnten sich in diesem Prozess einbringen. Der große Schritt fand also schon im Winter statt, aber jetzt haben wir eine bessere Grundlage und viel bessere Zwischenschritte."

© xpb.cc
Ross Brawn steht in Sachen Motorenregel voll auf der Seite der FIA
"In Barcelona testeten wir eine neue Gummimischung, die wir hier verwenden. Die Konstruktion ist unverändert. Bridgestone macht aber gute Fortschritte, und Toyota und Williams geben da sehr wichtigen Input. Wir können jetzt beim Testen ein Programm abwickeln, Williams ein zweites, Toyota ein drittes - und am Ende werfen wir alle Informationen zusammen. Das Testprogramm ist also viel breiter angelegt. Es gibt Bridgestone mehr Vertrauen, wenn sie von zwei oder drei Kunden Informationen bekommen."#w1#
Ferrari war eigentlich schon immer stark
Frage: "In der Weltmeisterschaft kommen jetzt einige Hochgeschwindigkeitsstrecken. Müsst ihr dort 20 Punkte aufholen, um die Titelchancen am Leben zu halten?"
Brawn: "Das war am Saisonbeginn vielleicht noch nicht klar, aber wir sind eigentlich auf allen Streckentypen stark. Im zweiten und dritten Rennen hatten wir Motorenprobleme. In Australien entschieden wir uns für den falschen Reifen. Das Auto war also überall stark, aber wir schöpften es nicht voll aus. Ich rechne jedoch damit, dass wir in Kanada und in Indianapolis stark sein werden. Das Punktesystem wird immer entsprechend der Situation ausgelegt, in der man sich gerade befindet. Ich bin sicher, dass Renault damit momentan sehr zufrieden ist, es aber in unserer Situation nicht wäre. Das ist natürlich. Dieses System gibt es nun einmal. Es gab Jahre, in denen wir uns einen guten Vorsprung erarbeiten konnten."
"Ideal wäre natürlich ein Ausfall von Fernando (Alonso; Anm. d. Red.). Ich wünsche ihm das nicht wirklich, aber es wäre andererseits gut, denn es würde die Weltmeisterschaft erheblich zurücksetzen. Wenn beide immer ins Ziel kommen, wird es für uns sehr, sehr schwierig. Wir haben Renault einen idealen Start ermöglicht und müssen hart daran arbeiten, das Blatt zu wenden. Es ist nie vorbei, bis nicht die letzte mathematische Chance dahin ist, und vor uns liegt sicher noch eine interessante Weltmeisterschaft."
Frage: "Wegen der Motorenprobleme im zweiten und dritten Rennen: Was wäre passiert, wenn schon die von der FIA vorgeschlagenen Motorenregeln mit Entwicklungsstopp gegolten hätten?"
Brawn: "Es ist ein sehr radikaler Schritt, aber das Motiv dahinter, die Motoren einzufrieren - oder homologieren, wie sie sagen -, ist schon lobenswert. Es macht Sinn, die Kosten einzudämmen. Es gibt Diskussionen darüber, wie man diese strenge Idee ein bisschen aufweichen kann, um den Ingenieuren auf eine ökonomische Weise ein bisschen Spielraum zu geben. Man kann Bereiche freigeben, in denen sich Innovationen entwickeln können, und andere einschränken, in denen überproportional viel Geld ausgegeben wird."
"Dadurch begannen die so genannten Maranello-Diskussionen, an denen Renault, Cosworth und Ferrari teilnahmen. Das war damals sehr vernünftig, denn wenn andere Teams involviert gewesen wären, wären die Freiräume immer weiter aufgemacht worden - und unterm Strich hätten wir dann wieder nichts erreicht. Also sagte die FIA: 'Stopp, gehen wir wieder zurück zum Ursprung - und alle müssen mit!' Vielleicht gibt es noch Verhandlungsspielraum, aber ich denke, dass wir vom ursprünglichen Ziel schon wieder so weit entfernt waren, dass ich verstehe, warum Max einen Punkt gemacht hat. Wir gehen zurück zu den momentan vorgeschlagenen Regeln und ändern diese nur noch dann, wenn jemand einen besseren Vorschlag hat. Ich stimme ihm zu, dass es bereits in eine Richtung ging, die nicht mehr tragbar war, denn es gab eingefrorene Elemente und freie, aber wir hätten uns mit dem Kompromissangebot kein Geld gespart."
Ferrari mit neuer Designphilosophie
Frage: "Euer Auto scheint eines der aerodynamisch effizientesten Autos im Feld zu sein..."
Brawn: "Wir haben einen guten Motor und ein sehr effizientes Auto, wenn ich es im Vergleich zum Vorjahr betrachte. Die Teams legen ein Niveau an Luftwiderstand fest und versuchen dann, das Auto um diesen festgesetzten Wert herum zu optimieren. Wir haben unser Auto diesmal an einem neuen Wert ausgerichtet, weil die V8-Motoren eingeführt wurden, und unsere ganze Aufmerksamkeit widmeten wir der Effizienz für dieses Niveau. Das machen vielleicht alle so, aber für uns war es eine Veränderung, denn im vergangenen Jahr strebten wir noch nach Anpressdruck um jeden Preis, ohne Rücksicht auf die Effizienz, und unterm Strich war das nicht die richtige Vorgehensweise. Es gab Zeiten, da hatten wir deswegen Probleme, also haben wir unsere Philosophie geändert. Jetzt ist das das Auto, das wir haben, und es ist sehr effizient mit einem guten Motor."
Frage: "Du sagst, dass euer Motor sehr gut ist. Könnt ihr deswegen in Silverstone vielleicht mehr Abtrieb fahren als Renault?"
Brawn: "Wir haben einen konkurrenzfähigen Motor, aber ob er besser oder schlechter als der von Renault ist, das weiß ich nicht. Es gibt neben den PS ja noch alle möglichen weiteren Faktoren, die einen guten Motor ausmachen: Benzinverbrauch, Fahrbarkeit, Drehmoment im niedrigen Drehzahlbereich, was für die Starts sehr wichtig ist. Es ist nicht einfach, zwei Motoren zu vergleichen. Man muss sich die verschiedenen Autos anschauen. Wir fahren mehr Abtrieb als in den vergangenen Rennen und Renault fährt mehr Abtrieb als in den vergangenen Rennen, also finde ich interessant, dass sie sich auf das eingelassen haben."
"Sie haben hier ja schon getestet, weshalb sie heute eigentlich einen Vorsprung hätten haben müssen. Wir hatten noch etwas zu viel Abtrieb, werden das aber bis morgen korrigieren und sollten dann stärker zurückkommen. Die Strecke war ja noch sehr rutschig. Was den Abtrieb angeht, kann man Simulationen machen, was im Zusammenspiel mit dem Motor am effizientesten sein würde, und das ergibt dann ein Resultat. Wir fahren jedenfalls mehr Abtrieb als auf den letzten paar Strecken."
Frage: "Michael Schumacher hatte in Monaco aus bestimmten Gründen eine glutheiße Zeit. Konntest du deswegen eine Veränderung bei ihm beobachten?"
Brawn: "Er ist immer ein ziemlich entschlossener Kerl, aber seine Fahrt in Monaco war angesichts all dieser Ereignisse außergewöhnlich. Was geschieht, beeinflusst die Menschen auf unterschiedliche Weise, aber ihn machte es nur noch entschlossener. Er sucht den Trost beim Team und in seinen Leistungen. Wenn es überhaupt möglich ist - denn er ist wie gesagt schon extrem entschlossen -, dann hat ihn die ganze Sache nur noch entschlossener gemacht, in nahe Zukunft besonders gut zu fahren."
Frage: "Die FIA möchte die letzte Phase des Qualifyings wegen des Benzinverbrennens von 20 auf 15 Minuten verkürzen. Stimmst du zu?"
Brawn: "Ich glaube, es gibt für das Qualifying einige Möglichkeiten. Zunächst einmal bin ich gegen zu viele Änderungen. Ich denke, dass sich die Dinge beruhigen sollten, so dass wir eine genaue Einschätzung dessen treffen können, was wir jetzt haben. Wir sind schuldig im Sinne der Anklage, dass wir in der Vergangenheit zu viel verändert und das Publikum verwirrt haben. Das hat dem Sport geschadet. Mir war das gar nicht bewusst, aber wenn ich mit echten Fans spreche, dann gefällt ihnen der aktuelle Modus, weil sie viele Autos sehen. Die Leute wollen Autos sehen - am liebsten im direkten Zweikampf, aber wenn nicht, dann reicht es auch schon, wenn möglichst viele Autos auf der Strecke sind. Jetzt sehen sie zumindest für 15 Runden alle Autos auf der Strecke, was ja am Freitagmorgen und auch sonst kaum noch der Fall ist."
Brawn gegen zu schnelle Regeländerungen
"Wir sollten also erst genau verstehen, was verlangt wird, bevor wir uns zu schnell entscheiden, und wir sollten nur solche Änderungen einführen, die kein Team benachteiligen. Das Problem ist, dass sich die Teams für unterschiedlich große Tanks entschieden haben, weil die Regeln eben so sind. Es gab einige Ideen, die Teams mit größeren oder kleineren Tanks bevorzugt hätten, und deswegen verliefen all diese im Sand. Es wurde schwierig, für alle Teams eine gute Lösung zu finden. Ich sage nicht, dass wir das Thema Qualifying auf die leichte Schulter nehmen sollten, aber wir sollten keinen Schnellschuss machen. Eine Änderung von 20 auf 15 Minuten wäre für uns keine große Sache, würde das Qualifying nicht groß verändern. Das würde das Ganze halt um drei oder vier Runden verkürzen."
Frage: "Wie stehst du zur Idee eines Einheitsreifens, der ja kommen wird? Nimmt das nicht den Spaß weg?"
Brawn: "Als Ingenieur finde ich, dass es ein fantastischer Wettbewerb war. Ein Reifenkrieg kann frustrierend aber auch sehr erfüllend sein, aber es ist eine gewaltige Verpflichtung, Rennreifen zur Verfügung zu stellen. Die involvierten Kosten und die Zeit, die wir aufbringen müssen, machten es sehr schwierig, zu einer Testbestimmung zu kommen, denn wir sind Bridgestone gegenüber verpflichtet, ihre Reifen zu testen. Wenn wir heute eine schlechte Balance im Auto haben, dann probieren wir neben dem Chassis auch die Reifen, um das zu ändern. Die ganze Sache wird technischer, denn wenn man in Zukunft ein Problem hat, muss man das Auto ändern, weil man keine Lösungen über die Reifen suchen kann."
"Man kann auch das Argument der Dominanz in beide Richtungen auslegen, denn wenn ein Team auf einem Kontrollreifen überlegen ist, dann lässt sich der Rückstand der Konkurrenz viel schwieriger aufholen als mit einem zweiten Reifenhersteller. Die Teams sparen schon Geld, aber man muss auch berücksichtigen, dass dann von den Reifenherstellern weniger Geld in die Formel 1 kommt. Die ganze Situation wird sich verändern. Was Vor- oder Nachteil angeht: Als Goodyear aus der Formel 1 ausstieg, mussten wir als neues Team zu Bridgestone wechseln, und jetzt müssen eben andere Teams neu zu Bridgestone kommen, weil sich Michelin zum Ausstieg entschlossen hat - nicht die FIA, nicht Ferrari und auch nicht die anderen Bridgestone-Teams. Wir sind dafür nicht verantwortlich."
"Wir werden die Reifen nächstes Jahr schon besser kennen. Wenn wir keinen guten Job machen, wird das kaum etwas ausmachen, aber wenn wir einen guten Job machen, dann wird es sich zeigen, denn die anderen Teams müssen dann erst Erfahrung sammeln. Bridgestone wird zwei oder drei Entwicklungsschritte zurück machen, denn die derzeitigen Reifen sind sehr teuer zu produzieren. 2008 kommt dann der Kontrollreifen, und dann wird wohl noch einmal eine neue Referenz gesetzt. Wir bekommen Slicks, andere Reifendimensionen. Alle werden wieder bei Null beginnen, aber ich denke, dass wir, Toyota und Williams nächstes Jahr einen Vorteil haben werden, weil es schon eine Beziehung zu Bridgestone gibt."

